Deutschland-Tour Fabian Wegmann im GA-Interview über den Radsport

Bonn · Der Sportliche Leiter Fabian Wegmann spricht in einem GA-Interview über die Neuauflage der Deutschland-Tour. Dabei geht es unter anderem um den Etappenort Bonn und das Drama bei Paris-Roubaix.

 Rennleiter und TV-Experte: Auch nach dem Ende seiner Karriere im Jahr 2016 bleibt Fabian Wegmann im Radsport ein gefragter Mann.

Rennleiter und TV-Experte: Auch nach dem Ende seiner Karriere im Jahr 2016 bleibt Fabian Wegmann im Radsport ein gefragter Mann.

Foto: Augenklick/Roth

Fabian Wegmann erlebte am Sonntag als Experte für Eurosport beim Rad-Klassiker Paris - Roubaix die Tragödie um den tödlichen Unfall des Belgiers Michael Goolaerts (23) hautnah mit. Der frühere Profi und dreimalige deutsche Meister im Straßenrennen ist neben seiner Tätigkeit für den TV-Sender als Sportlicher Leiter verantwortlich für die Streckenführung der Deutschland-Tour, deren erste Etappe am 23. August von Koblenz nach Bonn führt. Mit dem 37-jährigen Wegmann sprach Hartmut Eickenberg.

Herr Wegmann, ist das Rennen Paris-Roubaix zu schwer und zu fordernd für den Radsport?

Fabian Wegmann: Es ist ein sehr spezielles Rennen, zum Teil gefährlich. Aber der Sturz von Michael Goolaerts passierte an einer Stelle, die nicht besonders herausfordernd war. Es gab auch kein ungesichertes Hindernis. Die Rettungskräfte waren sehr schnell zur Stelle. Bei Paris-Roubaix sind Ärzte auf Motorrädern im Einsatz, um möglichst rasch eingreifen zu können. Von daher wurde alles Menschenmögliche getan. Ich bin erst einmal davon ausgegangen, dass er erfolgreich reanimiert werden konnte. Wie schlimm es um ihn stand, habe ich erst später erfahren. Das ist eine Tragödie.

Wegmann: Wer eine Lizenz beantragt, muss sich jedes Jahr umfangreichen medizinischen Untersuchungen unterziehen, darunter ein EKG und Leistungstests. Das Herz eines Profiradsportlers verändert sich ja durch die Belastung, es vergrößert sich. Was genau bei Goolaerts zum Tod geführt hat, wird die Obduktion ergeben.

Wegmann: Das sind ja zum Teil keine öffentlichen Straßen, auf denen gefahren wird. Das kann man sich nicht vorstellen. Das sind Wirtschaftswege, die Jahrzehnte verschüttet waren und wieder ausgebuddelt wurden. Dazu das berüchtigte Kopfsteinpflaster. Da ist kein Stein wie der andere. Die einen sind ein paar Zentimeter höher als die anderen, dazwischen fehlen einfach welche. Es ist ein sehr schwieriges Terrain. Nichts für mich. Ich bin einen Teil der Strecke mal im Rahmen einer Tour-de-France-Etappe gefahren. Das hat mir gereicht. Da muss man mehr Masse aufs Rad bringen, um das Rennen vernünftig bewältigen zu können.

Wegmann: Nur gut. Viele Zuschauer, prima Atmosphäre, es gibt ja nichts Schöneres als ein topbesetztes Rennen im eigenen Land. Das Aus war bitter.

Wegmann: Ein Hauptgrund war natürlich das leidige Thema Doping und der damit verbundene Rückzug der TV-Sender. Aber es wurde auch immer komplizierter, ein Radrennen auf öffentlichen Straßen auszutragen. Mit wie vielen Behörden und Kommunen gesprochen werden muss, wie viele Genehmigungen eingeholt werden müssen, um Absperrungen zu errichten, das überfordert viele Rennveranstalter, logistisch und finanziell. Dazu kommt die Abwehr möglicher terroristischer Anschläge. Das ist alles sehr komplex.

Jetzt übernimmt die A.S.O., die Amaury Sport Organisation aus Frankreich, die auch die Tour de France organisiert, die Austragung. Ihnen wurde die sportliche Leitung übertragen. Was ist Ihr Job?

Wegmann: Ich bin für die Streckenplanung verantwortlich. Das heißt, die Tour-Städte so miteinander zu verbinden, dass wir jeden Tag ein Rennen wie ein Klassiker haben. Und dabei mögliche Hindernisse wie Bahnübergänge möglichst auszuschließen. Wenn das Feld minutenlang an einer Schranke stehen bleiben muss, ist das nicht so glücklich. Ich bin die Strecke jetzt ein paar Mal mit dem Auto abgefahren. Ich glaube, wir haben eine gute Wahl getroffen.

Wegmann (lacht): Auf den ersten Blick sehen die Etappen ein bisschen wild aus, aber das sind alles Fahrer, die bei der Tour de France die höchsten Berge meistern. Das schaffen die locker. Vom Profil her kommt die Deutschland-Tour natürlich einem Allrounder wie John Degenkolb eher entgegen als einem Sprinter.

Wegmann: Wenn ich im Ausland unterwegs bin, werde ich immer wieder darauf angesprochen, warum es bei uns kein großes Mehr-Etappen-Rennen gibt. Wir haben Weltklassefahrer, wir haben super Straßen und traumhafte Gegenden. Der Radsport bewegt immer noch die Massen, das hat man beim Tour-de-France-Start im letzten Jahr in Düsseldorf gesehen. Deutschland ist ein Riesenmarkt. Du braucht aber das Knowhow und die Logistik. Das alles hat die A.S.O.

Wegmann: Das ist nicht mein Aufgabenbereich gewesen. Ich weiß aber, dass nicht alle Städte vor Begeisterung Juchhu geschrieen haben. Vieles müssen die Kommunen selbst organisieren. Da braucht man schon einen OB, der radsportbegeistert ist. Ich freue mich sehr, dass eine so große, schöne und geschichtsträchtige Stadt wie Bonn bei der Neuauflage des Rennens eine Vorreiterrolle übernimmt. Auf der anderen Seite bringt die Tour natürlich auch Umsatz. Und die Imagewerbung durch die TV-Übertragung ist ja auch ein Faktor.

Wegmann: Der Radsport tut enorm viel für den Anti-Dopingkampf. Ich glaube auch, dass es im Gegensatz zu früher kein systematisches Doping mehr gibt. Es wird immer Einzelne geben, die dopen. Da kann man die Strafen so hoch ansetzen, wie man will. Sie verstehen es nicht. Früher war es dann eher ihr persönliches Problem, heute trifft es eine ganze Sportart. Ein Pro-Tour-Team hat bis zu 100 Angestellte, da hängen Existenzen dran. Darüber muss sich jeder im Klaren sein. Das System greift, das ist das Positive.

Wegmann: Ich würde mich freuen, wenn sie wieder eine feste Größe im Radsportkalender würde. Ich glaube, das schaffen wir auch.

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