EM 2016 DFB-Elf und Squadra Azzurra im Vergleich

Bordeaux · Am Samstag steht für die deutsche Nationalmannschaft das Viertelfinale gegen Italien auf dem Programm. Die jüngste Bilanz spricht nicht für die DFB-Elf, aber die Einzelkönner?

 Jonas Hector geht es wieder besser.

Jonas Hector geht es wieder besser.

Foto: Laurent Dubrule

Joachim Löw hat es gerade nicht einfach. Zwar steht er mit der Nationalmannschaft im Viertelfinale der EM, dort aber wartet an diesem Samstag Italien als Gegner (21 Uhr/ARD). Höchste Glücksgefühle wird das in Löw vermutlich nicht hervorrufen. Denn in fünf Spielen unter ihm als Bundestrainer gelang erst im März mit dem 4:1 in München der erste Sieg gegen die "Squadra Azzurra".

Was erschwerend hinzu kommt: Zwar sind alle 23 deutschen Spieler einsatzbereit, nur auf den Einsatz der Kanzlerin als Glücksbringer muss er dieses Mal verzichten. Angela Merkel kommt nicht nach Bordeaux: Die Amtsgeschäfte rufen. So wird sich Löw an diesem Samstag ganz auf das Sportliche konzentrieren können: auf den Klassiker gegen Italien. Ein Vergleich der beiden viermaligen Weltmeister - Mannschaftsteil für Mannschaftsteil:

Torwart

Gianluigi Buffon ist vor allem dadurch bekannt, die Nationalhymne seines Landes vor den Spielen mit einer Inbrunst zu schmettern, dass sich die Balken der Tore biegen. Das hat er zuletzt auch ohne Gesang geschafft. Im Rausch des Jubels sprang er nach der Partie gegen Belgien aus vollem Lauf auf die Latte, rutschte im ersten Versuch aber ab und landete hart auf dem Rücken. Er ist ja auch schon 38. Dass er ansonsten aber ein Beherrscher seines Tores ist, bewies er in bislang 160 Länderspielen. Er ist Weltmeister geworden und Welttorhüter. Er gehört zu ganz Großen seiner Zunft. Dennoch ist sich der 1,91-Meter-Mann nicht zu schade, sich auch schon mal kleiner zu machen. Neulich sagte er: "Neuer ist besser als ich." Das ist noch nicht abschließend geklärt, aber sollte es Unterschiede zwischen den beiden Weltklassekeepern geben, es wären Nuancen. Buffon (blieb bei bislang drei Turniereinsätzen drei Mal ohne Gegentor) sieht sich wie Neuer (in bislang vier Turniereinsätzen vier Mal zu null) als erster Aufbauspieler seines Teams. Nachteil Neuer: Den Sprung auf die Latte hat er seit seiner "Kindheit, bei den E-Jugendtoren" nicht mehr gewagt.

Die voraussichtliche Aufstellung der DFB-Elf
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Abwehr

Diese italienische Abwehr ist nicht weniger als furchteinflößend. Wie Kerberos, der Höllenhund, der mit seinen vielen Köpfen den Eingang zur Unterwelt bewacht. Drei Häupter ragen aus diesem kompakten Defensivkörper hervor: Andrea Barzagli, Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci. Gemeinsam haben sie bei Juventus Turin die Defensive zum höchsten Kulturgut erhoben, sind eingespielt und funktionieren perfekt zusammen. Einen erfahrenen Höllenhund haben die Italiener da vor Buffon aufgestellt: Der frühere Wolfsburger Barzagli ist 35 Jahre, Chiellini 31 und Kämpfer und Küken Bonucci immerhin schon 29. Manchmal aber wird sebst der Hund gebissen: Die Zahnabdrücke, die der Uruguayer Luis Suarez 2014 in Chiellinis Schulter hinterließ, dürften noch heute sichtbar sein.

Der frühere Nationalspieler und Bayern-Star Luca Toni hält große Stücke auf die Abwehrkünstler aus seiner Heimat. "Ehrlich gesagt halte ich die italienische Defensive noch mal für eine andere Kategorie als die deutsche", sagte der Ex-Stürmer. Diese Meinung muss man natürlich nicht teilen. Denn immerhin bilden das Weltmeisterduo Jerome Bateng und Mats Hummels den Kern der deutschen Verteidigung. Dass Neuer noch nicht hinter sich greifen musste, ist auch ihr Verdienst. Zudem haben beide Vorteile im Aufbauspiel. Ihre langen, genauen Pässe sorgen für Gefahr. Auf den Außenpositionen der Viererkette fehlt es allerdings an Routine. Der junge Joshua Kimmich kommt erst auf drei Länderspiele. Zudem wurde er dabei in der Defensive bislang nicht gefordert. Der Kölner Jonas Hector spielt hinten sehr solide. Mindestens.

Die voraussichtliche Aufstellung der Squadra Azzurra

Mittelfeld

Joachim Löw betont immer wieder, dass es "die Wunschelf" nicht gebe. Im Mittelfeld allerdings scheint er sich auf eine Besetzung festgelegt zu haben: In der Defensive bilden Toni Kroos und Sami Khedira (wenn nicht Bastian Schweinsteiger mal eine Chance in der Startelf erhält) ein Gespann, das Passsicherheit, Präzision und Kraft vereint. Davor versuchen sich drei weitere Weltmeister mit den gesetzten Mesut Özil und Thomas Müller sowie dem gegen die Slowakei überragenden Julian Draxler an dem sagenhaften italienischen Höllenhund vorbeizuwurschteln. "Eine wahnsinnige Qualität", bescheinigt Joachim Löw etwa Khedira, der an der Seite von Özil 2009 U21-Europameister wurde. Er könnte aber genausogut die übrigen Mittelfeldspieler meinen, die der italienischen Achse überlegen scheint.

Während Löw seine Formation gefunden hat, muss der Iltaliener Antoni Conte wohl improvisieren. Sehr zu seinem Leidwesen. Denn das Herzstück seiner Mannschaft, der 32 Jahre alte Daniele De Rossi vom AS Rom, plagt sich mit Oberschenkelproblemen. Jener Spieler, der nicht nur immer aggressiv aussieht, sondern auch so auftritt. Als Ersatz für De Rossi ist Stefano Sturaro vorgesehen, der erst drei Länderspiele absolviert hat und sich noch beweisen muss. Seine Nebenmänner wie Alessandro Florenzi zeichnen vor allem Lauf- und Kampfstärke und defensive Zuverlässigkeit aus. Aber auch im Spiel nach vorne können sie, wie beim 2:0 gegen Spanien, Akzente setzen. Emanuele Giaccherini ist flink, fleißig und gut in Form, was er mit seinem Tor gegen Belgien und einer beeindruckenden Leistung gegen Spanien unterstrich.

Sturm

Diese Höllenhunde von italienischen Abwehrspielern werden vor allemein ein glühendes Auge auf Mario Gomez werfen. Mit zwei Treffern in zwei Spielen bei dieser EM hat er sich in den Sturm-Mittelpunkt gespielt. Er wird seine Wucht und seinen muskelbepackten Körper auch gegen Italien in vorderster Front einbringen und nach Löws Wunsch nicht nur einen Gegenspieler binden. Das schafft Räume für seine Spielpartner, die ihn aus dem Mittelfeld unterstützen sollen. Die Italiener, man glaubt es kaum, bieten sogar einen Angreifer mehr auf. Eder und Graziano Pellè, ein Stoßstürmer erster Güte, ergänzen sich prächtig. Eder, in Brasilien geboren, ist wendig, schnell, trickreich und kann ganze Abwehrreihen zermürben. Traf zum 1:0 gegen Schweden.

Fazit

Italien mag zwar nicht unbedingt über die talentiertere Mannschaft verfügen. Es zeigt aber viel Herz. Meinen die Spieler jedenfalls selber. "Unser Teamgeist ist unglaublich. Wir geben unser Herz und unsere Seele", sagte Mittelfeldmann Marco Parolo. Klingt pathetisch. Ist es auch.

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