Eishockey WM als Bewährungsprobe für Sturm - K.o.-Runde "machbar"

St. Petersburg · 2008 nahm Marco Sturm zuletzt an einer Eishockey-WM als Spieler teil. Nun will er sich beim Turnier in Russland als Bundestrainer beweisen. Die Euphorie um das Nationalteam ist groß, die Aufgabe heikel.

 Für Marco Sturm sind die Finnen Titelfavorit.

Für Marco Sturm sind die Finnen Titelfavorit.

Foto: Maja Hitij

Die Eishockey-WM in Russland wird für das heikle Experiment mit Bundestrainer Marco Sturm zum ersten Prüfstein. Vor zehn Monaten zauberte der Deutsche Eishockey-Bund den Novizen als neuen Verantwortlichen hervor.

Der Aufstieg des langjährigen NHL-Profis kam rasant, Erfahrung als Trainer besaß er nicht. Nun muss sich der 37-Jährige keine zwei Jahre nach seinem Abschiedsspiel als Schlusspunkt einer famosen Profi-Karriere auf der großen Bühne messen lassen. Gerade weil er den besten Kader seit langem vereint zu haben scheint und optimistisch mit den Erwartungen umgeht.

"Deutschland kann jedes Jahr ein Viertelfinale erreichen, aber es muss dafür alles passen. In diesem Jahr ist es so: "Warum nicht?"", sagte die Spielerlegende im Interview der Deutschen Presse-Agentur und betonte: "Auch in den vergangenen Jahren oder in der Zukunft - es ist immer machbar." Dank Sturm hat sich rund um das Nationalteam nach ernüchternden Jahren eine Aufbruchstimmung entwickelt. Geht die WM schief, kann diese Euphorie aber schnell wieder verfliegen.

Erfolgsdruck und Arbeitseifer bringen den Bundestrainer um jede Menge Schlaf. "Es sind keine schlaflosen Nächte, aber kürzere Nächte", gestand er ein. Eine einstellige Endplatzierung soll her, will Sturm nicht schon vor der Olympia-Qualifikation in Riga unter Druck geraten. Der Sprung zu den Winterspielen 2018 hat Priorität, nachdem Deutschland 2013 blamabel gescheitert war. Die WM in Russland spiele "schon eine wichtige" Rolle für das Qualifikationsturnier, sagte Sturm. "Da hilft natürlich eine gute WM, gar keine Frage."

Auf eine konkrete Vorgabe für sein WM-Debüt als Bundestrainer in St. Petersburg verzichtete Sturm trotz allem. Minimalziel ist, in der Weltrangliste von Platz 13 nach oben zu klettern. Die Position beeinflusst den Spielplan für die Heim-WM 2017, die Deutschland gemeinsam mit Frankreich ausrichtet. Als Gastgeber des nächsten Turniers muss sich das Team um die Abstiegsgefahr diesmal nicht sorgen.

Vielmehr scheint der erste Sprung unter die Top Acht seit 2011 möglich. Vier NHL-Profis folgten dem Ruf des Coaches, so viele wie seit 2008 nicht mehr: neben den beiden jungen Stürmern Leon Draisaitl und Tobias Rieder die erfahreneren Verteidiger Christian Ehrhoff und Korbinian Holzer. Erstmals seit dem sensationellen Halbfinaleinzug bei der Heim-WM 2010 sind bei dem Turnier in Russland, das für den DEB mit sieben Spielen in zehn Tagen beginnt, mehr als zwei dabei.

"Er hat dafür gesorgt, dass die Liebe zum Nationalteam gestiegen ist", lobte DEB-Präsident Franz Reindl Sturms Verdienst. "Das macht das Produkt Nationalmannschaft wieder interessant."

Der 61-Jährige hatte Sturm im Juli 2015 gleich in Personalunion auch zum Generalmanager ernannt. Eine große Verantwortung für einen Puck-Experten, der eigentlich nie Trainer werden wollte und mit seiner Familie in Florida wohnt. Das Risiko nahm Reindl in Kauf, er holte ihn als Motivationshilfe und Identifikationsfigur. Sturms Name hat Klang, steht für Tore, Erfolg und Ehrgeiz. 1006 NHL-Partien hat er absolviert - Rekord für einen Deutschen. "Jeder ist bereit, wenn der Bundestrainer anruft", verdeutlichte der Kölner Philip Gogulla.

Doch auch einer Spielerlegende gelingt als Trainer nicht auf Anhieb alles. "Man merkt natürlich, dass er sich bei Ansprachen noch etwas schwer tut", verriet Stürmer Felix Schütz. In Geoff Ward hat sich Sturm einen Assistenten mit reichlich NHL-Erfahrung an seine Seite geholt. Ward gewann als Co-Trainer mit den Boston Bruins den Stanley Cup und führte die Adler Mannheim 2015 zum Meistertitel.

In St. Petersburg will der DEB die durchwachsenen Jahre unter Pat Cortina nun hinter sich lassen. Sturms Vorgänger beendete die WM 2015 in Tschechien mit einem zehnten Platz. Als Erfolg wurde das damals in der Öffentlichkeit nicht gewertet, obwohl die Voraussetzungen schwierig waren und der Kader deutlich schwächer.

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