DFB-Pokalfinale Berlin schaut zu - am Fernseher

Berlin · Während Bayern und Dortmund den Pokal erneut unter sich ausmachen, bleibt den Hertha-Fans nur eine undankbare Rolle. Ein Stimmungsbericht aus Berlin rund um das Endspiel.

 Der fast einjährige Dortmund-Fan Mats feiert auf dem Arm seiner Mutter vor der Gedächtniskirche.

Der fast einjährige Dortmund-Fan Mats feiert auf dem Arm seiner Mutter vor der Gedächtniskirche.

Foto: dpa

An der Wand hängen Bilder von Politkern und anderen Prominenten, serviert werden rheinische Spezialitäten und im Fenster hängt ein Schild mit der Aufschrift „Bonn Hbf“. Das Lokal „Die ständige Vertretung“ (StäV) direkt an der Spree ist Zufluchtsort für Hauptstadt-Pendler, rheinische Auswanderer und Touristen. Ein Hauch Rheinland Mitten in Berlin. Seit 15 Jahren gibt es die Gastronomie am Schiffbauerdamm, aufgebaut vom Bonner Promi-Wirt Friedel Drautzburg.

Am Tag nach dem Pokalfinale ist das Lokal allerdings fest in Dortmunder Hand - trotz Pleite. Seit Freitagabend ist die „StäV“ Treffpunkt für die Borussen-Fans. Selbst ein Köbes ließ es sich nicht nehmen und lief im Dortmund-Jersey herum. Wo sonst „Himmel und Äd“ sowie Rheinischer Sauerbraten serviert werden, ist der aktuelle Renner das Altkanzler-Filet – Currywurst. Benannt nach dem hiesigen Lieblingsgericht von Altkanzler Gerhard Schröder.

Ganz anders ist die Situation am Alexanderplatz. Hier regierte in den vergangenen Tagen rot-weiß. Der Alex fest in Bayern-Hand. Trikots der Hertha sucht man in Berlin am Tag des Endspiels vergebens. Die eigentlich gute Saison ist abgehakt. Auch wenn das Highlight unmittelbar bevorsteht. Vergessen die erfolgreiche Hinrunde des Hauptstadtclubs, „Im Moment überwiegt noch immer die Enttäuschung“, sagt Joschua aus Moabit. Der Kellner hatte auf ein Endspiel mit seinen Berlinern gehofft. „Wir waren so nahe dran. Das Finale werde ich mir heute Abend schön zu Hause bei einem Bierchen anschauen.“

Fernsehen statt Stadion. Der Besuch in den altehrwürdigen Gemäuern ist für die Einheimischen an diesem Wochenende ein Ding der Unmöglichkeit. Rund 20.000 Tickets haben Dortmund un Bayern jeweils unter ihren Fans vergeben, die restlichen 30.000 gehen an Bewerber beim DFB, Sponsoren und Verbände. Gelb-schwarz und rot-weiß - kein Platz für weiß-blau. Für dieses Wochenende überlassen die Berliner ihre Stadt den Fußball-Touristen. Auf der Spree gelb-schwarze Boote, auf denen die BVB-Fans ausgelassen feiern, ein schwarzer Bus mit „Heja BVB“-Aufschrift unmittelbar vor dem Brandenburger Tor. Mehr als 100.000 BVB-Fans sollen es sein. Tatsache: Zumindest in der Stadt ist die gelb-schwarze Schar in der Überzahl. Alleine 14.000 Dortmunder verfolgen das Spiel beim Public Viewing im Sommergarten auf dem Messegelände.

Auch auf der Siegessäule sind beide Fangruppierungen zu sehen. „Ach ja, das ist schon ganz schön laut. Aber man gewöhnt sich an alles“, sagt Joschua. Auch daran, das der Gastgeber selbst nicht eingeladen ist. Seit 1985 wird das Endspiel in Berlin ausgetragen. Nur zwei Mal hieß es: „Berlin, Berlin, wir bleiben in Berlin“. 1993 standen die Amateure der Hertha überraschend im Endspiel um den Pokal, 2001 schaffte es die Union ins Finale. Pokalsieg? Fehlanzeige. Seit 15 Jahren warten die Einheimischen sehnsüchtig auf die Endspiel-Teilnahme. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Denn 2020 läuft der Vertrag zwischen dem DFB und Berlin aus. Ob die Hauptstadt das Finalerecht behält steht in den Sternen. In anderen europäischen Hauptstädten wird ebenfalls regelmäßig das Endspiel ausgetragen. Mit dem feinen Unterschied, dass sich Vereine aus Rom, Paris oder London regelmäßig für das Endspiel qualifizieren.

Eine schwarze Limousine kurvt um die Siegessäule. Die Insassen? Vier junge Männer in gelb-schwarzen Trikots, die ihre Köpfe aus dem Fenster strecken. Fast schon gleichgültig nehmen die Berliner die Vorkommnisse hin. Dabei profitiert die Stadt von dem Pokalspiel. Touristen im sechsstelligen Bereich sind für das Spiel angereist. Und der Großteil hat Geld für Übernachtung und Nahrung mitgebracht. Frisches Geld wird in die Kassen gespült. Davon weiß Joschua nichts. „Keine Ahnung“, sagt er schulterzuckend. „Ich glaube nicht, dass die Hertha deswegen einen Lewandowski oder Aubameyang kaufen kann. Ich bin da eher skeptisch.“

Am frühen Nachmittag leert sich die Ständige Vertretung. Auch die letzten BVB-Fans treten die Heimreise an. Das Altkanzlerfilet wird in der Ständigen Vertretung trotzdem weiter bestellt. Himmel un Äd dagegen dürften an Pokalfinal-Wochenenden erst dann wieder stärkeren Absatz finden, wenn die Rheinländer mal wieder in ein Endspiel einziehen. Die kennen das Leiden der Berliner: Letztmals 1991 stand der 1. FC Köln im Finale (1:1, 3:4 im Elfmeterschießen gegen Bremen).

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