Deutscher Herren-Tennis-Chef Becker erzählt und das Publikum lauscht immer noch dankbar

Berlin · Auch als nicht mehr aktiver Tennisstar kann Boris Becker die Menschen noch bestens unterhalten. Die Anziehungskraft und die Bewunderung für ihn sind auch bei einem Kongress in Berlin weiterhin groß. Der deutsche Herren-Tennis-Chef vertritt dabei klare Standpunkte.

 "Einen Satz hätte ich mir ausgerechnet", meinte Becker zu einem Duell mit dem 37-jährigen Federer.

"Einen Satz hätte ich mir ausgerechnet", meinte Becker zu einem Duell mit dem 37-jährigen Federer.

Foto: Rolf Vennenbernd

Ein behelfsmäßiger Tennisplatz in einem riesigen Berliner Hotel genügt Boris Becker als bewährte Bühne. Das Publikum sitzt auf Stahlrohr-Tribünen in der kleinen Halle und lauscht der einen oder anderen Anekdote des dreimaligen Wimbledonsiegers.

So wie dieser hier: Wenn der 14-jährige Becker im Training wieder einmal seinem überschäumendem Temperament übermäßig freien Lauf gelassen habe, sei es die Höchststrafe des Verbandstrainers gewesen, ihn gegen das beste Mädchen des badischen Stützpunktes spielen zu lassen. Der Verbandstrainer war Beckers Entdecker Boris Breskvar, das beste Mädchen die elfjährige Steffi Graf.

Fast 800 Teilnehmer waren bei einem großen internationalen Kongress des Deutschen Tennis Bundes in Berlin, viele von ihnen hatten auf der Tribüne Platz genommen, um Geschichten wie diese zu hören, Tipps und Meinungen, oder um ihn bei ihren Fragen einfach wissen zu lassen, dass sie immer noch Fans von ihm sind.

Welch ungeheure Anziehungskraft der jetzige Herren-Tennis-Chef des DTB immer noch ausübt, wie gut ihm selbst sein Engagement im Tennis abseits aller Schlagzeilen und Fragen nach dem Privatleben offenbar tut - zu sehen und zu spüren ist es auch an diesem nüchternen Ort, einer riesigen Bettenburg mit reichlich Unterhaltungsangebot im sonst so problembeladenen Bezirk Neukölln. In dem Hotel findet zeitgleich eine Hochzeitsmesse statt.

Ein bisschen wie ein Wanderprediger - wie sie im US-Fernsehen auftauchen - wirkt Becker, als er mit dem Mikrofon in der Hand am Platz entlang schlendert oder auf die Tribüne zugeht. Der Gang des an beiden Hüften operierten 51-Jährigen wirkt ein bisschen mühsam. Aber er bewegt sich auf sicherem Terrain, wenn er Fragen beantwortet, sich an ein Wimbledonmatch gegen einen Nigerianer vor bald 35 Jahren erinnert oder die Gedanken von Moderator Matthias Stach aufnimmt und fortführt. Beide werden ab dem kommenden Montag während der Australian Open wieder ein bewährtes Kommentatoren-Duo bei den Übertragungen des TV-Senders Eurosport bilden.

Wieder mehr Tennis im frei empfangbaren Fernsehen wünscht Becker sich. "So gern ich Fußball sehe, aber jedes Bundesligaspiel und Zweitligaspiel und so weiter muss kein Mensch sehen", meint er und denkt an deutsche Stars wie Angelique Kerber und Alexander Zverev. "Die haben es verdient, denn die spielen wieder Weltklasse-Tennis, und nur so kann man wieder einen Tennis-Boom auslösen."

Angesichts der großen Beteiligung an dem Kongress stellt Becker erfreut fest, es bewege sich was im Tennis. Doch er liefert nicht nur freundliche Worte und Anekdoten, sondern auch Expertise, knallharte Meinung und Mahnendes. "Wenn ich einen Achtjährigen oder Zehnjährigen spielen sehe, schaue ich nicht, ob er Talent hat, sondern ob er Spaß hat", sagt Becker, ganz der Vater. Manche Eltern gelte es zu bremsen. Und überhaupt: In der Regel klappe es nicht, Tennisprofi zu werden. Jeder früher man das erkenne, desto weniger Zeit verschenke man, um etwas Anderes zu machen. Wer dann trotzdem gefördert werde und Reisen bezahlt bekomme, müsse auch etwas zurückgeben.

Zwei Jugendliche dürfen sich unter Anleitung der einstigen Nummer eins den Ball ohne Bodenberührung dicht am Netz zuspielen. Der einstige Volley-Spezialist Becker fordert sie dann auf, den anderen Arm dabei auf den Rücken zu legen, weil das die Übung erschwert. Er zählt und verzählt sich absichtlich, als der Ball zehnmal hin und her über das Netz soll - und lobt die Jungs nach dem kleinen Training, das sie wohl nicht mehr vergessen werden.

Mit dem einstigen Coach des Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic würden auch viele andere gern üben. "Meine Mädels fragen mich schon so lange, wann Du mal kommst", sagt Damen-Tennis-Chefin Barbara Rittner, die sich unter anderem in Stuttgart um Talente kümmert, später in einer Talkrunde. Becker sagt seiner Amtskollegin zu, beide kennen sich schon ewig.

Auf dem Weg zurück in die gigantische Empfangshalle des Hotels bleibt er noch für ein paar Handy-Fotos mit Fans stehen - aber der Zeitplan ist eng, und es sind zu viele Wünsche, um sie alle zu erfüllen.

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