Heim-Eurpameisterschaften Leichtahtleten-Klage über Fernbleiben von Kanzlerin

Berlin · Immer nur Fußball. Deutsche Top-Leichathleten haben sich heftig darüber beklagt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel keinen Abstecher zur Heim-EM in Berlin gemacht hat.

 Kugelstoßerin Christina Schwanitz ist von Angela Merkel enttäuscht.

Kugelstoßerin Christina Schwanitz ist von Angela Merkel enttäuscht.

Foto: Kay Nietfeld

Prominente Leichtathleten haben eine geringe Wertschätzung der Politik für die Europameisterschaften in Berlin und für die olympischen Sportarten insgesamt heftig beklagt.

Kugelstoßerin Christina Schwanitz nutzte dafür das "Aktuelle Sportstudio" des ZDF am Samstag. Die EM-Zweite warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, keinen Abstecher zur EM gemacht zu haben.

"Was ich mich frage: Warum war Frau Merkel nicht da?", sagte sie. "Nach Rio de Janeiro kann sie fliegen und ist mehrere Tage nicht auf Arbeit. Im Fußball geht's", meinte die Ex-Weltmeisterin mit Blick auf Merkels Reise zum WM-Endspiel 2014 in Brasilien zwischen Deutschland und Argentinien.

Die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestages zeigte Verständnis für die Kritik. "Ich bedauere es nach wie vor, dass die Bundeskanzlerin Großveranstaltungen außerhalb des Fußballs ignoriert. Besonders, wenn so eine großartige Veranstaltung wie die Europameisterschaften in Berlin stattfindet", sagte Dagmar Freitag am Sonntag, dem Schlusstag der europäischen Titelkämpfe, der Deutschen Presse-Agentur.

Es tue ihr leid für die Athleten, dass sie auch wahrnehmen müssten, "dass der Fußball selbst dann eine Sonderstellung hat, wenn so eine überragende Veranstaltung der olympischen Kernsportart Leichtathletik im eigenen Land stattfindet", meinte die SPD-Politikerin.

"Das ist für uns enttäuschend und Ausdruck der Geringschätzung der Sportarten außerhalb des Fußball", sagte Clemens Prokop, Präsident des EM-Organisationskomitees. "Was uns tröstet: Sie hat großartige Momente bei der Leichtathletik-EM verpasst." Schirmherr war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

"Es ist traurig und schade, dass die Bundeskanzlerin es nicht so in ihrem Fokus sieht, die Leichtathletik etwas zu unterstützen, gerade wenn eine EM in der Hauptstadt ist", sagte Diskus-Vizeeuropameisterin Nadine Müller. "Für uns alle hätte das noch mal einen Push gegeben, wenn sie ins Stadion gekommen wäre."

Zehnkampf-Europameister Arthur Abele meinte auch angesichts des zurückliegenden Urlaubs der Kanzlerin: "Man kann trotzdem einen kleinen Abstecher machen oder vielleicht einen kleinen Gruß ins Stadion, das ist nicht verkehrt." Der Zehnkämpfer verwies auch auf die Möglichkeiten in den sozialen Medien: "Dann wäre das für alle eine tolle Situation."

DLV-Präsident Jürgen Kessing versuchte die Wogen zu glätten und nahm Merkel in Schutz. "Die Kanzlerin hat neben dem Besuch von Sportveranstaltungen noch anderes Wichtiges zu tun", meinte er. Außerdem sei die Politik bei der EM gut vertreten gewesen. Unter anderem habe der Regierende Bürgermeister von Berlin und amtierende Bundesratsvorsitzende, Michael Müller (SPD), an mehreren Tagen die EM-Wettkämpfe besucht.

"Ich möchte es jetzt nicht so hochhängen, wenn ich daran denke, dass wir vor nicht allzu langer Zeit eine Tischtennis-Weltmeisterschaft in Düsseldorf hatten - und da war gar keiner da", sagte der SPD-Politiker, der Bürgermeister von Bietigheim-Bissingen ist. "Da sind wir noch gut bedient worden. Wir fühlen uns im Moment nicht vernachlässigt."

Auch der für Sport zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) besuchte die EM nicht. Die Führungsebene des Hauses sei durch den Parlamentarischen Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) vertreten gewesen, erklärte das Ministerium auf Anfrage. Dieser habe die EM am Montag, Dienstag, Samstag und am Sonntag besucht.

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