70 ist nur eine Zahl Wolfgang Overath wird 70 Jahre alt

Köln · Sicherlich: Die Haare sind ergraut, die Falten im Gesicht tiefer geworden in den letzten Jahren. Doch was die Fitness anbelangt, so nimmt es der frühere Weltklassefußballer, der am Sonntag 70 Jahre alt wird, noch mit ehemaligen Kollegen auf, die 20 und mehr Jahre jünger sind.

 Sieben Jahre lang - von 2004 bis 2011 - war Wolfgang Overath Präsident "seines" 1. FC Köln.

Sieben Jahre lang - von 2004 bis 2011 - war Wolfgang Overath Präsident "seines" 1. FC Köln.

Foto: dpa

Wolfgang Overath ist der lebende Beweis für die These des Kölner Sportmediziners Professor Wildor Hollmann, wonach man durch Training und ein entsprechendes Leben das biologische Alter eines 20 Jahre Jüngeren besitzen kann. Bei Wolfgang Overath dürfte die Spanne noch größer sein.

So asketisch er lebt, so heimatverbunden ist der gebürtige Siegburger Zeit seines Lebens geblieben. Aus seiner Heimatstadt ist er nie weggezogen, Fußball gespielt hat er lediglich für zwei Vereine: Den Siegburger SV, dem er mit neun Jahren 1953 beitrat, und den 1. FC Köln, zu dem er 1962 wechselte.

Auch andere Vereine waren an Overaths Talent interessiert. Ebenfalls aus der Nähe die Kölner Viktoria und Bayer Leverkusen, aber auch Borussia Dortmund und Kickers Offenbach. Handgelder von bis zu 30 000 Mark - das entsprach Anfang der 60er Jahre drei Jahresgehältern eines Oberligaspielers - wurden ihm geboten. Doch er entschied sich für den aktuellen deutschen Meister, der ihm eine Einzelhandelsausbildung in der Siegburger Kaufhof-Filiale vermittelte und einen gebrauchten VW-Karman-Ghia schenkte.

Den parkte der selbstbewusste Nachwuchsspieler auf dem erstbesten Parkplatz am Geißbockheim, was eine Trainingsunterbrechung und eine Standpauke zur Folge hatte. Denn der 19-Jährige hatte seinen Wagen auf dem für Vereinspräsident Franz Kremer reservierten Bereich abgestellt, der ihn umgehend kräftig gemaßregelt habe, wie es heißt.

38 Jahre später sollte Wolfgang Overath genau diesen Luxus selbst für sich in Anspruch nehmen dürfen, nachdem er sich 2004 in das präsidiale Amt bei den Geißböcken hatte drängen lassen. Allerdings sollte seine gut siebenjährige Funktionärszeit nicht so erfolgreich verlaufen wie die Zeit als Spieler. Am Ende trat er unangekündigt zurück.

Aus dem Amt gejagt zu werden, das hat den Gutmenschen Overath verbittert. Um den Posten des Präsidenten hatte sich der Weltmeister von 1974 auch nicht gerissen. Mehrfach hatten sie ihn bekniet. Irgendwann, im Juni 2004, gab er nach, "weil ich dem Verein etwas zurückgeben wollte".

Trotz des unschönen Abschieds ist Overath "seinem FC" immer treu geblieben, auch wenn er sich im Stadion kaum noch blicken lässt. "Für mich gab es ein Leben lang nur den FC", stellte Overath klar: "Der könnte sogar bis in die vierte Liga abrutschen, ich würde trotzdem nie zu einem anderen Club gehen."

Der Abschluss seiner Profikarriere hatte sich frühzeitig in der Spielzeit 1976/77 angekündigt, als der legendäre Meistertrainer Hennes Weisweiler immer lauter Kritik am seiner Meinung nach zu ballverliebten, zu langsamen Mittelfeldspiel des einstmals großen Spielmachers übte. Auf Weisweilers Drängen hin wurde der auslaufende Vertrag Overaths nicht mehr verlängert, der Kapitän erklärte seinen Rücktritt.

Der Fußball allein hat dem gläubigen Familienmenschen Wolfgang Overath nie gereicht. Schon in jungen Jahren war er im Immobiliengeschäft tätig. "Ich habe schon mit 19 meine ersten Häuser gebaut", sagte er einmal in einem Interview: "Als ich noch jünger war, war mein ganzes Streben darauf ausgerichtet, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Erst mit Mitte 40 habe ich mir gesagt: Das kann doch nicht alles gewesen sein in deinem Leben. Und dann habe ich damit angefangen, mich für andere einzusetzen. Sie glauben gar nicht, wie befriedigend das ist, wenn man in Not geratenen Menschen helfen kann."

Zum Beispiel veranstaltet er an Weihnachten in seiner Heimatstadt Siegburg immer ein Fest für Obdachlose, und bereut "nur, dass ich damit nicht schon viel früher begonnen habe. Aber wenn man jünger ist, hat man einfach noch zu viel mit sich selber zu tun".

Zur Person

Wolfgang Overath ist mit 765 Pflicht- und Freundschaftsspielen (287 Tore) noch immer Rekordhalter des 1. FC Köln. In der Bundesliga absolvierte er 409 Spiele und traf 84 Mal. 1964 wurde er Meister, 1968 und 1977 DFB-Pokalsieger. Das deutsche Nationaltrikot trug er zwischen 1963 und 1974, als er nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft zurücktrat, 81 Mal und schoss 17 Treffer. Neben dem Titelgewinn wurde er 1966 noch WM-Zweiter und 1970 Dritter. Wolfgang Overath ist verheiratet, hat zwei Söhne und eine brasilianische Adoptivtochter.

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