GA-Interview mit Jörg Schmadtke "Unser Spiel ist attraktiver geworden"

Bonn · Es gibt Sportchefs in der Bundesliga, die haben in der Winterpause richtig viel zu tun. Jörg Schmadtke fliegt auf die Malediven. Das Feld ist bestellt beim 1. FC Köln. Guter Tabellenplatz, keine zwingende Notwendigkeit, personell nachzubessern.

 Wenn die Hände mitreden: Jörg Schmadtke nutzt alle Ausdrucksmöglichkeiten.

Wenn die Hände mitreden: Jörg Schmadtke nutzt alle Ausdrucksmöglichkeiten.

Foto: Bernd Rosenbaum

Mit Schmadtke sprachen Joachim Schmidt und Gert auf der Heide.

Herr Schmadtke, der Abstand zum Relegationsplatz beträgt neun Punkte, vor einem Jahr waren es zwei. Ändert sich dadurch etwas an der Zielsetzung für die Rückrunde?
Jörg Schmadtke: Nein. Ich kann nur vor jeder Hochrechnung und vor Selbstverständlichkeiten warnen. Vor fünf Jahren sind die Frankfurter mit 26 Punkten in die Rückrunde gestartet und haben sich am Ende mit 34 Punkten in der zweiten Liga wiedergefunden.

Am Ziel Klassenerhalt hat sich also nichts geändert?
Schmadtke: Wir sind da, wo wir sein wollten, vielleicht sogar ein Stückchen darüber. Die 40-Punkte-Marke bleibt aber das Ziel. Die Frage ist, wann wir sie erreichen.

Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf die Hinrunde zurück?
Schmadtke: Durch den Sieg gegen Dortmund ist das Gefühl nochmal ein anderes. Jetzt haben wir 24 Punkte, für das zweite Jahr nach der Bundesligarückkehr ist das mehr als solide, mehr, als man vor der Saison prognostiziert hatte. Deshalb kann man damit sehr zufrieden sein. Und nach diesem Finish gegen den BVB gehen wir auch emotional sehr positiv in die Winterpause.

Auf welchem spielerischen Niveau befindet sich die Mannschaft?
Schmadtke: Da haben wir einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Unser Spiel ist noch ansehnlicher geworden, abgesehen von einigen wenigen Spielen, die nicht so prickelnd waren. Wir haben uns mehr Torchancen herausgespielt, wir sind nur mit der Verwertung noch nicht ganz so weit.

Sind die Spieler taktisch vielleicht sogar weiter, als es der neunte Tabellenplatz ausweist?
Schmadtke: Die Mannschaft ist relativ reif. Die zweieinhalb Jahre mit diesem Trainerteam machen sich bezahlt. Vieles ist in Fleisch und Blut übergegangen.

Kazuki Nagasawa ist zu den Red Diamonds zurück nach Japan gegangen, Bard Finne verlässt möglicherweise auch noch in der Winterpause den Verein. Wird es deshalb Neuverpflichtungen geben?
Schmadtke: Jetzt muss es noch nicht sein. Wenn Bard gehen würde, hätten wir auch noch keine große Not, müssten aber vorbereitet sein.

Und Wintereinkäufe darüber hinaus?
Schmadtke: Es gibt gute und weniger gute Erfahrungen auf dem im Winter komplizierten Markt. Oft ist er überteuert. Wir haben eine homogene Mannschaft. Andererseits will man vielleicht noch schneller einen Schritt weiterkommen. Dann stellen sich die Fragen: Was passiert mit dem Gefüge, wie verändert sich die Leistungsfähigkeit, wäre der Spieler zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht schwieriger zu verpflichten? Zudem muss man im vorhandenen wirtschaftlichen Korridor bleiben. Dazwischen wägt man ab.

Und was wäre andersherum, wenn Sie für einen Ihrer Spieler ein hohes Angebot bekommen würden?
Schmadtke: Dann wägen wir es ab.

Wie bereiten Sie sich auf so etwas vor?
Schmadtke: Wir haben da alles im Griff. Im Winter können Spieler ja nur mit unserer Zustimmung wechseln. Im Sommer ist das angesichts von Ausstiegsklauseln manchmal anders.

Was passiert, wenn ein Angebot aus England kommt?
Schmadtke: So etwas kann es natürlich immer mal geben, meistens für Spieler, die man nicht unbedingt abgeben will. Aber wenn es ein unmoralisches Angebot wäre, muss man darüber nachdenken. Für diesen Fall muss man vorbereitet sein.

Das sind Sie wahrscheinlich.
Schmadtke: Das ist mein Job.

Was gehört noch zu Ihrer täglichen Arbeit?
Schmadtke: Mitarbeiter triezen. Nein, im Ernst, telefonieren, Pressearbeit, netzwerken und sich um Fußball kümmern. Sich mit seinem Trainerteam besprechen, hören, wie die Stimmungslagen sind. Damit man weiß, was los ist.

Was muss der Sportchef eines Fußball-Proficlubs können? Es ist ja kein Ausbildungsberuf.
Schmadtke: Das ist eine gute Frage. Ich kann sie nicht beantworten.

Ist die Arbeit beim 1. FC Köln anders als bei einem richtig großen Verein . . .
Schmadtke: schmunzelt

. . . beispielsweise bei Bayern München?
Schmadtke: Das weiß ich nicht, weil ich da noch nicht gearbeitet habe. Aber der FC ist ein richtig großer Club.

Wirtschaftlich sind es aber doch erhebliche Unterschiede.
Schmadtke: Ob man mit 30 Millionen oder mit drei Millionen Euro auf den Transfermarkt geht, ist für den jeweiligen Club immer gleich bedeutsam. Bei beiden sollte es klappen, vielleicht mit dem Unterschied, dass die Auswirkungen im negativen Fall bei den Bayern nicht so groß wären wie bei uns.

Auf welchen Spielermärkten grast man heute bei der Spielersuche?
Schmadtke: Als ich vor 14 Jahren angefangen habe, bestand Scouting noch aus Autofahren - in einem Jahr waren es bei mir 80.000 Kilometer - und Spiele anschauen. Heute wertet man vorher in starkem Maß Datenbanken aus. Früher war es schwer, selbst die Ergebnisse der Regionalliga Nord herauszubekommen, heute bekomme ich jedes Resultat weltweit. So ist es mit allen Informationen.

Gibt es noch unbeobachtete Ligen?
Schmadtke: Nein, das ist vorbei. 2001 saß ich noch allein auf Tribünen der dritten und vierten Ligen oder in Kroatien oder Serbien. Ich mache jetzt Urlaub auf den Malediven. Ich vermute, wenn in der Inselhauptstadt Malé ein Spiel wäre, würde selbst dort mindestens ein Scout sitzen.

Man muss also noch schlauer und schneller sein?
Schmadtke: Man muss vor allem genau wissen, was man will. Der Ozean, auf dem man da treibt, ist groß. Da darf man nicht den Überblick verlieren.

Dann müssen Sie ein Heer weltweit tätiger Honorarkräfte haben.
Schmadtke: Nein, so viele Leute benötigt man nicht. Wir haben ein kleines, kompaktes System mit kurzen Wegen. Wir haben einige Honorarkräfte und ein paar Festangestellte im Ausland. Mit ihnen sondieren wir den Markt.

Gibt es im Moment ein besonders interessantes Land?
Schmadtke: Nein, das würde ich nicht sagen.

Nicht in einem Zeitungsinterview.
Schmadtke: lacht

Der FC versucht, günstig Spieler zu kaufen, um einige mit entsprechendem Gewinn weiterzuverkaufen. Sehen Sie eine Chance, aus diesem System herauszukommen?
Schmadtke: In absehbarer Zeit nicht. Bei viel Geld werden wir nicht ablehnen. Trotzdem kann man das erfolgreich gestalten, ohne sportlich an Qualität zu verlieren. Die Frage ist, wie lange man das kann. Das ist die hohe Kunst.

Wie bewerten Sie die Kaufkraft der englischen Clubs aufgrund der künftig noch höheren Fernseheinnahmen?
Schmadtke: Ich schließe mich nach wie vor nicht der Meinung an, dass das der Untergang des Abendlandes sei. Wir werden damit leben müssen, dass hohe finanzielle Angebote kommen. Dann muss man sich für viel Geld entscheiden oder versuchen, den Spieler trotzdem zu behalten. Es ist aber auch die Frage, ob es für manche Spieler erstrebenswert ist, viel Geld zu verdienen, dafür aber auf dem englischen Land zu leben. Das ist anders als in einer deutschen Großstadt wie Köln.

Was halten Sie von der Überlegung, Traditionsvereine wie den 1. FC Köln stärker an den deutschen Fernsehgeldern zu beteiligen?Schmadtke: Ob das der richtige Weg ist oder ob es dem Solidargedanken abträglich wäre , muss man diskutieren. Andreas Rettig hat so eine Diskussion angestoßen, was sehr öffentlichkeitswirksam war, um sie dann wieder zurückzuziehen. Grundsätzlich halte ich alles für diskutabel, aber das sollten wir erstmal intern tun.

Zur Person

Jörg Schmadtke (51) absolvierte als Torhüter 266 Bundesligaspiele für Fortuna Düsseldorf und den SC Freiburg. Ehe er vor der Saison 2013/14 zum 1. FC Köln kam, arbeitete er als Sportdirektor bei Alemannia Aachen und Hannover 96.

Was sich das Trainerteam des FC zu Weihnachten wünscht und was Sportchef Jörg Schmadtke davon hält, sehen Sie hier

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