FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle Köln: Realismus statt Luftschlösser

KÖLN · Die Bundesliga-Saison 2015/2016 steht in den Startlöchern und beim 1.FC Köln ist man voll Zuversicht, nach dem Klassenerhalt im vergangenen Jahr den nächsten Schritt gehen zu können. Der Verein entwickelt sich prima - auch ein Verdienst von Geschäftsführer Alexander Wehrle.

 Bald 75 000 Plätze? Der Ausbau des Rheinenergiestadions gehört zu den Kölner Zukunftsplänen.

Bald 75 000 Plätze? Der Ausbau des Rheinenergiestadions gehört zu den Kölner Zukunftsplänen.

Foto: dpa

Die großen Erwartungen sind nicht die Sache von Alexander Wehrle. Luftschlösser entwerfen und so Hoffnungen bei den Fans zu schüren, damit hat der 1. FC Köln genug schlechte Erfahrungen machen müssen. Der Geschäftsführer setzt auf pragmatischen Realismus, der dem FC Enttäuschungen ersparen soll und dem neuen Slogan "Spürbar anders" Leben einhaucht.

Das funktioniert bislang so gut, dass sich sogar Wehrle überraschen lassen musste. "Als ich im Januar 2013 hierherkam und die Zahlen gesehen habe, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass der Club im Sommer 2015 so dasteht. Das war in meinen Augen nicht realistisch." Auch ein Alexander Wehrle kann also mal danebenliegen: "Ich habe mich getäuscht, aber ich habe mich gerne getäuscht", gibt er lächelnd zu.

Die mehr als gute Entwicklung lässt den Geschäftsführer keinesfalls unvorsichtig werden. Vielmehr hat er bei der Aufstellung des Etats für die anstehende Spielzeit Vorsicht walten lassen. Mögliche Einnahmen aus dem DFB-Pokal sind gar nicht eingerechnet. Auch für die Bundesliga plant Wehrle mit Bedacht: "Wir planen für den Worst Case auch das Szenario eines Abstiegs, der Real Case heißt Klassenerhalt und der Best Case ist das, was über Platz 15 hinausgeht", erklärt er.

Der Vorstand und die Geschäftsführung haben den FC nachweisbar gut aufgestellt. Zunächst handelte Wehrle einen Pachtvertrag für das Rheinenergiestadion aus, der den Club um 1,8 Millionen Euro pro Saison entlastete. Die ordentlich dotierten Verträge mit dem Namensgeber des Stadions, Hauptsponsor und Ausrüster laufen bis 2018.

Über eine Fortsetzung der Partnerschaften will Wehrle ab 2017 sprechen, aus einer womöglich noch stärkeren Position. "Im Fußball sind zwei, drei Jahre wie Galaxien. Wir werden sehen", sagt er. Für ihn steht eines aber fest: "Es wird andere Interessenten geben, aber es gehört zur Philosophie des 1. FC Köln zunächst über eine Fortsetzung bestehender Partnerschaften zu verhandeln."

Ein Fixpunkt bei der Sanierung des im Sommer 2012 vor dem finanziellen Kollaps stehenden Clubs war dann der 2014 geschlossene Vermarktungsvertrag mit Infront, der bis 2026 läuft und erkennbare Erhöhungen der Umsatzgarantie verspricht. Die Aussichten sind rosig, zumal auch die Umsätze wachsen.

Die Zahlen des ersten Geschäftsjahres in der Bundesliga zaubern jedenfalls ein kurzes Lächeln in Wehrles Gesicht: "Die Bücher sind noch nicht ganz geschlossen, aber es kann von einer signifikanten Umsatzsteigerung ausgegangen werden." Die 100-Millionen-Schallmauer ist nicht mehr weit entfernt. Zudem sind für das erste Heimspiel der neuen Saison im Gegensatz zur Vorsaison bereits alle Banden vermietet und von 2500 Dauerkarten für den VIP-Bereich nur noch 43 zu haben.

Trotzdem warnt der gebürtige Bietigheimer und verweist auf die Verbindlichkeiten des FC in Höhe von immer noch 30 Millionen Euro (davon 24 Millionen Euro Fremdkapital ohne Gegenwert). Wehrles finanzielle Basisplanung sieht vor, 6,5 Millionen Euro davon bis 2020 bei der Sparkasse zu tilgen und ein weiteres privates Darlehen bis 2019 abzuzahlen. Ob die 2017 fällige Anleihe in Höhe von 12,5 Millionen Euro verlängert wird und zu welchen Teilen, soll nach der kommenden Saison entschieden werden.

"Das hängt von unserer Liquidität und passenden Modellen ab", erklärt Wehrle und fügt an: "Wir liegen noch immer im Krankenhaus. Unser Ziel lautet, es zu verlassen." Dafür muss der Patient seinen Weg fortsetzen. Wehrle benennt die Aufgaben: "Konsolidierung, sportliche Stabilität und Verbesserung der Infrastruktur. Hinzu kommen die Digitalisierung und eine internationale Vermarktung." Für letztere ermittelt Infront derzeit einen Zielmarkt.

"Bis 2017 wollen wir außerdem 100 000 Mitglieder haben", fordert der Schwabe und kündigte für den Herbst eine weitere Offensive in Richtung potenzieller "Familienmitglieder" an. Derzeit steht der FC bei rund 72 000 Mitgliedern. Neben dem geplanten Neubau eines Nachwuchsleistungszentrums (2017/18) gehört möglicherweise auch der Ausbau des Rheinenergiestadions auf eine Kapazität von bis zu 75 000 Zuschauern zu den Zukunftsprojekten.

Es gibt noch einiges zu tun für den diplomierten Verwaltungswissenschaftler. Deshalb lehnte er Anfang des Jahres ein Angebot des VfB Stuttgart ab, bei dem er vor seinem Wechsel nach Köln als Referent des Vorstandes tätig war. "Ich habe nur darüber nachgedacht, weil es der VfB war. Aber mir ist schnell klar geworden, dass wir hier in Köln noch nicht fertig sind." Deshalb und weil er sich in der Stadt Köln und beim FC pudelwohl fühlt, verlängerte Wehrle seinen bis 2017 laufenden Vertrag im Mai bis 2021.

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