Interview mit Jörg Schmadtke "Einer achtet auf den anderen"

KÖLN · Wie in der Vorsaison will der Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Köln mit mannschaftlicher Geschlossenheit erfolgreich sein. Darüber sprach Joachim Schmidt mit Sportchef Jörg Schmadtke.

 "Dass ein oder zwei Spieler auf dem Platz alles steuern können, entspricht nicht der Realität", glaubt Sportchef Jörg Schmadtke.

"Dass ein oder zwei Spieler auf dem Platz alles steuern können, entspricht nicht der Realität", glaubt Sportchef Jörg Schmadtke.

Foto: dpa

Herr Schmadtke, wir wollen zunächst über Hierarchien sprechen. Wie war das zu Ihrer Zeit als Spieler vor 20, 25 Jahren?
Jörg Schmadtke: Da gab es sehr klare Hierarchien, die auch nicht so ohne Weiteres außer Kraft zu setzen waren. Da ging es nicht nur um den Status quo, da ging es vielfach um Vergangenheiten. Das war stark ausgeprägt und wurde stark gelebt.

Sie haben es offenbar als nicht angenehm empfunden.
Schmadtke: Es war damals so. Man musste es hinnehmen und akzeptieren. Im Laufe der Jahre sind die Hierarchien deutlich flacher geworden. Und das ist auch in Ordnung.

Warum ist das gut so?
Schmadtke: Weil sich aus der Dominanz Einzelner sonst Abhängigkeiten entwickeln. Man fokussiert sich dann auf ein, zwei Spieler, die das Sagen haben. Daraus ergeben sich Abhängigkeiten für Trainer und Vereinsfunktionäre. Die Dinge funktionieren nicht mehr so. Die Zeit des Rufens nach Führungspersönlichkeiten ist vorbei. Es gab und gibt ja den irrsinnigen Glauben, dass ein, zwei Spieler auf dem Platz alles steuern könnten. Das entspricht nicht der Realität.

Welchen Spielertyp braucht eine Mannschaft dann?
Schmadtke: Man benötigt Spieler, die Verantwortung für die Mannschaft und den Club übernehmen, auch unabhängig von ihrer eigenen Leistung. Eine Führungspersönlichkeit macht es auch aus, mit seiner Persönlichkeit, mit seiner Aura führen zu können, auch wenn er selber gerade nicht so toll spielt.

Wie ist das bei der immer noch relativ jungen FC-Mannschaft?
Schmadtke: Bei uns achtet einer auf den anderen, weil jedem bewusst ist, dass es ihm gut geht, wenn es dem anderen auch gut geht. Das ist anders als vor 25 Jahren. Dennoch gibt es innerhalb einer Mannschaft Einzelne, die das Heft in die Hand nehmen oder die der Trainer zur Seite nimmt, weil sie eine besondere Stellung aufgrund ihrer Spielposition oder ihrer Persönlichkeit innehaben.

Sind das beim FC Spieler wie Dominic Maroh, Matthias Lehmann, Patrick Helmes?
Schmadtke: Ja, aber auch ein Jonas Hector führt auf seine Art und Weise, indem er permanent eine enorme Grundleistung anbietet. Bei ihm gab es in der letzten Saison kein Auf und Ab. Er war auf hohem Niveau stabil. Damit führt er auch die Mannschaft. Dadurch gibt es Vertrauen. Das nehmen die Mitspieler wahr, und dadurch hat er Einfluss auf die Mannschaft.

Obwohl Jonas Hector verbal eher ein leiser Vertreter ist.
Schmadtke: Hören Sie mir auf mit laut und leise! Die Zeiten sind doch vorbei, als man gedacht hat, wer etwas zu sagen hat, der muss laut sein. Ich habe genug Spieler kennengelernt, die ganz ruhig und sachlich geführt haben.

Kann es Probleme geben, wenn Spieler, die in Führungspositionen - beispielsweise als Kapitän - sich demnächst auf der Ersatzbank wiederfinden?
Schmadtke: Das kann passieren, muss aber nicht. Man hat das bei Per Mertesacker während der WM gesehen. Ich habe ihn als teamfähig und als Führungspersönlichkeit wahrgenommen.

Aufgrund des sehr breiten und ausgeglichenen Kaders werden sich zwangsläufig Spieler auf der Bank wiedersehen, die zuvor Stammspieler waren. Dadurch könnte sich das Klima verschlechtern.
Schmadtke: Bislang nehme ich solche Tendenzen bei uns aber nicht wahr.

Noch haben wir ja auch keine Pflichtspiele.
Schmadtke: Aber manchmal gibt es auch zum jetzigen Zeitpunkt schon Anzeichen für so etwas. Dann wird anders miteinander umgegangen. Man sieht es, wenn man darauf achtet und ein wenig sensibel dafür ist. Das heißt allerdings nicht, dass es nicht noch passieren kann.

Den neuen Spielern werden Sie aber wohl erklärt haben, wie die Situation ist.
Schmadtke: Wir haben die Rollen und das Rollenverständnis besprochen. Und wir haben besprochen, wie wir erfolgreich sein können. Das geht nur über die gesamte Gruppe, nicht mit elf, zwölf Spielern. Alle müssen sich zu hundert Prozent einbringen und ihre jeweilige Rolle erfüllen. Für mich ist das Wichtigste, dass die Gruppierung im Fluss bleibt und dass keine Störelemente aus ihrem Inneren heraus auftreten.

Zur Person

Jörg Schmadtke (49) absolvierte als Torhüter 375 Bundesligaspiele für Fortuna Düsseldorf und den SC Freiburg. Ehe er letztes Jahr im Sommer zum 1. FC Köln kam, arbeitete Schmadtke bei Alemannia Aachen und Hannover 96 als Sportdirektor.

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