Ausnahmezustand in Köln 300 Hooligans schlagen aufeinander ein - ein Schwerverletzter

KÖLN · Blut auf dem Asphalt, Fußball-Chaoten in Handschellen, Mordermittler im Einsatz und ein abgesperrter Verkehrsknotenpunkt - eine Massenschlägerei unter Hooligans sorgte am Samstagnachmittag in der Kölner Innenstadt für einen stundenlangen Ausnahmezustand.

Ein 40 Jahre alter Schalker Hooligan wurde am Rudolfplatz von Kontrahenten aus der Ultra-Szene lebensgefährlich verletzt. Mediziner stellten bei dem Mann einen "zertrümmerten Gesichtsschädel" fest. Nach einer Notoperation schwebte das Opfer gestern Abend nicht mehr in Lebensgefahr.

Ein Ermittler sprach von "explosiver Gewalt". Rund 300 Hooligans schlugen gegen 14.30 Uhr aufeinander ein. Die Fußball-Chaoten hatten sich zu der Schlägerei verabredet, was in der Ultra-Szene keine Seltenheit ist. Doch gewöhnlich finden diese Auseinandersetzungen unter verfeindeten Fan-Lagern im Wald statt - im Kölner Umland beispielsweise im Königsforst. Doch diesmal wollten sich die Gewalttäter in der Kölner Innenstadt schlagen - Hooligans aus der Ultra-Szene der Domstadt und Schalke-Anhänger ("Gelsen-Szene").

Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler kam es zur Eskalation, weil sich die Kölner Ultras als Unterstützung die als gewalttätig bekannten Dortmunder "Desperados" geholt hatten. Dortmunder und Schalke-Hools gelten untereinander als extrem verhasst. In Schalker Fan-Kreisen war von einem "Hinterhalt" die Rede - damit werden auch Rachegedanken geschürt. Im Ruhrgebiet ist die Polizei deshalb in größter Alarmbereitschaft.

Der Zustand des Opfers wurde von den Behörden als "stabil" beschrieben, sein Gesundheitszustand sei aber weiter "ernst", wie es hieß. Bei einer Blutuntersuchung stellten die Ärzte fest, dass der 40-Jährige unter Kokain stand und größere Mengen Alkohol getrunken haben muss. In den Akten zu dem Fall ist von einem "Drogenmix" die Rede. Wie und von wem der Mann niedergeschlagen wurde, ist noch nicht geklärt. Zudem mussten Mediziner viele der beteiligten Schläger wegen mehrerer Fingerbrüche und Gesichtsverletzungen verarzten.

Die Ermittler einer Mordkommission haben Handys beschlagnahmt, bis am Sonntagmorgen um sieben Uhr Zeugen vernommen und wollen Bänder von Überwachungskameras am Rudolfplatz einsehen. Eine eigene Ermittlungsgruppe im Kriminalkommissariat 11, soll den schrecklichen Vorfall aufklären.

Nach dem brutalen Angriff wurden etwa 50 Personen vorläufig festgenommen und zum Teil im "Maredo-Restaurant" am Ring befragt. Die komplette erste Etage wurde bis spät in die Nacht zum Verhörraum für die Ermittler. Festgenommen wurden nach Informationen dieser Zeitung auch 16 Mitglieder der Dortmunder-Ultras "Desperados".

Einzelne Tatverdächtige gelten als besonders gewalttätig. Viele von ihnen haben oder hatten Stadionverbot und sind in der polizeiinternen Datei "Gewalttäter Sport" registriert. Konkrete Hinweise auf eine Schlägerei von diesem Ausmaß hatte die Polizei nicht.

Alle Tatverdächtigen wurden aus dem Polizei-Gewahrsam entlassen, einen konkreten Tatverdacht gibt es noch nicht. Über die Auswertung von Handybildern und Bildern von Überwachungskameras erhofft sich die Kripo, den Kreis der Beschuldigten einzugrenzen.

Nach dem Gewaltverbrechen an dem Schalke-Anhänger flüchteten die Hooligans in verschiedene Richtungen. Zeugen sprachen von "Jagdszenen am Rudolfplatz". So nahmen Polizisten geflohene Schläger beispielsweise in der sechsten Etage eines Mehrfamilienhauses fest. Dort kauerte ein Fußball-Chaot in einer Ecke und hoffte, nicht entdeckt zu werden.

1. FC Köln distanziert sich

"Schockiert" zeigten sich die Verantwortlichen beim 1. FC Köln nach den Vorfällen in Gesprächen mit der Polizei. "Wir sind Opfer dieser Leute", teilte der FC mit und sprach von "kriminellen Schlägertrupps", die den Fußball als Plattform benutzten. Sollten die Tatverdächtigen mit dem Verein in Verbindung stehen, "werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Personen aus dem Umfeld unseres Clubs zu entfernen".

GdP: Fans müssen sich von Gewalttätern distanzieren

Nach den schweren Krawallen in Köln fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP), dass sich die Fußballfans in ganz Deutschland von den Gewalttätern in den eigenen Reihen trennen und ausdrücklich distanzieren. "Es war reines Glück, dass wir nicht den ersten Toten beklagen mussten", sagte der NRW-Vorsitzende der GdP, Arnold Plickert. "Wenn einzelne Fangruppen weiter brutalen Gewalttätern eine Bühne für ihre Straftaten bieten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es im Umfeld der Fußballspiele zu Toten kommt", so Plickert. Die GdP unterstützt ausdrücklich die Linie von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der eine härtere Gangart gegenüber Hooligans angekündigt hat.

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