Interview mit Uli Schreck „Wir haben nichts zu verlieren“

Bonn · Was auch immer beim „Löwen von Bonn“ passiert, Bundestrainer Uli Schreck will die Herrenflorettfechter auch über die Olympischen Spiele in Rio hinaus betreuen. Mit dem 53-Jährigen sprach Gerhard Mertens.

 Bundestrainer Uli Schreck (links) und sein Schützling Moritz Kröplin müssen auf ein Wunder hoffen.

Bundestrainer Uli Schreck (links) und sein Schützling Moritz Kröplin müssen auf ein Wunder hoffen.

Foto: dpa

Herr Schreck, es sieht nicht gut aus, was die Olympia-Qualifikation Ihres Teams angeht. Wie sehen Sie die Chancen?
Uli Schreck: Es wäre ein kleines Wunder, wenn wir es noch schaffen. Das Ding ist eigentlich durch. Vielleicht ist das aber auch ein Vorteil. Wir haben nicht mehr den ganz großen Druck und nichts mehr zu verlieren. Wir alle sind auf jeden Fall fest entschlossen, die minimale Chance zu nutzen. Wir wollen voll angreifen und können dabei eigentlich nichts falsch machen.

Wen werden Sie im Team aufstellen?
Schreck: Das werde ich nach dem Einzelwettbewerb entscheiden.

Einige Teams sind schon qualifiziert. Kann man darauf hoffen, dass sie die Aufgabe nicht mehr so ernst nehmen?
Schreck: Nein. Beim Mannschafts-Weltcup sind immer alle heiß. Keiner wird hier zurückstecken.

Warum hat Ihr Team es nicht geschafft, sich in eine bessere Ausgangsposition zu bringen?
Schreck: Der Aufbau nach den Olympischen Spielen 2012 in London ist nicht so gelungen wie erhofft. Wir haben nicht die Qualität heranführen können, um wirklich qualifikationsfähig zu sein. Die Fechter, die wir haben, haben ihrem Potenzial entsprechend die Leistung gebracht, die man erwarten konnte. Ich mache keinem einen Vorwurf. Man muss Realist bleiben und erkennen, dass viel mehr nicht zu erwarten war.

Weil die Konkurrenz einfach stärker ist?
Schreck: Ja. Ich sehe das ganz nüchtern. Ich nehme die Weltranglistenpositionen der einzelnen Fechter, addiere diese und teile sie durch drei, dann hat man einen Quotienten, der über das Potenzial der Mannschaft einiges aussagt. Die Briten sind da einfach besser aufgestellt und haben das in den vergangenen Turnieren auch im Mannschaftsergebnis umgesetzt.

Als Bundestrainer und als Coach von Peter Joppich sind Ihre persönlichen Chancen auf eine Olympia-Teilnahme dagegen nicht so schlecht.
Schreck: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich leide mit der Mannschaft und fiebere mit Peter, dessen Formkurve steil nach oben zeigt. In Paris hat er wirklich weltklasse gefochten. Es ist aber traurig, wenn man junge Sportler hat, die sich die Olympischen Spiele als Ziel vorgenommen und dafür auch in vielen Bereichen zurückgesteckt haben, aber nach aktuellem Stand bis 2020 nicht bei Olympia dabei sein können. Da wird es schwierig, die Motivation aufrechtzuerhalten, weil man mit Fechten kein Geld verdient und auch keine großartigen Prämien kassiert. Es gehört schon ein hohes Maß an Aufopferung dazu.

Wie sieht Ihre Zukunft nach den Olympischen Spielen aus?
Schreck: Ich werde nach der Saison Gespräche führen, wer noch weitere Jahre fechten will, um dann eine neue Mannschaft zu formen. Ich habe schon ein paar Signale bekommen. André Sanita zum Beispiel, der sich sehr gut entwickelt, will 2020 in Tokio unbedingt dabei sein. Es hängt auch vieles davon ab, wie es im Verband weitergeht.

Was erwarten Sie?
Schreck: Im November wird wohl ein neues Präsidium gewählt. Dann wird man sich sicherlich auch mit den Bundestrainern auseinandersetzen und die Situation gemeinsam analysieren. Ich habe die Hoffnung, dass dann die richtigen Weichen gestellt werden. Wenn wir eine straffe Führung mit einer klaren Zielformulierung und den entsprechenden Rahmenbedingungen vorfinden bin ich durchaus motiviert, meine Aufgabe im Sinne des Verbandes fortzuführen.

Unter schwierigen Bedingungen ...
Schreck: Dass wir an die großen Leistungen von früher nicht mehr anknüpfen können, ist klar. Uns gehen so allmählich die ganz großen Talente aus. In Deutschland gibt es nur Fußball und jetzt noch Handball. Alles andere wird nicht so unterstützt, wie es unterstützt werden sollte. Und daran wird sich wohl auch nicht viel ändern.

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