Interview Sportmediziner Hans-Georg Predel „Der Faktor Zeit spielt die entscheidende Rolle“

Bonn · Nach dem Tod eines Amateurspielers am vergangenen Wochenende ist die Bestürzung in der Region groß. Aber auch die Sorge, ob und wie solch ein Zwischenfall künftig verhindert werden kann. GA-Mitarbeiter Matthias Kirch sprach mit dem Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln, Hans-Georg Predel.

Herr Predel, am Sonntag ist es in Bonn zu einem tödlichen Herzinfarkt bei einem Spieler der Kreisliga gekommen. Ist Fußball grundsätzlich gefährlich?
Hans-Georg Predel: So gefährlich oder ungefährlich wie der Gesundheitszustand des jeweiligen Spielers. Nicht der Fußball an sich ist gefährlich, sondern die Tatsache, dass er von vielen ausgeübt wird, die schlecht voruntersucht oder trainiert sind oder teilweise schon Vorerkrankungen haben.

Welche Rolle spielt dabei das Alter?
Predel: Leider eine erhebliche Rolle. Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen, die klar belegen, dass bereits ab einem Alter von 35 bis 40 Jahren das Risiko von Herz-Kreislauf-Komplikationen bei sportlicher Betätigung exponentiell zunimmt. Zudem sind Männer gefährdeter als Frauen.

Welche äußeren Faktoren haben noch Einfluss auf Komplikationen?
Predel: Man denkt häufig automatisch an den Sommer mit heißen Temperaturen, aber der Winter mit der trockenen, kalten Luft ist auch gefährlich. Diese kann bei Menschen mit Vorerkrankungen an den Herzkranzgefäßen zu Verkrampfungen führen. Um hier keine Ängste zu schüren, betone ich aber, dass ein gesunder Sportler da nichts zu befürchten hat, denn es muss in diesem Fall eine Vorerkrankung da sein.

Wie wichtig ist der Trainingszustand, der ja wahrscheinlich in den verschiedenen Amateurklassen sehr unterschiedlich ist?
Predel: Sehr wichtig. Eine gute körperliche Fitness wirkt wie eine Lebensversicherung. Ohne Thekenmannschaften jetzt zu nahe zu treten, aber bei der dortigen Trainingsintensität kann nicht immer von einem fitten Zustand ausgegangen werden. Das ist aber eine allgemeine Feststellung, die natürlich nicht auf jeden Amateurspieler aus unteren Ligen zutrifft.

Wie sieht es aus, wenn ein Sportler in jungen Jahren sehr viel trainiert hat und dies dann weniger wird? Häufig heißt es in diesen Fällen, dass geregeltes Abtrainieren wichtig ist.
Predel: Das wird in der Regel überschätzt. Zwar spüren die Sportler häufig ein Herzstolpern, aber das objektive Gefahrenpotenzial ist zum Glück gering. Gefahren gibt es wiederum bei Infekten, die gerade in der jetzigen Jahreszeit immer wieder auftreten und leider häufig nicht ernst genommen werden. Bei Profis hängt das wahrscheinlich mit Geld zusammen, bei Amateuren eher mit zu viel Ehrgeiz.

In Pützchen wurde schnell Erste Hilfe geleistet. Würden Ihrer Meinung nach Defibrillatoren auf Sportplätzen Sinn machen?
Predel: Dafür habe ich mich schon immer starkgemacht, zumal sie heutzutage technisch so ausgereift sind, dass auch Laien sie bedienen können. Gerade bei Herzstillständen spielt der Faktor Zeit eine ganz entscheidende Rolle. Auch wenn Bonn ein gutes Notarztnetz hat, ist der schnelle und direkte Einsatz vor Ort oft lebensrettend.

In größeren Betrieben sind Ersthelfer mittlerweile Pflicht. Sollte das nicht auch bei Sportvereinen so sein?
Predel: Wünschenswert wäre das. Es ist aber immer fraglich, ob das in allen Vereinen flächendeckend möglich ist. Ich würde mich dafür starkmachen, aber es darf nicht dazu führen, dass einem Verein aus diesem Grund die Lizenz entzogen wird und folglich gar kein Sport mehr gemacht werden kann.

Was können Mitspieler oder Vereinsverantwortliche tun, wenn ein Spieler auf dem Platz einen Herzinfarkt erleidet?
Predel: Das allererste Gebot ist, Ruhe und Umsicht zu bewahren. Zweitens sollte direkt mit der Reanimation begonnen und professionelle Hilfe angefordert werden. Alle aktiven Sportler, die ja auch in der Regel einen Führerschein haben, sollten ihre Notfallkenntnisse immer wieder auffrischen. Das ist nicht nur beim Sport, sondern für das gesamte Leben extrem wichtig.

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