Ringvorlesung Zählt ein hohes Einkommen oder Gesundheit in der Gesellschaft?

BERLIN/SANKT AUGUSTIN · Versuche, Wohlstand zu messen, gibt es viele. Und oft werde in diesem Zusammenhang vor allem Einkommen für Lebensqualität verantwortlich gemacht, erklärte Reiner Clement, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, am Montagabend in seinem Vortrag "Lässt sich Wohlstand vermessen?"

Ringvorlesung: Zählt ein hohes Einkommen oder Gesundheit in der Gesellschaft?
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Im Rahmen der Ringvorlesung "Äußerer Wohlstand - Innere Armut" stellte er die beiden Komponenten Einkommen und Wohlbefinden gegenüber. "Mit Hilfe der Statistik lässt sich nicht sagen, ob es grundsätzlich einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenszufriedenheit gibt." Dennoch gebe es wichtige Faktoren wie beispielsweise Gesundheit, Lebenserwartung und Bildungsniveau, die auch vom Einkommen abhängig seien.

Mehr Geld mache zwar grundsätzlich nicht glücklicher - bis zu einem bestimmten Betrag jedoch anscheinend schon: "Ein Glücksforscher hat herausgefunden, dass die Zufriedenheit bis zu einem Jahreseinkommen von 75 000 Dollar stark ansteigt", so Clement.

Danach steige die Kurve nur noch langsam. Ab einem gewissen Einkommen rückten andere Faktoren wie Gesundheit oder eine funktionierende Partnerschaft eher in den Vordergrund. Interessant sind auch Forschungsergebnisse, die sich mit Lottogewinnern beschäftigen: "Die Zufriedenheit nimmt nach etwa fünf Jahren wieder ab", erklärte Clement.

"Menschen gewöhnen sich nämlich an ein höheres Einkommen." Es lasse sich jedoch sagen, dass Menschen mit einem relativen hohen Einkommen - wenn sie mehr verdienen als ihr Umfeld - zufriedener seien als diejenigen mit einem absoluten hohen Einkommen.

Seit Jahren wächst die Kritik an dem rein auf wirtschaftlichem Wachstum basierenden Denken. Spätestens seit der Club of Rome 1972 "Die Grenzen des Wachstums" anmahnte, fand die Diskussion eine breite Aufmerksamkeit. Inzwischen nehmen Initiativen auch auf politischer Ebene zu. Die EU-Kommission empfahl Anfang des Jahres Werte wie Bildungsabschlüsse, Gesundheit oder Artenvielfalt, die das Bip ergänzen sollen.

"Die Menschen in den Industrieländern realisieren, dass sie in einem unglaublichen Tempo leben", erklärt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. "Es wächst das Unbehagen gegenüber der Vorherrschaft des Ökonomischen in allen Lebensbereichen. Die Sehnsucht nach Alternativen ist groß." Ein Großteil der Menschen sehe aber keinen Ausweg aus der Wachstumslogik, weil auch die Sozialsysteme an Wachstum gekoppelt sind.

Ein Dilemma, so Unmüßig: "Wirtschaftswachstum gilt nach wie vor als die Antwort auf ökonomische und soziale Krisen, auch wenn sich dann die ökologische Krise verschärfen wird."

Doch was ist dann der richtige Ansatz, um eine Gesellschaft zu Wohlstand zu bringen? Eine Enquete-Kommission, die sich im Auftrag der Bundesregierung dieser Frage widmete, schlug 2013 Indikatoren vor, die neben materiellem Wohlstand, Soziales, Teilhabe und Ökologie abbilden. Auch Internationale Organisationen wie OECD und WWF haben Indizes entworfen.

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