Drogeriemärkte Spurensuche in der Region: Was von Schlecker übrig blieb

Bonn · Früher standen in den Regalen Babybrei, Tütensuppen und Haushaltsreiniger. Heute werden in dem ehemaligen Schlecker-Ladenlokal an der Bad Godesberger Beethovenallee Calamari in Limettensud serviert.

"Wir haben komplett alles neu gemacht, vom Fußboden bis zur Decke", sagt Altay Hüzeir, der hier im vergangenen Dezember sein Weinlokal eröffnet hat. "Alles war marode, selbst die Alarmanlage von Schlecker nur eine Attrappe." Während in Hüzeirs "Enoteca" Holzelemente und Ledersessel für Ambiente sorgen, herrscht in vielen der rund 60 ehemaligen Schlecker-Filialen in der Region rund ein Jahr nach Schließung der letzten Geschäfte der Pleite-Kette Tristesse.

An der Roncalli-Straße in Bonn-Lessenich sind die früheren Schlecker-Schaufenster notdürftig mit Papierbahnen verklebt. Durch einen Spalt fällt der Blick auf den leeren Innenraum, ein alter Staubsaugerbeutel und eine Trittleiter sind alles, was von Schlecker übrig blieb. "Es ist einfach nur traurig", sagt eine Nachbarin. "Hier gibt es nur noch die Apotheke."

Zumindest in Lessenich könnte sich das bald ändern. "Das Ladenlokal ist zum 1. Juli 2013 wieder vermietet. Der neue Mieter möchte die Räumlichkeiten wieder als Verkaufsfläche nutzen", teilte der Hauseigentümer, die Immobiliengesellschaft Deutsche Annington, auf Anfrage mit. Wer die Schlecker-Nachfolge antreten will, sagt das Unternehmen unter Berufung auf Datenschutz nicht. Die Lessenicher spekulieren über einen Computerladen, der dort seine Verkaufsräume einrichten könnte.

Am Brüser Berg wirbt ein Makler noch per Aushang in der verwaisten Schlecker-Filiale an der Edisonallee um neue Mieter. Bisher ohne Erfolg. Selbst ein Kindergarten war zwischenzeitlich als neuer Nutzer im Gespräch. Doch auch diese Option gilt inzwischen als gescheitert. "Alle Geschäftsleute in der Umgebung wünschen sich, dass dort endlich jemand einzieht", sagt Barbara Müller, Pharmazeutisch-Technische Assistentin in der benachbarten Apotheke. "Ohne Schlecker gibt es hier deutlich weniger Laufkundschaft."

Auch in direkter Nähe zur Bonner Innenstadt liegt die Schlecker-Filiale in einem Gebäude, das den Besitzern der Bad Godesberger Parfümerie Rüdell gehört, herrscht seit mehr als einem Jahr leer. Vor der Tür treffen sich ehemalige Besucher des "Bonner Lochs" zum Umtrunk mit Dosenbier. Nach Informationen aus Geschäftskreisen sucht Rüdell weiterhin nach einem Mieter mit einem tragfähigen Einzelhandels-Geschäftsmodell für den Standort.

Die meisten Schlecker-Filialen in der Region verkauften ihre Ware jedoch weitab von den Stadtzentren und gelten deshalb bei Experten als Ladenhüter. "Die Räume sind meist zu klein für die heutigen Anforderungen von Handelsketten", sagt Michael Conrad von der Bonner Maklerfirma Franz Gewerbeimmobilien.

Einige Immobilienbesitzer scheuten sich wegen hoher Kosten und des bürokratischen Aufwands, die Ladenlokale in Wohn- oder Büroraum umzuwandeln. Vor allem Billigketten wie die Kleidungsdiscounter Kik oder NKD oder Einzelunternehmer mit Schnäppchen-Märkten wie die der Meckenheimer A & B Shop mit "1000 & 1 Krams" im Angebot haben sich bisher für die Schlecker-Nachfolge entschieden.

Petra Altenberg und Angela Dussier aus Bad Honnef kannten die Standortbedingungen ihres Drogeriemarktes in Bad Honnef bestens. Mehr als 20 Jahre haben sie dort als Filialleiterinnen gearbeitet. Als die Schlecker-Pleite auch dem Laden der Tochter-Firma das Aus brachte, stand für sie nach einigen durchwachten Nächten fest: Wir arbeiten auf eigene Rechnung weiter.

Im März eröffneten die Unternehmerinnen nach einer Renovierung ihre Filiale. Die Waren kaufen sie bei der Kölner Rewe-Gruppe ein, die den Markennamen "Ihr Platz" übernommen hat. "Es ist viel mehr Arbeit", zieht Dussier eine erste Bilanz, "aber wir haben den Schritt noch keinen Tag bereut". Mit ihrem Neustart sind Dussier und Altenberg eine Ausnahme unter den ehemaligen Beschäftigten des Konzerns aus dem schwäbischen Ehingen, die seit der Pleite gerne als "Schlecker-Frauen" bezeichnet werden.

159 von ihnen haben sich bei der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg nach der Pleite arbeitslos gemeldet. Davon hätten 65 eine neue Stelle gefunden, so das Amt. 37 lassen sich umschulen und 17 haben sich bei der Arbeitsvermittlung abgemeldet, etwa weil sie das Rentenalter erreicht haben. Die meisten "Schlecker-Frauen" arbeiten laut Arbeitsagentur wieder als Verkäuferinnen. Einige wollen als Steuerfachangestellte oder Bürokauffrau einen neuen Berufsweg einschlagen.

Die vor einem Jahr viel diskutierte Umschulung von Schlecker-Verkäuferinnen zu Erzieherinnen ist genau wie die Wiederbelebung geschlossener deutscher Filialen durch den österreichischen Investor Dayli oder die Neuvermietung der Ladenlokale in Dörfern und kleinen Stadtteilen - ein Luftschloss.

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