Schmuggler entdecken neue Vertriebswege Schwarzmarkt-Zigaretten frei Haus

BERLIN · Die Gewinnspannen für Drahtzieher im Geschäft mit illegalen, gefälschten und geschmuggelten Zigaretten sind gigantisch. Kenner des Marktes gehen davon aus, dass ein ganzer Schiffscontainer mit der Schwarzmarktware hierzulande schon für 100.000 bis 120.000 Euro zu kaufen ist.

Schmuggler entdecken neue Vertriebswege: Schwarzmarkt-Zigaretten frei Haus
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Wenn die gesamte Ware dann an den Konsumenten verkauft ist, liege der Umsatz bei etwa 1,5 Mio. Euro.

Die Vertriebswege für die Schmuggelware haben sich inzwischen geändert. Früher verkaufte häufig ein vietnamesischer Händler die Schwarzmarktware am Eingang zur U- oder S-Bahn, hatte nur einige Stangen bei sich und unterhielt irgendwo in der Nähe ein Versteck mit Nachschub. In Großstädten sind diese Händler weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden, inzwischen ordert der Schwarzraucher bei seinem Händler per SMS auf dessen Handy. Die Ware kommt dann frei Haus per Boten in seine Wohnung.

Seit 2006 lässt der Zigarettenhersteller Philip Morris ("Marlboro") jedes Jahr eine Studie zum illegalen Zigarettenmarkt vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG erstellen. Erstmals haben sich in diesem Jahr auch die anderen drei großen Hersteller auf dem europäischen Markt beteiligt.

Die Studie basiert unter anderem auf einer Analyse von Zigarettenschachteln im Müll von Ballungsgebieten. Die Packungen werden daraufhin untersucht, ob es sich um im Ausland versteuerte Ware handelt, ob es sich um gefälschte Ware handelt oder ob es sich um Orchideenmarken wie "Jin Ling" oder "Fest" handelt.

Diese Zigaretten werden auch "Illicit Whites" genannt. Es handelt sich dabei um Ware, die meist in Weißrussland oder Russland, neuerdings auch in Griechenland in regulären Fabriken legal produziert wird. Aber vor allem mit dem Ziel, sie illegal zu exportieren in Länder mit hohen Tabaksteuern und dort in der Regel unversteuert zu verkaufen. Der Marktanteil dieser Ware nimmt europaweit zu. In der EU hatten "Jin Ling" und Co. 2006 noch einen Anteil von nur 0,2 Prozent am Schwarzmarkt. Inzwischen liegt dieser Wert bei 33,5 Prozent, 2013 wurden 19,6 Mrd. Stück dieser Zigaretten, bei denen selbstverständlich keine Behörde jemals die Inhaltsstoffe kontrolliert, EU-weit geraucht.

In Deutschland wurden 2013 der Studie zufolge 1,4 Mrd. Zigaretten dieser Art konsumiert. Polen kommt sogar auf einen Verbrauch von 4 Mrd. Stück, Griechenland von 2,8 Mrd. Stück. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr hierzulande 21,7 Mrd. Zigaretten geraucht, die nicht in Deutschland versteuert wurden. Darunter waren der Studie zufolge 11,3 Mrd. Stück, die geschmuggelt oder gefälscht waren. Gegenüber 2012, als 11,5 Mrd. Zigaretten geschmuggelt oder gefälscht wurden, ist dies ein leichter Rückgang. In Deutschland ist der Anteil gefälschter und geschmuggelter Zigaretten am gesamten Konsum mit 11,3 Prozent annähernd stabil geblieben.

Die restlichen 10,4 Mrd. Zigaretten sind nach Einschätzung der Experten legal aus dem Ausland eingeführt und hier im Eigenbedarf geraucht oder an befreundete Raucher weitergeben worden. EU-weit stagniert der Markt für gefälschte oder geschmuggelte Zigaretten auf hohem Niveau. 10,5 Prozent aller gerauchten Zigaretten in der EU waren 2013 geschmuggelt oder gefälscht. Dies entspricht 58,6 Mrd. Zigaretten.

Von 2006 bis 2013 war dieser Markt von Jahr zu Jahr gewachsen. Einen regelrechten Boom erlebten jetzt die "Illicit Whites". Dagegen ging die Menge an geschmuggelten und gefälschten Zigaretten (mit Ausnahme der kuriosen Marken) um 19,8 Prozent zurück. Wenn die illegale Ware regulär versteuert verkauft worden wäre, hätten die Finanzbehörden in der EU 10,9 Mrd. Euro Steuern zusätzlich einnehmen können. Der Steuerausfall seit 2010 wird EU-weit auf insgesamt 45,3 Mrd. Euro geschätzt.

Der Deutschland-Chef von Philip Morris, Werner Barth, kommentiert die Studie so: "Es gibt keine Entwarnung."

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