Arbeiten mit Handicap (Teil 3) Mit der Lupe auf Stellensuche

BONN · "Freundliche Helferin im Gastgewerbe gesucht" oder "Stelle als Bauzeichner zu besetzen" - hinter diesen ganz gewöhnlich erscheinenden Stellenanzeigen steckt eine Besonderheit: Gesucht werden gezielt Menschen mit Behinderung. Was andere Arbeitgeber möglicherweise abschreckt, ist bei diesen Jobs Voraussetzung: Lernschwierigkeiten, eine körperliche oder psychische Behinderung. Auf myhandicap.de können sich Menschen mit Behinderung auf die Suche nach Stellen begeben.

Die Jobbörse ist Vorreiter und versteht sich als Beratungsplattform. Menschen mit Behinderung finden dort auch Informationen zur Wohnungssuche, zum Schwerbehindertenausweis und zum Urlaub mit Behinderung. Foren bieten zusätzlich die Möglichkeit zum Austausch. In der Rubrik "Ausbildung & Beruf" gibt es die Stellenanzeigen.

Doch so einfach das klingt, ist es nicht. Jobangebote für Menschen mit Behinderung sind rar. Im Schnitt drei Monate länger suchen Arbeitslose mit Schwerbehinderung nach einem Job als Bewerber ohne Behinderung, heißt es im Inklusionsbarometer Arbeit der Aktion Mensch. Über die gängigen Online-Portale nach passenden Jobs zu suchen, gleicht einem Hürdenlauf. Das weiß auch Inge Dabringhausen. Sie berät geistig behinderte Menschen in einem vom LVR initiierten Trägerverbund in der Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstelle Bonn Rhein Sieg. Dabringhausen macht zwei ganz wesentliche Punkte aus, die ihren Ratsuchenden die Online-Jobsuche erleichtern würden: "Stellenanzeigen sollten mit klaren Fotos bebildert sein, die den Text erklären", sagt sie. Und die Sprache müsse so leicht verständlich wie möglich sein. "Menschen mit geistiger Behinderung sind darauf angewiesen, nicht sieben Seiten Text zu finden."

Immerhin: Es gibt einige Ansätze, die Online-Jobsuche leichter zu gestalten. So versucht es die Agentur für Arbeit mit einem barrierefreien Internetauftritt. Die Homepage wird in Gebärdensprache erklärt und kann auch in leichter Sprache aufgerufen werden. In der Jobbörse können behinderte Menschen in der erweiterten Suche ein Häkchen bei Stellen für Schwerbehinderte setzen. "Wir gehen bei der Unterstützung zweigleisig vor", sagt Patricia Schiochet, Leiterin des Teams für Rehabilitanden und schwerbehinderte Menschen bei der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg. In der Rehaabteilung werden die Menschen auf der Suche nach einem Job persönlich beraten und bekommen auch Unterstützung bei der Online-Jobsuche. "Gleichzeitig fahren wir raus und betreiben Arbeitgeberakquise", sagt Schiochet. Das sei häufig mit viel Überzeugungsarbeit verbunden. Gerade im Dienstleistungssektor und im Bürobereich sei es weiterhin schwer, behinderte Menschen unterzubringen. "Da ist die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt einfach unglaublich hoch", sagt Schiochet.

Bezeichnend: Wer sich unter dem Suchbegriff "Menschen mit Behinderung Jobs" im Netz auf Stellensuche begibt, findet vor allem Tätigkeiten für die Betreuung von Menschen mit Behinderung, wie Wohngruppenleiter und Freizeitbegleiter, jedoch kaum Arbeitsangebote für betroffene Menschen selbst. Neben Myhandicap gibt es nur wenige weitere, meist gemeinnützige Online-Jobbörsen. Häufig werden die von Integrationsunternehmen betrieben oder richten sich an Menschen mit einer speziellen Form der Behinderung, wie Autismus. Im Umfang der angebotenen Stellen können diese Plattformen mit den gängigen Online-Jobbörsen aber nicht mithalten.

Bei denen hapert es wiederum vor allem an der Suchfunktion: Ein Häkchen zu setzen, um die Ergebnisse nach Stellen für Schwerbehinderte zu selektieren, ist weder bei Stepstone noch bei Kalaydo möglich. Kalaydo arbeitet nach eigenen Angaben derzeit aber an einer Neugestaltung der Seite. Dann soll es möglich sein, auch nach Stellen zu suchen, bei denen eine Bewerbung eines Schwerbehinderten explizit erwünscht ist.

Einen leichten Trend zu der Bereitschaft, mehr Menschen mit Behinderung einzustellen, beobachten die Betreiber von Kalaydo im öffentlichen Dienst. "Das ist aber leider nur bei einer Hand voll Stellen der Fall, die hoch subventioniert werden", sagt Michael Graus, Experte für den Bereich "Beruf und Arbeit" bei Myhandicap. Bewerbern rät Graus, sich nicht durch ein umfangreiches Anforderungsprofil abschrecken zu lassen: "Eine Bewerbung kann sich lohnen, auch wenn nur 70 Prozent der Anforderungen abgedeckt werden können."

Und an potenzielle Arbeitgeber appelliert er, mehr auf die Qualifikationen als auf die Schwächen des jeweiligen Bewerbers zu schauen. Dem stimmt auch Dabringhausen zu: Es gebe in fast jedem Unternehmen Abläufe, die nicht zwangsläufig eine Bürokauffrau machen müsse. "Wir müssen eine Atmosphäre der Akzeptanz von unterschiedlichen Fähigkeiten auf unserem Arbeitsmarkt schaffen."

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