Arbeiten mit Handicap, Teil 5 Kaum Jobs für schwerbehinderte Akademiker

BONN · Beim Kölner Elternverein "Mittendrin" arbeiten seit Anfang Mai zehn schwerbehinderte Akademiker, die älter als 50 Jahre sind. Sie werden künftig als Coaches an Kölner Schulen Eltern und Lehrer bei Fragen zur Inklusion beraten.

Alle Mitarbeiter waren zuvor arbeitslos. Initiiert hat dieses Projekt Torsten Prenner von der zentralen Ausland- und Fachvermittlung (ZAV) in Bonn: "Es ist toll zu sehen, wie motiviert die Mitarbeiter sind", sagt er.

Das Team, zu dem er gehört, kümmert sich in Zusammenarbeit mit den regionalen Arbeitsagenturen gezielt darum, dass arbeitslose Akademiker mit Schwerbehinderung wieder einen Job finden. Die fünf Arbeitsvermittler, zu denen Prenner zählt, suchen bundesweit nach neuen Jobs für ihre Kunden.

So eine Chance wie den zehn neuen Mitarbeitern des Kölner Elternvereins bietet sich längst nicht allen: Im März waren bundesweit 8256 schwerbehinderte Akademiker arbeitslos gemeldet. "Leider ist die Tendenz steigend", sagt Prenner. Schwerbehinderte profitieren nicht von der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote dieses Personenkreises steigt seit Jahren rasant an.

Von den schwerbehinderten Akademikern ohne Arbeit sind 66 Prozent älter als 50 Jahre. "Viele Menschen kommen erst im Laufe ihres Lebens durch eine Krebserkrankung oder einen Herzinfarkt zu ihrer Schwerbehinderung", so Prenner. Wer dann mit Mitte 50 seinen Job verliere, für den werde es schwer. Deshalb ist die ZAV dann ergänzend zur Vermittlungstätigkeit der regionalen Arbeitsagenturen tätig.

"Unser erster Ansprechpartner ist traditionell der öffentliche Dienst", so Prenner. Daneben finden die Arbeitsvermittler die Stellen vor allem bei Großkonzernen. Neben dem Paul-Ehrlich-Institut in Langen, das sich als Bundesinstitut um Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel kümmert, hebt Prenner besonders die Pharmafirma Boehringer Ingelheim für ihre hohe Bereitschaft, schwerbehinderte Akademiker einzustellen, hervor.

"Kleine Firmen, die beispielsweise nur zwei Führungskräfte haben, tun sich häufig natürlich besonders schwer, eine davon mit einem Schwerbehinderten zu besetzen". Besondere Regeln zum Kündigungsschutz würden sich hier als Hemmnis bei der Einstellung erweisen. Das A und O sei, dass die erste Einstellung eines Schwerbehinderten bei einer Firma gut gelinge. Dann steige natürlich auch die Bereitschaft zur Wiederholung

Lohnkostenzuschüsse, die Firmen erhalten können, wenn sie Schwerbehinderte einstellen, spielen nach Prenners Erfahrung bei Akademikern meist nicht die entscheidende Rolle dafür, ob jemand den Job bekommt. "Häufig sprechen wir über Positionen, die schon vorhanden sind, oder Planstellen in Behörden, die es bereits gibt." Hilfreich sei die Möglichkeit der Probebeschäftigung, bei der beide Seiten drei Monate lang ausprobieren können, ob sie zueinander passen: "Der Klebeeffekt ist hoch." In den drei Monaten der Probebeschäftigung finanziert die Arbeitsagentur die Gehaltskosten zu 100 Prozent.

"In den gehobenen Positionen schauen die Arbeitgeber natürlich genau hin, mit wem sie eine freie Stelle besetzen", schildert Prenner die Lage. Deshalb müssen sich die Arbeitsvermittler oft sehr intensiv kümmern. 300 Bewerber hat das Team derzeit in der Kartei. 2014 konnten 70 Personen vermittelt werden: "Darunter 20 auf exklusiv von der ZAV eingeworbene Stellen", berichtet Prenner. Gut angekommen sei auch das Projekt "Promi - Promotion inklusive" der Universität Köln, bei dem 45 Hochschulabsolventen mit einer Behinderung die Möglichkeit zur Promotion erhalten.

Dazu wurden von 2013 bis 2015 jährlich 15 zusätzliche halbe Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter an 15 Universitäten eingerichtet. Kooperationspartner sind der Arbeitgeberservice Schwerbehinderte Akademiker der ZAV, die Bundesagentur für Arbeit und das Unternehmensforum als Brücke zur Wirtschaft. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.

Regelmäßig sorgen die Arbeitsvermittler von der ZAV auch für eigene Projekte, wie in Köln bei "Mittendrin". Weitere Partner des Projekts sind die Universität Köln und das Amt für Schulentwicklung der Stadt Köln. Die Vollzeitstellen sind auf drei Jahre befristet.

"Unsere Kunden müssen oft auch Bereitschaft zur Mobilität mitbringen", berichtet Prenner. Aber gerade ältere Arbeitnehmer seien natürlich örtlich oft gebunden. Doch es gibt Ausnahmen: Einer der zehn Coaches sei Anfang 60 komme aus Warendorf: "Er hat durch die Einrichtung eines Zweitwohnsitzes einfach die Chance ergriffen, wieder einen Arbeitsplatz zu finden."

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