Einzelhandel Immer mehr Unternehmen lassen ihre Ware vom Verbraucher selbst gestalten

KÖLN · Wer keine Rosinen mag oder gegen Nüsse allergisch ist, dürfte die Idee gut finden. Manchmal findet sich trotz zig verschiedener Modelle einfach nicht das passende Müsli im Supermarktregal. Damit ihnen mögliche Kunden künftig nicht mehr durch die Lappen gehen, überlassen einige Unternehmen nun den Käufern das Ruder und machen ihre Produkte "individualisierbar".

 Beratungsgespräch: Eine Kundin im Kölner Mymuesli-Laden.

Beratungsgespräch: Eine Kundin im Kölner Mymuesli-Laden.

Foto: Privat

Da die Geschmäcker gerade beim Essen verschieden sind, hat etwa die Firma Mymuesli daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Auf der Website des Anbieters können Käufer ihr Müsli im Internet aus 80 Zutaten selbst mischen. "Die Treiber dahinter waren Start-ups", erklärt Frank Piller vom Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen. Die Mymuesli-Gründer sind inzwischen so erfolgreich, dass aus dem Drei-Mann-Betrieb innerhalb weniger Jahre ein Unternehmen mit 340 Mitarbeitern geworden ist.

Im Jahr 2008 hat das Unternehmen auch ein Ladenlokal eröffnet - zunächst in Passau, dem Gründungsort von Mymuesli. Ihr jüngstes Geschäft eröffneten die Gründer im Oktober letzten Jahres in Köln. Der Unterschied zum Online-Shop: "Im Laden können unsere Kunden ihr Müsli nicht selbst mixen", sagt Wanke Rittmeyer, Sprecherin von Mymuesli.

"Aber sie können ihr Müsli online bestellen und in das Geschäft liefern lassen." Das spare Versandkosten. Ganz billig sind die individuellen Müslis nämlich nicht: 5,90 Euro kosten 575 Gramm im Schnitt. Die Verkaufsschlager in Köln seien Zusammensetzungen ähnlich dem Bircher Müsli mit Haferflocken, Nüssen und Himbeeren oder getrockneten Blaubeeren.

Ähnlich sieht das Modell der Berliner Firma Chocri aus. Online können Kunden Schokolade mit Zutaten wie Fruchtstücken, Gewürzen oder Nüssen herstellen lassen. Der Umsatz des 2008 gegründeten Unternehmens verdoppelte sich mit zuletzt 3,6 Millionen Euro innerhalb von zwei Jahren nahezu. Zwei Drittel davon entfallen auf die individuelle statt auf vorgefertigte Angebote.

Schokolade und Müsli sind nur zwei Beispiele. Individuellen Tee gibt es etwa bei "5 cups and some sugar", während Myuniquebag Handtaschen zum Selbst-Designen verkauft. Die Plattform "beer-stickr" verschickt auf Wunsch Bieretiketten mit dem Namen des Kunden - darunter das Logo von Gaffel-Kölsch.

Auch Großunternehmen tummeln sich in dem Markt: Coca-Cola versendet Flaschen mit dem Namen des Kunden, beim Schoko-Hersteller Ritter Sport lässt sich die Verpackung selbst gestalten. Auch Sportkonzerne wie Adidas und Nike bieten personalisierbare Produkte an - von der Farbe bis zum eigenen Schnürsenkel. "Die emotionale Verbundenheit spielt hier eine größere Rolle als bei der normalen Kollektion", erklärt Adidas dazu.

Laut dem Anbieterverzeichnis egoo.de gibt es deutschlandweit etwa 550 Hersteller von Produkten, die sich individuell gestalten lassen. Im Oktober 2008 waren es noch 30. Für die Anbieter seien die Kundenkreationen eine Art kostenlose Marktforschung, so Piller, der zu Maßanfertigungen für die Masse forscht. Firmen bekommen direkten Einblick in die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Zielgruppe. Sie fertigen Ware, die auch tatsächlich Abnehmer findet. Lange Lagerkosten entfallen.

Mit Unikaten werden wir uns aber wohl auch künftig nicht alle umgeben. "Es wird immer eine Nische sein. Die meisten Kunden wollen in den Laden gehen und das Produkt mitnehmen", prognostiziert Piller. "Erstmal zahlen die Leute nur für das Erleben. Dauerhaft werden sie nur dafür zahlen, wenn sie einen funktionalen Nutzen haben." Auch der Sportartikelhersteller Adidas erklärt: "Es ist nicht in Planung, jedes Produkt für eine Individualisierung bereitzustellen."

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