Steuerkarussell Große Firmen können Steuerlast legal kleinrechnen

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum weltweiten Steuerkarussell. Steuerzahler und mittelständische Betriebe haben das Nachsehen.

Auch Google nutzte die ungleiche Besteuerung in verschiedenen Ländern, um möglichst wenig zu zahlen.

Auch Google nutzte die ungleiche Besteuerung in verschiedenen Ländern, um möglichst wenig zu zahlen.

Foto: dpa
  • Ist Steuervermeidung international ein großes Problem?

In den vergangenen Jahren haben vor allem große Konzerne mit Hilfe von Steuerexperten verstärkt Strategien entwickelt und umgesetzt, um ihre Abgabenlast zu senken.

Ein drastisches Beispiel dafür ist die Bilanz von Google aus dem Jahr 2010. Der Internetkonzern konnte einen Gewinn von fast sechs Milliarden Euro einstreichen, bezahlte aber nur 130 Millionen Euro Steuern. Das ist kein Einzelfall.

Die größten Steueroasen der Welt
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Viele international agierende Unternehmen nutzen die ungleiche Besteuerung in den verschiedenen Ländern aus, um möglichst wenig an die Staaten zu überweisen. Auch deutsche Firmen beteiligen sich daran. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit schätzt die Ausfälle allein für den deutschen Finanzminister auf einen Betrag zwischen 15 und 30 Milliarden Euro im Jahr.

  • Welcher Tricks bedienen sich die Steuervermeider?

Rechtlich ist das Vorgehen der Firmen in der Regel völlig legal. Sie nutzen die unterschiedlichen Tarife in den einzelnen Ländern aus und verlagern Gewinne dorthin, wo die Steuersätze am niedrigsten sind. Während Kapitalgesellschaften in den USA fast 40 Prozent Steuern auf ihren Gewinn abführen müssen, sind es in Irland nur 12,5 Prozent.

Das ist auch ein Teil des internationalen Steuerwettbewerbs, mit dem viele Länder um Investoren und damit neue Arbeitsplätze werben. In Irland gab es bis vor kurzem ein besonders lukratives Modell, das so genannte "Double Irish". Dafür werden zwei Firmen in Irland gegründet, von denen nur eine auch ihren Sitz auf der Insel hat. Die zweite sitzt in einer Steueroase wie den Bermudas. Der Konzern, der Steuern zum Beispiel in den USA sparen will, verschiebt nun zunächst Gewinne aus Übersee zu der Firma mit Sitz in Irland. Das funktioniert, in dem diese hohe Rechnungen für die Nutzung von Patenten oder Lizenzen nach Amerika schickt. Die zweite Firma mit Sitz in der Steueroase zieht diese Erträge als Inhaber der Nutzungsrechte für Erfindungen als Entgelt ab und versteuert es im Steuerparadies.

  • Lassen sich die Lücken nicht einfach schließen?

Nicht einmal das Netzwerk Steuergerechtigkeit sieht Möglichkeiten, die Vermeidungsstrategien der Konzerne ganz abzustellen. Das ginge wohl nur, wenn überall in der Welt die gleichen Besteuerungsmaßstäbe angesetzt werden. Das halten Fachleute im Bundesfinanzministerium für unrealistisch. "Der Konkurrenz hat sich auch Deutschland zu stellen und muss für multinationale Unternehmen ein attraktives Umfeld schaffen", erklären die Beamten, "ansonsten wandern die Unternehmen in andere Staaten ab."

  • Wer leidet unter den Steuerstrategien der Konzerne?

Direkt betroffen von der Steuervermeidung sind die Steuerzahler der Länder mit vergleichsweise hohen Gewinnsteuern. Indirekt betroffen sind jene Firmen, die sich nicht dieser ausgeklügelten Vermeidungsstrategien bedienen können. Mittelständische Unternehmen können es sich meist gar nicht leisten, mit teuren Juristen die weltweiten Steuersysteme nach Lücken zu durchsuchen und mit vielen Zwischengesellschaften oder Stiftungen zu arbeiten. Sie verdienen weniger und haben im Wettbewerb auf Dauer das Nachsehen.

  • Gibt es Ideen für mehr Steuergerechtigkeit?

Es gibt mittlerweile international einen Trend zum gemeinsamen Handeln. Irland hat zum Beispiel kürzlich das umstrittene Gewinnkarussell "Double Irish" geschlossen. Doch die Mühlen mahlen langsam. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ein Projekt ins Leben gerufen, dass wirksame Maßnahmen gegen die Erosion der Steuerbasis entwickeln soll. Im Zentrum steht das Ziel, der ungleichen Gewinnbesteuerung etwas entgegenzusetzen und die Verlagerung von Gewinnen in Steuerparadiese zu verhindern.

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