Steuerschaden von fast einer halben Milliarde Euro Größter Verdachtsfall bei Cum-Ex-Deals

KÖLN · Anrüchige Cum-Ex-Geschäfte mit Aktien beschäftigen hierzulande seit Jahren Fiskus und Justiz. Experten hatten schon immer gewarnt, dass bislang nur die Spitze eines Eisbergs bekannt ist. Sie können sich bestätigt fühlen. Denn Kölner Staatsanwälte ermitteln nun im bislang größten Verdachtsfall dieser Art.

Die Dimensionen sind gewaltig. Ermittelt wird gegen über 30 Beschuldigte im In- und Ausland sowie unberechtigte Anträge auf Erstattung von Kapitalertragssteuer in Höhe von über 460 Millionen Euro. Das schlägt einen erst vorige Woche bekannt gewordenen Münchner Fall, der mit potenzieller Steuerhinterziehung von 350 Millionen Euro als bislang größter galt. Cum-Ex-Geschäfte waren die Spielwiese von Großanlegern, die dabei auf die Mithilfe einer Bank angewiesen sind.

Gegen wen in Köln genau ermittelt wird, sagt die Justiz mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht. Es sei ein neuer Fall, sagte ein Sprecher lediglich. Bekannt ist, dass Kölner Staatsanwälte zuvor schon gegen Ex-Mitarbeiter der Münchner Hypovereinsbank (HVB) wegen Cum-Ex-Geschäften ermittelt haben. Klar ist, dass bei den jetzigen Dimensionen auch mindestens ein Großanleger seine Hand im Spiel hat.

Gestern gab es deshalb zeitgleiche Razzien in Deutschland und neun weiteren europäischen Ländern sowie in Übersee. Betroffen waren Wohn- und Geschäftsräume. Im Einsatz waren unter Leitung der Staatsanwaltschaft Köln 114 Fahnder des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen, der Steuerfahndung Wuppertal sowie des Bundeszentralamts für Steuern. Weitere Auskünfte könne man nicht geben, sagte Staatsanwalt Rene Seppi.

Dem Kölner Verdachtsfall liegen Aktienkäufe im Umfang einer zweistelligen Milliardensumme zugrunde, rechnet ein Experte hoch. Noch nicht endgültig entschieden ist, ob Cum-Ex-Geschäfte wirklich strafbar waren oder sie gerade noch legal hierzulande nur ein Steuerschlupfloch ausgenutzt haben, das erst 2012 vollständig gestopft wurde.

Es gibt sie in vielen Varianten. Allen gemeinsam ist das Handeln von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch rund um den Ausschüttungstermin. Deshalb spricht man von Cum-Ex-Geschäften. Auf Dividenden fällige Steuern werden direkt von der ausschüttenden Gesellschaft ans Finanzamt überwiesen. Die Bescheinigung dafür schickt die Depotbank dem Steuerpflichtigen, in der Vergangenheit wundersamerweise auch mehr als einem. Diese lassen sich die Steuern dann erstatten. Weil Aktien um ihren Dividenstichtag herum rasend schnell gehandelt wurden, ging auch Finanzämtern der Überblick verloren.

Bekannt sind die Fälle einer Münchner Fondsgesellschaft mit 350 Millionen Euro, der HVB mit potenziell 200 Millionen Euro Steuerschaden oder der HSH Nordbank oder Schweizer Bank Sarasin. Einige Institute stellen sich auf Steuernachzahlungen in Millionenhöhe ein.

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