Bundesgerichtshof billigt Zins-Berechnung Gericht stärkt Lebensversicherer

BERLIN/KARLSRUHE · Ein Fall, wie er beinahe täglich vorkommt: Als ein Rentner aus Hessen im Jahr 2008 die Auszahlungsnachricht zu seiner Allianz-Lebensversicherung bekommt, ist er enttäuscht.

 Von komplizierten Berechnungen hängt ab, wie groß das Zusatzplus im Alter bei Lebensversicherungen ausfällt.

Von komplizierten Berechnungen hängt ab, wie groß das Zusatzplus im Alter bei Lebensversicherungen ausfällt.

Foto: dpa-

Seit 1987 hat er eingezahlt, also 21 Jahre, und bekam am Ende rund 28 000 Euro heraus. Darin enthalten waren 9123 Euro Zinsen sowie Beteiligung an den erwirtschafteten Überschüssen der Allianz Lebensversicherung und an den Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere.

Das war dem Rentner zu wenig. Er zog vor Gericht und verlangte einen Nachschlag von 657 Euro. Begründung: Die Allianz habe den ihm zustehenden Anteil an den Bewertungsreserven mit dem Schlussüberschuss verrechnet. Das sei nicht in Ordnung. Sein Anteil an den Bewertungsreserven müsse stattdessen noch obendrauf kommen. Der Rentner scheiterte in der ersten Instanz, er scheiterte in der zweiten Instanz, und gestern scheiterte er auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung. Sein Anwalt hatte nämlich gefordert, dass die Allianz-Lebensversicherung gezwungen wird, die Berechnung von Zinsen, Überschussbeteiligung und Schlussüberschüssen offenzulegen. Dieser Forderung sind die BGH-Richter aber nicht nachgekommen. Damit wurde die gängige Praxis der Branche zur Ermittlung der Auszahlungsbeträge bestätigt.

Der Hamburger Anwalt und Experte für Finanzmarktthemen, Achim Tiffe, nannte das Urteil im Gespräch mit unserer Zeitung einen "Pyrrhussieg" für die Versicherungsbranche: "Vordergründig können die Versicherer aufatmen, weil sie weiterhin intransparent arbeiten können." Langfristig gereiche der Branche das Urteil aber zu ihrem Nachteil. "Das öffentliche Ansehen des Anlageproduktes Lebensversicherung wird sich weiter verschlechtern, das Vertrauen der Kunden wird weiter abnehmen", prognostizierte Tiffe.

Die kapitalbildende Lebensversicherung ist hierzulande ein weit verbreitetes Produkt zur privaten Altersvorsorge. Es laufen rund 88 Millionen Lebensversicherungsverträge, jeder Deutsche hat damit also statistisch gesehen mehr als einen Vertrag.

Doch die Beliebtheit ist in den letzten Jahren eingebrochen. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Renditen stark rückläufig sind. Das Privileg, auf die Zinsen keine Steuern zahlen zu müssen, wurde von der Politik kassiert. Außerdem schnurren die Zinsen in den Keller. Wer das Glück hatte, in den 90er Jahren eine Lebensversicherung abgeschlossen zu haben, darf sich über einen Garantiezins von vier Prozent freuen. Wer heute eine Police abschließt, der bekommt gerade einmal 1,25 Prozent.

Hinzu kommt, dass es um die Transparenz dieser Anlageform schlecht bestellt ist. Dies zeigt einmal mehr das gestrige BGH-Urteil. Der Verbraucher kann kaum nachvollziehen, nach welchen Kriterien die nach zum Teil jahrzehntelangem Sparen auszuzahlende Summe ermittelt wurde. Schlussüberschüsse, Beteiligung an den Bewertungsreserven sowie an den Überschüssen - es bleibt für den Verbraucher eine Rechnung mit vielen Unbekannten.

Die kapitalbildende Lebensversicherung ist ein Mischprodukt aus Versicherung und Geldanlage. Das heißt: Die Unternehmen behalten einen Teil des vom Kunden eingezahlten Geldes ein, je nach Versicherer und Police umfasst der Sparanteil nur etwa 80 bis 90 Prozent des eingezahlten Geldes. Nur dieser Teil wird dann verzinst.

Außerdem gibt es Unruhe wegen der Beteiligung an den Stillen Reserven bei festverzinslichen Wertpapieren, die die Unternehmen mit dem Geld der Versicherten gekauft haben. Das Verfassungsgericht hatte entschieden, dass ausscheidende Kunden zur Hälfte beteiligt werden müssen. Eine Gesetzesänderung hat hier kürzlich aber für eine Entlastung der Unternehmen gesorgt.

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