Arbeiten mit Handicap (Teil 8) Garagen für Kinderwagen

BERLIN · Immer dieser Ärger mit Kinderwagen im Treppenhaus. Wohin bloß mit den Dingern? Das fragte sich auch Christopher Weide (38), als er vor sieben Jahren Vater wurde. Und kam auf die Idee, eine Garage für das Wägelchen zu bauen, abschließbar und klein genug, um sie im Innenhof des Mehrfamilienhauses in Berlin-Kreuzberg aufzustellen.

 Handarbeit: Endmontage der Kinderwagenboxen bei den Berliner Werkstätten für Behinderte.

Handarbeit: Endmontage der Kinderwagenboxen bei den Berliner Werkstätten für Behinderte.

Foto: BWB

Inzwischen hat der gebürtige Stuttgarter daraus ein Geschäft gemacht und seinen Beruf aufgegeben. Seine Firma Kiwabo, der Name steht für Kinderwagenbox, liefert bundesweit Boxen für Kinderwagen, Rollatoren und Elektro-Rollstühle in unterschiedlichen Größen. Das Besondere: Gefertigt werden die Minigaragen komplett in Behindertenwerkstätten.

"Auf die Idee brachte mich eine Freundin bei einer Autofahrt", berichtet Weide. "Ich wusste vorher gar nicht, dass das geht." Inzwischen schwärmt der Schwabe von der Zusammenarbeit mit den Berliner Behindertenwerkstätten: "Das Gesamtpaket ist traumhaft." Natürlich habe er als Unternehmer Preise verglichen: "Bei konstanter Auftragslage und Auslastung hätte ich auch selbst Leute einstellen oder den Auftrag an eine Tischlerei geben können."

Doch das Geschäft mit den Boxen schwanke im Jahresverlauf stark. Es herrsche mal wochenlang Flaute, dann kämen plötzlich große Bestellungen von Wohnungsgesellschaften: "Die Flexibilität ist nirgendwo so groß wie in den Behindertenwerkstätten. Das war für mich entscheidend." Auch die Berliner Behindertenwerkstätten loben die Zusammenarbeit mit Kiwabo: "Für uns steht natürlich der therapeutische Zweck im Vordergrund, nicht die unternehmerische Leistung", betont Prokurist Olaf Stapel.

An zwei Standorten der Werkstätten in Berlin bereiten die Menschen mit Behinderung die angelieferten Hölzer und Scharniere vor und montieren die Boxen für Kiwabo fertig. Eine Bürogruppe kümmert sich um die Auftragsabwicklung. "Das sind alles sehr kompetente Leute, und wir haben schon viele Hinweise für Produktverbesserungen bekommen", sagt Weide.

"Für uns ist entscheidend, dass die Aufträge auch zu uns passen", sagt Stapel. Die Berliner Werkstätten stellen rund 1600 Plätze für Menschen mit Behinderung zur Verfügung, 1320 von ihnen können arbeiten. Die Computerarbeit bei der Auftragsabwicklung sei für Menschen mit psychischen Erkrankungen geeignet, das Fräsen der Metallteile an CNC-Maschinen eine Tätigkeit etwa für Lernbehinderte und Gehörlose, die Endmontage als klassische Handarbeit wiederum für psychisch Erkrankte passend.

Rund 30 Menschen mit Behinderung seien je nach Auftragslage mit dem Bau der Kiwabo-Produkte beschäftigt. "Ich stelle immer wieder fest, dass es für die Behinderten sehr befriedigend ist, dass wir das Produkt hier komplett fertigen lassen und nicht bloß einzelne Teile", sagt Weide. Eine kleine Weihnachtsfeier habe Kiwabo im vergangenen Jahr in den Werkstätten gegeben, T-Shirts und Einkaufsgutscheine an die "Mitarbeiter" verteilt. Schließlich, so Weide, wolle Kiwabo weiter kräftig wachsen, den Umsatz dieses Jahr mit 1500 Boxen mehr als verdoppeln. Die entsprechenden Verträge mit den Berliner Werkstätten sind unter Dach und Fach. Weide: "Ich sehe keine Alternative."

Der General-Anzeiger berichtete in dieser achtteiligen Serie über die Situation am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung.

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