Computer sollen Steuererklärungen bearbeiten Finanzämter wollen automatisieren

BERLIN · Der Computer hat in den Finanzämtern schon länger Einzug gehalten. Er hatte bislang aber eher eine assistierende Funktion. Letztlich entscheiden immer noch vor allem die 110.000 Finanzbeamten unter genauer Anwendung des komplizierten Steuerrechts, wie der Steuerbescheid ausfällt. Schon bald könnte es anders werden: Der Computer soll immer mehr die Arbeitskraft der Beamten ersetzen.

Dies ist erklärter Wille von Bund und Ländern. Nicht so deutlich sagen die Finanzminister, was hinter dem ehrgeizigen Programm zur IT-Aufrüstung im Finanzamt steckt: Letztlich geht es auch darum, Stellen zu streichen. Klar, die Babyboomer gehen bald in Rente, Arbeitskräfte werden rar, da wird es auch für den Arbeitgeber Staat schwieriger, fähige Leute zu bekommen.

Theoretisch möglich, praktisch gibt es noch Probleme

Bis es so weit ist und der PC die meisten Steuerfälle löst, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Technisch ist die vollautomatische Bearbeitung einer Steuererklärung im Prinzip machbar. Nur: In der Praxis hakt es. Ein gutes Beispiel ist hier der Südwesten: Hier muss sich kein Finanzbeamter mehr mit einer Steuererklärung auf Papier herumschlagen.

Sämtliche Erklärungen liegen ihm digital vor. Entsprechende Softwareprogramme zur vollautomatischen Bearbeitung sind auch vorhanden. Nur: Im Südwesten werden gerade einmal fünf bis sieben Prozent der Steuerfälle komplett vom Computer gelöst. In allen anderen Fällen schlägt das Programm Alarm: Der Fall ist entweder zu komplex, oder die Angaben des Steuerpflichtigen passen nicht zueinander. Ein Mensch muss ran und den Fall lösen.

Bis 2022 soll der Umbau fertig sein

Dem Vernehmen nach peilt der Staat an, dass 60 Prozent der Fälle vollautomatisch gelöst werden. Das wäre eine gewaltige Steigerung. 2017 sollen die Gesetzesänderungen greifen, bis 2022 soll der Umbau fertig sein. Klar ist, dass bis dahin die Programme massiv aufgerüstet werden müssten. Die Technik muss also dazulernen, sie muss "intelligent" werden. Ob dies bei dem überaus komplizierten deutschen Steuerrecht möglich ist, ohne dass dem Staat Steuerausfälle drohen, wird von Experten bezweifelt.

Der Bund hat bereits vorgearbeitet, Formulierungen für Gesetzesänderungen liegen vor. Sie zeigen: Mit dem Projekt, das Finanzamt ins Internetzeitalter zu bringen, sind weitere Veränderungen verbunden, von denen der Bürger bislang nichts ahnt. Daher mahnt Thomas Eigenthaler, Chef der Steuergewerkschaft: "Keine Schnellschüsse, Sorgfalt geht vor Schnelligkeit."

Eine handfeste Verschlechterung aus Sicht des Steuerzahlers

Aus Sicht des Steuerzahlers plant der Bund zumindest eine handfeste Verschlechterung: Bislang ist es so, dass ein einmal erlassener Steuerbescheid vom Finanzamt in der Regel nicht mehr zu Ungunsten des Bürgers verändert werden kann. Das soll sich ändern: Wenn ein Bescheid "vollautomatisch", also ohne dass ein Beamter Hand angelegt hat, erstellt wurde, soll die Behörde ein Jahr lang den Bescheid auch zu Ungunsten des Bürgers wieder ändern können.

Künftig soll der Steuerpflichtige keine Belege mehr einreichen. Vermutlich überfordern Kassenzettel und Quittungen die IT vom Amt. Der Chef der Länderfinanzministerkonferenz, der hessische Ressortminister Thomas Schäfer (CDU), lobt den Verzicht auf Belege als Beweis von Bürgernähe: "Wir wollen der Steuererklärung ihren Schrecken nehmen." Doch der Staat behält sich dann doch das Recht vor, im Zweifelsfall die Dokumente nachzufordern. An der Aufbewahrungspflicht wird sich also wohl nichts ändern.

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