Einzelhandel in der Region Endspurt im Schlussverkauf

BERLIN/BONN · Wann ist eigentlich mal kein "Sale"? Die roten Prozent-Zeichen sind aus den Schaufenstern der deutschen Innenstädte kaum mehr wegzudenken.

 Die Sonne lacht, die Einkaufstüten sind gefüllt: Das gefällt den Händlern in der Bonner Innenstadt .

Die Sonne lacht, die Einkaufstüten sind gefüllt: Das gefällt den Händlern in der Bonner Innenstadt .

Foto: Barbara Frommann

Seit Wochen locken Händler mit Rabatten von 30 Prozent oder mehr. Anfangs war der Sommer noch trübe - was luftige Kleidchen oder kurze Hosen zu Ladenhütern machte. Auch wenn zwischenzeitlich die Sonne brannte, hat der Einzelhandel einiges nachzuholen. Zum Ende der Saison verspricht er noch einmal größere Rabatte. "Der Höhepunkt steht bevor", heißt es beim Handelsverband HDE. Am 27. Juli startet der offizielle Sommerschlussverkauf (SSV).

Und da lassen sich in diesem Jahr möglicherweise wirklich gute Schnäppchen machen. Denn die Lager sind voll wie selten. "Wir haben große Überbestände", sagt Siegfried Jacobs vom Textileinzelhandelsverband BTE. In manchen Geschäften werde daher früher und "etwas massiver" als sonst zum Rotstift gegriffen.

Bisher liefen die Geschäfte nämlich nicht gut. "Der Frühsommer war nicht so schön, selbst im Vergleich zum eigentlich schon schwachen Vorjahr", erläutert HDE-Sprecher Stefan Hertel. Trotz einigermaßen guter Witterung machte die Mehrzahl der Modehäuser im Frühjahr weniger Umsatz. Zwar hätten die Geschäfte durch die heißen Tage jetzt etwas angezogen, doch auch mit der Sommersaison könne man nicht zufrieden sein, sagt Jacobs.

Anders äußerten sich gestern auf Nachfrage verschiedene Einzelhändler in der Region. Harry Benzrath, Geschäftsführer von Galeria Kaufhof Bonn, war, abgesehen von der Hitzeperiode, mit dem bisherigen Sommergeschäft nicht unzufrieden. "Artikel für den Hochsommer sind zurzeit sehr gefragt. Die letzten Wochen haben uns geholfen, die Lager zu leeren", sagte Benzrath.

Patricia Richarz, Geschäftsführerin des gleichnamigen Bonner Juweliergeschäfts und Vorstandsmitglied im Verein Citymarketing, kann sich über mangelndes Kundeninteresse nicht beklagen: "Das liegt in erster Linie daran, dass wir das ganze Jahr über relativ stabile Umsätze haben." Das größte Problem für den Bonner Einzelhandel sieht Richarz anderswo: "Die Innenstadt ist für viele Kunden, die mit dem Auto kommen, schlecht erreichbar und die Parkplatzsituation eine Zumutung." Dass die Leute mehr Geld im Portemonnaie hätten, davon spürt die Juwelierin nichts.

Eine allgemeingültige Einschätzung des Einzelhandelsverbands Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen war gestern nicht zu bekommen. Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender weilen im Urlaub.

Manfred Piana, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandels- und Dienstleistungsverbands Aachen-Düren-Köln, sagte gestern auf Anfrage: "Die Konsumstimmung ist in der Region zurzeit nicht schlecht." Allerdings hätten die Hitzeperiode Anfang des Monats, vor allem aber der Poststreik ihre Spuren beim regionalen Einzelhandel hinterlassen: "Durch den Streik der Paketzusteller haben viele Geschäfte ihre bestellten Waren nicht oder viel später erhalten." Für die nächsten Wochen und Monate ist Piana zuversichtlich: "Abgerechnet wird zum Schluss."

Dabei müsste bei vielen Kunden das Geld eigentlich locker sitzen. Der stabile Arbeitsmarkt und niedrige Zinsen brachten die Stimmung der Verbraucher den Marktforschern der GfK zufolge auf das höchste Niveau seit fast 15 Jahren. In den Innenstädten jedoch fehle mehr und mehr die Laufkundschaft, beklagt Jacobs. "Immer mehr Dinge, wie Bankgeschäfte oder Reisen buchen, kann man im Internet erledigen", begründet er. Der klassische Schaufensterbummel, bei dem die roten "Sale"-Schilder Kunden in die Läden locken, werde seltener.

Je länger die Schlussverkaufs-Aktionen werden, desto mehr müssen sich die Händler einfallen lassen. "Es ist sicherlich wenig hilfreich, von Anfang Juni bis Mitte August dasselbe Sale-Plakat ins Schaufenster zu hängen", warnt der BTE. Der Verband rät zu einer Art Spannungsbogen mit steigenden Rabatten. "Die Gefahr ist, dass sich der Kunde an den Sale gewöhnt", sagt Jacobs. Viele achteten nur noch darauf, ob die Jeans, der Bikini oder das Kleid reduziert seien - und weniger auf die Produktqualität. Doch Schlussverkauf muss nicht gleich Wühltisch sein. Auch Markenware und Hochpreisiges wird mit teils enormen Rabatten losgeschlagen. dpa/ri

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