Interview mit Isabel Schnabel Die Wirtschaftsweise fordert mehr Einsatz des Staates für Infrastruktur

Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel rät der Bundesregierung, mehr Geld für bessere Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Neue Schulden sollten dafür aber nicht aufgenommen werden. Mit Schnabel sprach GA-Korrespondent Hannes Koch.

 Lehrt in Mainz: Die Wirtschaftswissenschaftlerin Isabel Schnabel ist eine der "Fünf Weisen".

Lehrt in Mainz: Die Wirtschaftswissenschaftlerin Isabel Schnabel ist eine der "Fünf Weisen".

Foto: dpa

Um dem weiteren Nachlassen der Konjunktur entgegenzuwirken, hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein Investitionsprogramm von zehn Milliarden Euro ab 2016 angekündigt. Halten Sie das für eine sinnvolle und ausreichende Maßnahme?
Isabel Schnabel: Der Sachverständigenrat hält zusätzliche öffentliche Investitionen für sinnvoll und schlägt vor, diese durch eine veränderte Prioritätensetzung im Haushalt zu finanzieren. Insofern geht der Vorschlag von Schäuble genau in die richtige Richtung. Allerdings kommt das Programm erst 2016 und damit vielleicht etwas spät. Sinnvoll wäre es, die öffentlichen Investitionen schon früher zu erhöhen, auch dies dürfte bei Einhaltung der Schuldenbremse möglich sein.

Wofür müsste die öffentliche Hand in den kommenden Jahren welche zusätzlichen Summen aufwenden?
Schnabel: Ein besonders großer Bedarf besteht im Bereich der Infrastruktur - hier gab es in der Vergangenheit durchaus Versäumnisse. Auf jeden Fall sollte sichergestellt werden, dass die öffentlichen Investitionen die privaten nicht verdrängen. Die Investitionen sollten sich daher auf solche Bereiche konzentrieren, in denen Private nicht von allein tätig werden. Auch öffentliche Prestigeprojekte mit zweifelhafter Profitabilität sollten unterbleiben. Denn Investitionen sind kein Selbstzweck - sie müssen sich auch lohnen.

Sollte Deutschland mehr tun, um der Stagnation im Euroraum entgegenzuwirken - beispielsweise durch eine grundgesetzkonforme Neuverschuldung?
Schnabel: Wir sind der Meinung, dass die Regierung die derzeit bestehenden fiskalischen Spielräume nicht ausnutzen sollte, da diese auf vorübergehende Sonderfaktoren zurückgehen, beispielsweise auf die niedrigen Zinsen und die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die Hauptursache der Eurokrise war eine übermäßige Staatsverschuldung. Daher wäre es fatal, die Krise mit weiterer Verschuldung zu bekämpfen. Ganz im Gegenteil müssen wir Vertrauen in die vereinbarten Fiskalregeln schaffen - und dabei kommt Deutschland eine Vorbildfunktion zu.

Zur Person

Prof. Isabel Schnabel ist eines der fünf Mitglieder des Sachverständigenrates für Wirtschaft. Die Ökonomen beraten die Bundesregierung. Schnabel, Jahrgang 1971, lehrt und forscht an der Universität Mainz. Ihre Arbeitsgebiete sind unter anderem Finanzökonomie und Bankenregulierung.

Kritik der "Weisen"

Die "Wirtschaftsweisen" geben der schwarz-roten Koalition eine gehörige Mitschuld an der Konjunkturschwäche in Deutschland. Die Regierung verpulvere viel Geld für das teure Rentenpaket, verunsichere die Wirtschaft mit dem Mindestlohn und werde nun von der Realität eingeholt.

Denn für 2015 erwarten die Top-Regierungsberater in ihrem neuen Jahresgutachten nur noch ein Wachstum von einem Prozent. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Kritik zurück. Die SPD warf den Professoren vor, mit platten Botschaften Stimmung machen zu wollen. Die Sozialdemokraten spielen nun mit dem Gedanken, ob man die "Wirtschaftsweisen" nicht abschaffen sollte.

Der Chef des Sachverständigenrates, Christoph Schmidt, ermahnte Union und SPD, den Konjunkturdämpfer zu nutzen, um ihre Wirtschaftspolitik zu überdenken. "Eine Aufbruchstimmung hat die Koalition jedenfalls nicht erzeugt", heißt es in dem gut 400 Seiten langen Gutachten mit dem Titel "Mehr Vertrauen in Marktprozesse".

Merkel erklärte, die Regierung werde sich mit Empfehlungen der Experten "konstruktiv" auseinandersetzen. In Anspielung auf die Vorhaltungen beim Mindestlohn, der erst 2015 eingeführt wird, meinte sie aber: "Es ist nicht ganz trivial zu verstehen, wie ein Beschluss, der noch nicht in Kraft ist, jetzt schon eine konjunkturelle Dämpfung hervorrufen kann."

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