Forderung: leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge "Die Hürden für Flüchtlinge müssen weg"

BONN · Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt treibt die Unternehmen und die Agentur für Arbeit in der Region um. Spitzenvertreter forderten am Mittwoch im Gespräch mit dem General-Anzeiger einen schnelleren und leichteren Zugang der Flüchtlinge zu Jobs. Mit neuen Initiativen und zusätzlichem Personal will die Arbeitsagentur den Weg dafür freimachen, sieht aber ebenso wie Wirtschaftsvertreter rechtliche Hindernisse.

 Langzeitpraktika als Einstiegsqualifizierung: Asylbewerber Hamza Ahmed aus Somalia hat die Chance dazu bei einem Betrieb in Brandenburg bekommen.

Langzeitpraktika als Einstiegsqualifizierung: Asylbewerber Hamza Ahmed aus Somalia hat die Chance dazu bei einem Betrieb in Brandenburg bekommen.

Foto: dpa

"Wir müssen früher mit einer Deutschförderung beginnen, und brauchen einen schnellen Kompetenzcheck", sagte Jürgen Hindenberg, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg. Das Problem: Asylbewerber außer Kontingentflüchtlingen haben drei Monate Arbeitsverbot. Ohne Aufenthaltsgenehmigung stehen ihnen auch keine Integrationskurse zu.

"Das ist eine tickende Zeitbombe, denn wenn sich die Leute nicht integrieren können, gibt es große Probleme", sagte Hindenberg. Gesetzesänderungen seien nötig, "damit Fachkräfte trotz aussichtslosem Asylantrag bleiben können."

Die Unternehmen in der Region zeigten große Bereitschaft, Migranten einzustellen, vor allem in Mangelberufen wie Gesundheit, Ingenieurwesen und dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. "Voraussetzung sind aber Deutschkenntnisse. Die Hürden müssen weg." Hindenberg fordert, dass Asylbewerber nach abgeschlossener Ausbildung grundsätzlich zwei Jahre Bleiberecht bekommen sollten.

Berufliche Perspektiven bieten

"Unsere Aufgabe ist es, den Flüchtlingen frühzeitig eine berufliche Perspektive zu geben", betont Manfred Kusserow, stellvertretender Leiter der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg: "Die Menschen wollen arbeiten." Zwar könne die Arbeitsagentur auch Flüchtlingen, die unter das Beschäftigungsverbot fallen, Beratung anbieten.

Deutschkurse dürfe sie aber nicht finanzieren. "Da läuft viel ehrenamtlich und an den Volkshochschulen", lobt Kusserow. Auch den Berufsschulen komme eine wichtige Aufgabe zu. Die Landesregierung habe die Finanzierung von Basissprachkursen ab Oktober zugesagt. Dafür stünden in Bonn/Rhein-Sieg 80 Plätze zur Verfügung.

Beim Arbeitsamt und den Jobcentern in Bonn/Rhein-Sieg sind laut Kusserow knapp 4000 Asylbewerber und Asylberechtigte als arbeitssuchend gemeldet. Die Langzeit-Arbeitslosenquote unter den Asylberechtigten liegt in Bonn mit fast 13 Prozent allerdings deutlich über dem Landsschnitt. "Das hat historische Gründe", sagt Kusserow.

"Die überwiegende Zahl der Flüchtlinge hat keine hier verwertbare Ausbildung", räumt er ein. Aus Ländern wie Syrien und Afghanistan kämen aber teils hoch qualifizierte Fachkräfte, berichtet Ralf Schäfer, Migrationsbeauftragter des Jobcenters Bonn. "Diese Menschen suchen hier eine neue Heimat." Die mit Abstand meisten arbeitslosen Flüchtlinge kommen aus Syrien, gefolgt von Irak, Serbien und dem Kosovo.

Ganz am Anfang der Beratungen

Bei der Beratung der Flüchtlinge zu Jobperspektiven arbeitet die Arbeitsagentur mit Partnern wie Diakonie, Caritas und Flüchtlingshilfe zusammen. Hier stehe man noch am Anfang. Zwei Ansprechpartner für Flüchtlinge hat die Arbeitsagentur neu eingestellt. Mit weiteren Initiativen versucht die Arbeitsagentur, den Flüchtlingen den Weg zu ebnen.

Im Dezember startet eine Aktion "Perspektive für Flüchtlinge", bei der 50 Flüchtlinge Infos zu Jobchancen, Hilfe bei Bewerbungen und wenigstens "berufsbezogenen" Deutschunterricht erhalten sollen. Neu ist, dass Flüchtlinge auch ohne Aufenthaltsgenehmigung Langzeitpraktika in Betrieben machen können mit dem Ziel, dort anschließend eine Ausbildung zu starten.

Im Gegensatz zum Arbeitsmarkt steht der Ausbildungsmarkt grundsätzlich allen Flüchtlingen offen. Bei der Einstiegsqualifizierung über Langzeitpraktika gibt es allerdings wiederum das Hindernis, dass Deutschkurse nur für Kontingentflüchtlinge und solche mit Aufenthaltsberechtigung von der Arbeitsagentur bezahlt werden dürfen.

IHK-Geschäftsführer Hindenberg hat dafür wenig Verständnis. "Die Finanzierung von Sprachkursen muss neu geregelt werden", fordert er. Schließlich gebe es ein fertiges von der Bundesregierung erarbeitetes Programm, wie man Jugendliche aus dem EU-Ausland anwirbt und wie sie sprachlich fit gemacht werden. "Dieses Programm müsste nur auf die Flüchtlinge übertragen werden." Offenbar wolle aber niemand die Kosten übernehmen.

Kontakt für Flüchtlinge, Betreuer und Unternehmen: E-Mail: Bonn.berufschance@arbeitsagentur.de. Informationen zur Einstiegsqualifizierung (EQ/Langzeitpraktika) unter www.ihk-bonn.de

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