Oppenheim-Prozess Der verhängnisvolle Einstieg bei Arcandor in Middelhoffs Lesart

KÖLN · Diesmal war es dann doch nur noch ein Blitzlichtgewitterchen. Als Thomas Middelhoff gestern den Saal 210 im Kölner Landgericht betrat, zeigte er der Handvoll Fotografen standhaft ein strahlendes Lächeln. Und das hielt der ehemalige Chef des Warenhauskonzerns Arcandor auch den ganzen Tag durch - anders als Anfang Mai.

 Der frühere Arcandor-Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff am Donnerstag vor Gericht.

Der frühere Arcandor-Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff am Donnerstag vor Gericht.

Foto: dpa

Da hatte er im Untreue-Prozess um das Bankhaus Sal. Oppenheim noch die Aussage verweigert und sich von der Staatsanwaltschaft daraufhin als unverschämt bezeichnen lassen müssen. Nun gab es weit weniger Spektakel, dafür beantwortete Middelhoff brav alle Fragen von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigern.

Richterin Sabine Grobecker gab sich alle Mühe, jene Tage vor genau sechs Jahren zu rekonstruieren, in denen Arcandor zum ersten Mal kurz vor der Insolvenz stand. Denn auf jeden einzelnen Tag kommt es an: Vier ehemalige Bank-Manager und der Bauunternehmer Josef Esch sind der Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu angeklagt, weil Sal. Oppenheim damals noch 80 Millionen Euro direkt oder indirekt in den Konzern investierte, obwohl der schon in gewaltiger Schieflage war. Die Angeklagten argumentieren, sie hätten an einem Wochenende entscheiden müssen, ob sie sich stärker bei Arcandor engagieren oder das Risiko eingehen, für die Insolvenz des Unternehmens mitverantwortlich gemacht zu werden.

Middelhoff, immer wieder in seinem Kalender blätternd, lieferte nun einen stundengenauen Bericht über die Vorgänge. Er berichtete, dass ein erster Rettungsplan im September 2008 an der Royal Bank of Scotland gescheitert sei, die keine weiteren Kredite habe geben wollen. Der zweite Plan, der den Verkauf des profitablen Reiseunternehmens Thomas Cook beinhaltete, habe verworfen werden müssen, weil die Absichten bekanntgeworden seien und der Aktienkurs innerhalb kurzer Zeit um 26 Prozent gefallen sei.

Damit sei Ende September klar geworden, dass man die akute Finanzierungslücke von rund 400 Millionen Euro "aus Bordmitteln" schließen müsse. Dies sollte vor allem mit Hilfe von Gehaltsverzicht der Belegschaft, neuen Krediten von Dresdner Bank und BayernLB sowie einem Beitrag der Deutsche-Bank-Immobilientochter DB RREEF geschehen, sagte Middelhoff. Weil er sich aber nicht damit zufriedengeben wollte, nur diese eine Option zu besitzen, habe er sich am 24. September zunächst mit Esch und dann gemeinsam mit diesem auch mit dem Sal. Oppenheim-Gesellschafter Matthias Graf von Krockow getroffen. Krockow habe dabei eine Beteiligung der Bank an der Arcandor-Rettung in Aussicht gestellt.

Zwei Tage später entschied der Arcandor-Vorstand definitiv, dass der Verkauf von Thomas Cook angesichts der schwachen Börsenwerte nicht möglich sei. Das war Freitag, der 26. September. "Dann hat mich an dem Samstag morgens um 6.30 Herr Esch angerufen und gefragt: Jung, wie isset?", berichtete Middelhoff. Esch habe ja diese Art, und man duze sich oder habe das jedenfalls damals getan. Esch habe schließlich gesagt: "Wir stehen hinter Dir." Auf Grobeckers Frage, wer denn "wir" sei, sagte Middelhoff: "Das habe ich verstanden als die wesentlichen Player in der Bank. Aus damaliger Sicht gab es keinen großen Unterschied zwischen Herrn Esch und der Bank."

Nach Middelhoffs Darstellung war Krockow also zumindest drei Tage vor dem dramatischen Wochenende mit der aktuellen Lage bei Arcandor vertraut. Das Gericht wird befinden müssen, ob dies das Argument der Zeitnot entkräftet. Besser gefallen dürfte den Angeklagten Middelhoffs Einschätzung über die damalige Substanz von Arcandor. Er sei damals der Meinung gewesen und sei es bis heute, dass das Engagement für Sal. Oppenheim "ein lohnendes Geschäft hätte sein können". Die Staatsanwaltschaft dagegen meint, dass die Bank-Spitze bewusst ein viel zu hohes Risiko eingegangen sei und so den Tatbestand der Untreue erfüllt habe. Weil das Gericht noch Fragen hat, muss Middelhoff am 16. Oktober noch einmal erscheinen.

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