Rente mit 63 Der erste Ansturm ist vorbei

BONN · Seit einem Jahr gibt es die Rente mit 63. Die Branchen sind unterschiedlich stark betroffen, das Handwerk spürbar.

Ein Mann weißt eine Wand.

Ein Mann weißt eine Wand.

Foto: dpa

Knapp 14.000 Arbeitskräfte hat die Rente mit 63 nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Rheinland bisher in den vorzeitigen Ruhestand gelockt. "Am Anfang gab es einen großen Ansturm, doch inzwischen hat sich die Zahl der Anträge in unserem Gebiet, also im Großraum Köln/Bonn, auf 800 Anträge pro Monat eingependelt", berichtet Jochen Müller, Pressesprecher der Rentenversicherung.

Seit dem vergangenen Juli können Arbeitnehmer, die 45 Jahre gearbeitet haben, mit 63 Jahren abschlagsfrei in den Ruhestand gehen. Eine Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat ergeben, dass inzwischen elf Prozent der Betriebe von der Rente mit 63 betroffen sind, weil Mitarbeiter bereits ausgeschieden sind oder die Betriebe dies erwarten.

Dabei stellt sich die Situation je nach Branche allerdings ganz unterschiedlich dar. Während im Gastgewerbe weniger als fünf Prozent der Betriebe von der Frühverrentung in den nächsten drei Jahren betroffen sind, liegt der Anteil in der öffentlichen Verwaltung bei mehr als 30 Prozent. Bei der Bonner Stadtverwaltung gibt es in der Zeit von Juli 2014 bis Dezember 2015 114 neue Rentner.

Wie viele Mitarbeiter aufgrund der Neuregelung oder aufgrund bereits bestehender Rentenmöglichkeiten ausgeschieden sind, ist allerdings nicht bekannt. Probleme sieht die Stadtverwaltung nicht. "Die relativ geringe Zahl der Personen, die mit 63 Jahren in Rente gehen, führt nicht zu einem problematischen Fachkräfteverlust," erklärt Andrea Schulte vom Presseamt der Stadt.

Anders sieht es in der Metall- und Elektroindustrie aus. "Die Rente mit 63 war für viele unserer Betriebe ein plötzlicher Aderlass. Von einem zum anderen Tag sind viele Leistungsträger gegangen, so dass keine Zeit für die Einarbeitung der Nachfolger und die Weitergabe des Wissens blieb. Viele Betriebe haben sich in den letzten Jahren bemüht, ihre Fachkräfte länger zu binden. Die Rente mit 63 erschwert diese Bemühungen", kritisiert Dr. Ulrich Koch, Leiter der Abteilung Arbeitsrecht bei Kölnmetall, dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie.

Und auch das Handwerk kämpft mit den Folgen der Frühverrentung. "Die Rente mit 63 verschärft den Fachkräftemangel im Handwerk. Gerade in körperlich anstrengenden Handwerksberufen wie zum Beispiel auf dem Bau nutzen viele Mitarbeiter die Möglichkeit, frühzeitig in Rente zu gehen. Damit wird das demografisch bedingte Abschmelzen von Fachkräften noch beschleunigt. Und das ist für viele Handwerksbetriebe neben dem Nachwuchsmangel noch ein zusätzliches Problem," so Dirk Hecking von der Handwerkskammer zu Köln.

Während Verbände und Kammern die Folgen der Frühverrentung kritisieren, ist das Thema bei vielen Unternehmen der Region noch gar nicht angekommen. Gerade in kleineren Betrieben ist die Belegschaft oft noch zu jung. Oder es gibt noch keine Anfragen. "Bisher hat sich noch niemand gemeldet, der vorzeitig ausscheiden will", erklärt Ralf Stahl, Betriebsratsvorsitzender beim Chemieunternehmen Kuraray aus Troisdorf.

Auch bei der Evonik Industries AG, die am Standort Lülsdorf mit 500 Mitarbeitern Chemikalien produziert, sei die frühe Rente kein großes Thema, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Dirk Müller. Und beim Energieversorger Rhenag läuft seit Längerem ohnehin ein Altersteilzeitprogramm, das die Rente mit 63 überlagert.

Mit einer frühzeitigen Personalplanung und einem gleitenden Nachbesetzungsprozess will sich Rhenag damit für den demografischen Wandel wappnen. "Durch das Altersteilzeitprogramm entzieht sich Rhenag einem Personalwettbewerb, der sich mittelfristig aufgrund der Verrentungswelle der geburtenstarken Jahrgänge noch einmal deutlich verschärfen wird", so Detlev Albert, Leiter der Unternehmenskommunikation.

Und nach den Erfahrungen der IG Bergbau, Chemie, Energie ist das Thema Frühverrentung gerade in den Betrieben mit Schichtarbeit schon immer ein Thema. "In diesen Betreiben nehmen vielfach Kolleginnen und Kollegen möglichst frühzeitig den Gang in die Rente wahr. Dieses wird häufig über Altersteilzeitregelungen eingeleitet", berichtet Matthias Jakobs, stellvertretender Bezirksleiter des IG Bezirks Köln-Bonn.

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