Aufsichtsratschef äußert sich Bilfinger hält an Kochs Kurs fest

FRANKFURT · Roland Koch ist bei Bilfinger an seinem eigenen Ehrgeiz gescheitert. "Die Ziele, die er mit uns vereinbart hatte, sind mehrfach nicht erreicht worden. Dafür hat Herr Koch als Vorstandsvorsitzender die politische Konsequenz gezogen", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende des Mannheimer Bau- und Dienstleistungskonzerns, Bernhard Walter, am Dienstag vor Journalisten in Frankfurt.

 Nach rund drei Jahren ist Roland Koch seinen Job bei Bilfinger los. Zu seiner Zukunft hat er sich noch nicht geäußert.

Nach rund drei Jahren ist Roland Koch seinen Job bei Bilfinger los. Zu seiner Zukunft hat er sich noch nicht geäußert.

Foto: dpa

Die zweite Gewinnwarnung innerhalb weniger Wochen sei das "Tüpfelchen auf dem i" gewesen. Er habe daher am vergangenen Wochenende mit Koch und seinem Vorgänger und Nachfolger Herbert Bodner ausführliche Gespräche geführt, die zu einer einvernehmlichen Trennung geführt haben. Offiziell müsse dies auf Vorschlag der Anteilseigner morgen der gesamte Aufsichtsrat beschließen, betonte Walter.

Mehrfach erklärte Walter, dass er den von dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten eingeleiteten strategischen Kurs nach wie vor für richtig halte. "Der ganze Aufsichtsrat steht dahinter, und daher wird der Umbau zu mehr Dienstleistungen auch unverändert fortgeführt werden", sagte Walter.

Er räumte aber ein, dass der Aufsichtsrat die von Koch präsentierten Ziele von Anfang an für "sehr ambitioniert" gehalten hatte. Dennoch hält er die Entscheidung für den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten vor drei Jahren für richtig. Der Aufsichtsrat habe der Berufung einstimmig zugestimmt, und er sehe das "Experiment" des Wechsels vom Politiker in die Wirtschaft nicht als gescheitert an. "Ich würde mir sogar wünschen, dass es mehr Durchlässigkeit auf beiden Seiten gäbe", sagte Walter.

Über die Strategie habe es zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat keinen Dissens gegeben. Koch hatte am Vorabend erklärt, dass er feststellen musste, "dass wesentliche Teile des Aufsichtsrats und ich bei der Beurteilung der unmittelbaren nächsten notwendigen Maßnahmen nicht ausreichend übereinstimmen." Diese Einschätzung könne er nicht teilen, sagte dagegen Walter.

In Unternehmenskreisen wurde jedoch schon länger Kritik an dem Vorstandsvorsitzenden geübt. Zuletzt hatte Ende Juli der IG-Metall-Vorstand und bisherige Bilfinger-Aufsichtsrat Holger Timmer Koch gravierende Managementfehler vorgeworfen. "Koch hat zu viel auf einmal angepackt und dabei das System so unter Stress gesetzt, dass Fehler passieren", bemängelte Timmer, der bis Mai 2014 im Bilfinger-Aufsichtsrat saß. Als "Operation am offenen Herzen" bezeichnete der Gewerkschafter die laufenden Umstrukturierungen bei Bilfinger.

Die erste Aufgabe Bodners, der aus dem Aufsichtsrat vorübergehend zurück auf den Chefsessel wechselt, werde es sein, Ruhe in den Konzern zu bringen und Vertrauen nach innen und außen aufzubauen.

Sobald ein geeigneter Kandidat für den Vorstandsvorsitz gefunden ist, werde Bodner in den Aufsichtsrat zurückkehren. Koch hat sich zu seiner Zukunft noch nicht weiter geäußert.

Wie Ex-Politiker in der Wirtschaft landen

Berater, Aufsichtsrat, Verbandslobbyist: Etliche Toppolitiker zieht es in die Wirtschaft. Den Sprung ins Tagesgeschäft eines Unternehmens wagen jedoch nur wenige. An der Firmenspitze sind Ex-Politiker noch seltener zu finden - eine der Ausnahmen war Roland Koch. Der frühere hessische Ministerpräsident saß drei Jahre auf dem Chefsessel des Bau- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger. In Vorstandsetagen oder auf Geschäftsführerposten landeten auch:

  • Lothar Späth: Nach einer Affäre um offizielle, halboffizielle und private Reisen auf Kosten der Wirtschaft schaffte der damals dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands (Baden-Württemberg, 1978-1991) eine zweite Karriere bei Jenoptik. Bis 2003 leitete der heute 76-Jährige das Unternehmen und brachte es aus konkursreifen Teilen des DDR Zeiss-Kombinates zur Börsenreife. Bis 2007 war Späth im Aufsichtsrat und sah seine "Mission in Jena erfüllt". Ab 2005 wurde er im Alter von 67 Jahren für fünf Jahre Deutschland-Geschäftsführer der Investmentbank Merrill Lynch.
  • Bodo Hombach: Der gelernte Fernmeldehandwerker wurde über eine Gewerkschaftskarriere Landtagsmitglied in NRW und kurzzeitig NRW-Wirtschaftsminister. 1998 wurde er Chef des Bundeskanzleramtes, wechselte aber schon ein Jahr später als Balkan-Beauftragter nach Brüssel. Anfang 2002 übernahm Hombach als Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe einen Spitzenjob in der Verlagswirtschaft, den er rund zehn Jahre erfolgreich ausübte.
  • Werner Müller ist sozusagen Doppelwechsler: Der Ex-Energiemanager bei RWE und Veba wurde 1998 überraschend Bundeswirtschaftsminister und verhandelte den Atomausstieg. Schon 2002 schied Müller wieder aus der Politik aus und übernahm 2003 den Chefposten bei der RAG. Er baute die RAG komplett um, verkaufte oder schloss zahlreiche Teilunternehmen und stellte die Weichen für den sozialverträglichen Kohleausstieg und die Gründung des RAG-Folgekonzerns Evonik.
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