Kurs des Gesangvereins Adendorf Workshop für Menschen, die nicht singen können

Wachtberg · Jeder kann singen. Oder doch nicht? Bei einem Workshop des Gesangvereins Adendorf singen 40 Teilnehmer zusammen mit Chorleiter Alfons Gehlen. Sie alle sagen über sich, dass sie nicht singen können.

 Gespräche unter den Teilnehmern ergeben sich schnell. Singen oder eben auch das Nicht-Singenkönnen schweißt zusammen.

Gespräche unter den Teilnehmern ergeben sich schnell. Singen oder eben auch das Nicht-Singenkönnen schweißt zusammen.

Foto: Susanne Wächter

„Ich kann nicht singen“, behauptet Heike Rudorf Teilnehmerin des zweiten Workshops „Ich kann nicht singen“ im Schützenhaus in Adendorf.

Knapp 40 Männer und Frauen sind gekommen. Sie alle eint ihre subjektive Einschätzung, nicht singen zu können. Charly, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, hat noch nie wirklich in der Öffentlichkeit mit anderen zusammen gesungen. „Nur mit meinem Enkel“, sagt er. „Und der behauptet, ich kann nicht singen“, gibt der Rentner offen zu.

Mit dieser Denkweise steht er nicht allein da, wie der ausgebuchte Workshop des Gesangsvereins Adendorf zeigt. Nach und nach füllen sich die mit Notenblättern bestückten Sitzplätze, die sich alle um ein elektronisches Klavier reihen. Die meisten Teilnehmer kennen sich nicht, kommen aber schnell ins Gespräch. Singen verbindet eben, nicht singen zu können offenbar auch.

Viel Theorie, ein paar Gesangsübungen und ein Lied

Chorleiter Alfons Gehlen erklärt, worum es in den nächsten vier Stunden geht. Viel Theorie, ein paar Gesangsübungen und ein Lied. Jeder kennt es, jeder hat es vielleicht auch schon mal unter der Dusche oder im Auto lauthals mitgesungen: „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg steht in dicken Buchstaben über den Notenblättern, die Grundlage für die Einführung in die Bedeutung von Noten, Schlüsseln und Takten bilden.

Angestrengt blicken alle auf ihr Notenblatt, die meisten ohne Ahnung, was dort steht. „Es ist wie eine Sprache“, erklärt Gehlen, der die Fragezeichen in den Köpfen seiner Schüler zu sehen scheint. „Sie müssen hier heute keine Noten lesen, wir machen auch anschließend keinen Test“, sagt er lächelnd und ein erleichterndes Räuspern wandert durch die Stuhlreihen.

Als er ein kurzes „Te“ anstimmt und dies immer länger zieht und sich wie „Teeeee“ anhört, macht er hörbar, was er zuvor auf der Tafel notiert hat und den Sinn des Taktes erklärt.

Drei Punkte stehen auf dem Programm. Die Teilnehmer lernen, wie ein Notenblatt aufgebaut ist, wie die Noten darauf angeordnet werden und was Notenschlüssel, Wiederholungszeichen und kleine Häkchen an den Noten bedeuten. Genau das hatte sich Anja Glaßl erhofft. Gesungen hat sie schon häufiger. Meist im eigenen Auto, wo niemand sie hören kann, wie sie zugibt. „Singen kann ich nicht“, sagt sie und schiebt gleich hinterher: „Ich möchte aber auch ein bisschen was über die Noten lernen, über die Hintergründe und erhoffe mir natürlich, dass ich auch gesanglich was mitnehme von diesem Tag.“

Und Gehlen? Der erhofft sich von diesem Tag, dass ein paar Leute Spaß entwickeln und sich vielleicht seinem Chor anschließen. Denn singen könne schließlich fast jeder. Nach dem ersten Workshop hätten sich ein paar Teilnehmer seinem Chor angeschlossen. Die konnte er offenbar davon überzeugen, dass es gar nicht so schwer ist, den richtigen Ton zu treffen, wenn man ein wenig Übung hineinsteckt. Denn die häufigste Ausrede, nicht in einem Chor singen zu wollen: „Ich kann nicht singen“.

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