Baumkontrolle in der Gemeinde Wachtberg hält Trauerweiden im Blick

Wachtberg · Die Gemeinde kontrolliert Bäume mithilfe einer neuen Software auf befallene Äste. Richtlinien definieren, wie oft und wo die Verwaltung prüfen muss.

 Jeder Baum wird mit einer individuellen laufenden Nummer versehen.

Jeder Baum wird mit einer individuellen laufenden Nummer versehen.

Foto: Petra Reuter

Am 1. Juni 1938 wurde der berühmte Literat Ödön von Horváth auf der Champs-Élysées in Paris von einem herabfallenden Ast erschlagen. Just an dem Tag, an dem er erste Gespräche zur Verfilmung eines seiner Werke geführt hatte. Damit keinem Wachtberger ein ähnlich tragisches Schicksal ereilt, unterstützt nun die Software „ISIman“ die Gemeinde im Rahmen der Verkehrssicherheit bei der vollständigen Erfassung und Einschätzung des Baumbestands.

Regelmäßige Kontrollen

Zwei Mal im Jahr rücken Fachleute aus und nehmen jeden Baum genau unter die Lupe. Ein Mal soll die Baumschau im Winter, also ohne Laub erfolgen, ein Mal mit Blätterdach. In einer Liste hält der Kontrolleur die Baumart, Alter und die Maße wie Höhe, Stammdurchmesser und Kronendurchmesser fest. Zudem wirft er ein Auge auf die Baumscheibe, die ausreichend groß und in ihrer Beschaffenheit für den darin wachsenden Baum geeignet sein muss. Schließlich werden dem Standort die genauen Koordinaten zugeordnet, um im Falle eines Falles keine Zeit mit der Suche nach dem schadhaften Gewächs zu vergeuden.

Bis zur Mitte des Jahres hat die Gemeinde bereits rund 3250 Bäume im allgemein guten bis befriedigenden Zustand aufgenommen. Ein hoher Anteil der Gehölze besteht aus Jungbäumen bis zu einem Alter von 15 Jahren und solchen in der Reifephase, die bereits 50 bis 80 Jahre alt sind. Den geringeren Anteil machen Bäume in der Alterungsphase bis zu hundert Jahren und Altbäume aus, die zwischen 100 und 150 Jahren an ihrem Platz stehen. Die Kontrolleure bewerten nach dem Schulnotensystem und teilen eventuellen Handlungsbedarf in Prioritätenstufen ein. Wenn der Baum oder seine Äste zur Gefahr für die Allgemeinheit werden könnten, rückt er auf der Prioritätenliste ganz nach oben. Hier würden so zügig wie möglich die betreffenden Äste abgeschnitten, im schlimmsten Fall müsste der Baum ganz gefällt werden müssen.

Aber nicht jeder, der bei einer Stadt oder Gemeinde seinen Dienst tut, darf auch die Bäume kontrollieren. Ausschließlich Fachleute wie Fachagrarwirte mit dem Schwerpunkt Baumpflege oder Baumsanierung, staatlich geprüfte Baumpfleger, von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) zertifizierte Baumkontrolleure und weitere durch Zertifikat ausgewiesene Fachleute können ihre Einschätzung abgeben.

Die Grundlage für die Überprüfung hat die FLL geschaffen. Die „Richtlinien für Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen“, kurz „Baumkontrollrichtlinien“ geben vor, was, wann, wo und wie oft überprüft werden muss, um eine sinnvolle Verkehrssicherung zu gewährleisten. In den Geltungsbereich der Richtlinien fallen vor allem Bäume an Standorten mit Personenverkehr: Alleebäume, Bäume auf öffentlichen Plätzen, Schulhöfen und an Spiel- und Sportanlagen stehen hier ebenso im Fokus wie jene auf Friedhöfen, in Kindertagesstätten, Grünanlagen oder Sport- und Erholungsstätten.

Außer dem Weg zur richtigen Erfassung und Sicherung enthält das Regelwerk Vorgaben zu außerplanmäßigen Kontrollen. So müssen nach starken Stürmen viele Bäume erneut unter die Lupe genommen werden, um drohenden Astbruch zu erkennen. Trotz des guten Systems sind Hinweise aus der Bevölkerung nach wie vor willkommen, so eine Sprecherin der Gemeinde. Denn man könne die Augen nicht überall haben.

Im Vorjahr hatte eine Spaziergängerin eine solche Gefahr gemeldet. Die Trauerweide an der Kreuzung der Straße nach Klein-Villip mit dem Wirtschaftsweg zwischen Adendorf und Arzdorf hatte bei einem Sturm gelitten. Sie gab infolge der heftigen Sturmböen bereits bei leise streichendem Wind Besorgnis erregende Geräusche von sich. Eine außerplanmäßige Kontrolle bestätigte viele Astschäden, man entschloss sich zu einer Radikalkur.

Weide erholte sich

Schadhafte Äste wurden abgesägt und der Baum bis auf die dicksten Äste augenscheinlich kahl geschnitten. Viele Spaziergänger hatten diesen Platz häufig und gerne für eine Rast genutzt und befürchteten seinerzeit das Absterben des Baums. Um so größer war die Freude, als die Natur sich im Frühjahr durchsetzte und der Baum so gut austrieb, dass er in diesem Jahr wieder eine sattgrüne Krone trägt. Nichtsdestotrotz gehöre der große Schattenspender nach Auskunft der Gemeinde zu jenen Gehölzen, die künftig nach einem Sturm kontrolliert werden.

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