Wachtberger Geschichte Vom Hahneköppen, Beiern und Mailehenversteigerung

Wachtberg-Niederbachem · Frank Hüllen berichtet bei den „Bachemer Gesprächen“ von alten Sitten und Bräuchen im Drachenfelser Ländchen. Es entstand ein buntes Bild des rheinischen Brauchtums.

 Die "Pössemer Möhne" Mitte der 1950er Jahre

Die "Pössemer Möhne" Mitte der 1950er Jahre

Foto: Privat

Ein bisschen war es „wie eine Detektivarbeit, sich mit alten Sitten und Bräuchen im Drachenfelser Ländchen zu befassen“, sagte Frank Hüllen bei den „Bachemer Gesprächen“ im Henseler Hof, die dem Heimatverein Niederbachem als Veranstalter ein volles Haus bescherten. „Frank Hüllen ist ein Niederbachemer Kind und ein Experte für Wachtberger Geschichten“, meinte Walter Töpner, zweiter Vorsitzender des Niederbachemer Heimatvereins bei seiner Begrüßung – und Hüllen enttäuschte sein Publikum nicht.

In einer Kombination aus Lesung, der Präsentation alter Fotos und Erinnerungen alt eingesessener Wachtberger entstand am Dienstagabend ein buntes Bild rheinischen Brauchtums im 20. Jahrhundert: Zacheiesverbrennung, Hahneköppen, Beiern – die Besucher erwartete ein Sammelsurium alter Traditionen. „Rheinisches Brauchtum ist nämlich viel mehr als Karneval und Martinsumzug“, sagte Hüllen.

Zum Einstieg erzählte er vom einstigen Alltagsleben in Wachtberg, wo die Kirche eine dominierende Rolle einnahm und das Wirtshaus für Viele der Lebensmittelpunkt war. „Es wurde eben viel blau gemacht und gezecht“, so Hüllen, der mit diesem Satz die Lacher auf seiner Seite hatte. „Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde der Tagesablauf in der heutigen Gemeinde Wachtberg vom Rhythmus der Landwirtschaft bestimmt. Zwar gab es mit den Töpfereien in Adendorf, den Treppenbauern in Fritzdorf, den Steinbruch- und Bergbaubetrieben in Berkum und Oberbachem sowie den Krautfabriken in Niederbachem bescheidene industrielle Ansätze.“

Dennoch: „Freizeit war ein rares Gut. Im Sommer trafen sich die Männer vor den Häusern, im Winter ging man abends noch zum Nachbarn, um zu ,plänen'. Aus Werthhoven wird berichtet, dass die Männer abends beim Schuster Weber saßen und erzählten. Reibekuchen wurden in Öl gebacken und Schnaps getrunken.“

Der Monat Mai gehörte den Junggesellen, die Ende des 19. Jahrhunderts einen regelrechten Gründungsboom erlebten.Erklärter Zweck dieser Vereine war insbesondere die Pflege der Maiversteigerung, der so genannten „Mailehen“. Den Brauch, unverheiratete Frauen als „Mailehen“ an die Junggesellen des Ortes zu übertragen, gibt es seit mindestens 400 Jahren, so Hüllen, „und nicht immer zur Freude der Obrigkeit, wie zahlreich erhaltene Verordnungen belegen.“

Unappetitlich ging es beim so genannten „Hahneköppen“ zu, einem einst weit verbreiteten Kirmesbrauch im Rheinland. „Traditionellerweise begann das Hahneköppen damit, dass dem zu köpfenden Hahn feierlich der ,Prozess' gemacht wurde. Der zu diesem Zweck beschaffte Delinquent, meist ein altersschwaches Zuchttier, war etliche Stunden zuvor betäubt und dann mittels eines sauberen Stichs durch die Halsschlagader getötet worden. In Werthhoven sei es üblich gewesen, ausschließlich gestohlene Hähne zu ,köppen', so Hüllen.

Fester Bestandteil des Fronleichnamsfestes war früher das „Beiern.“ „Dabei handelt es sich um eine besonders festliche Form des Glockengeläuts, die ehemals im Rheinland weit verbreitet war. Das Prinzip des Beierns ähnelt dem des Glockenspiels: Zunächst werden die Glocken in ihren Achsen arretiert, anschließend zieht man die Klöppel nah an den Glockenrand und bindet sie dort mit einem Seil fest, dessen anderes Ende straff am Gebälk des Glockenstuhls befestigt wird. Durch Ziehen und Schlagen auf die Seile können nun die Glocken im Wechsel angeschlagen werden und es entstehen Melodien.“

Apropos: Besonders stolz ist Hüllen über alte Musiknoten zu verschiedenen Bräuchen, die er in seinem Buch „Sitten und Bräuche in der Gemeinde Wachtberg“ ebenfalls veröffentlicht hat.

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