Informationstag in Niederbachem Verrohrung des Mehlemer Bachs "war falsch"

WACHTBERG · Das Länderspiel Deutschland gegen Argentinien bei der Fußballweltmeisterschaft wird vielen Wachtberger Bürgern unvergesslich bleiben. Nicht nur, weil die deutsche Mannschaft vor fünf Jahren Messi & Co mit 4:0 besiegte, sondern vor allem weil an jenem 3. Juli 2010 auch ein für viele bis dato ungekannter Starkregen niederging.

 Den neuen Gerätewagen, der bei Unwetter zum Einsatz kommen soll, demonstrieren Renate Offergeld (l.) und Wehrleiter Markus Zettelmeyer (r.) Bonns OB Jürgen Nimptsch.

Den neuen Gerätewagen, der bei Unwetter zum Einsatz kommen soll, demonstrieren Renate Offergeld (l.) und Wehrleiter Markus Zettelmeyer (r.) Bonns OB Jürgen Nimptsch.

Foto: Axel Vogel

"Ein Jahrtausendereignis", so Bürgermeisterin Renate Offergeld entlud sich über der Region und vor allem über dem Drachenfelser Ländchen. Um an dieses Unwetter vor fünf Jahren und seine Folgen zu erinnern, aber auch um darzulegen, was seitdem an Hochwasserschutz unternommen wurde, hatte die Gemeinde am Freitagabend eingeladen: zu einer breit gefächerten Informationsveranstaltung ins neue Pfarrheim Haus Sankt Gereon in Niederbachem.

Neben Ausstellern wie der Wachtberger Feuerwehr, die Geräte in Gestalt des neuen, 240 000 Euro teuren Gerätewagens "Unwetter" präsentierten (der General-Anzeiger berichtete), standen vor allem Fachvorträge auf dem Programm. Ein Gast stand am Freitag besonders im Rampenlicht: Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. Schließlich hatte das Unwetter am 3. Juli 2010 auch im Bonner Ortsteil Mehlem große Schäden angerichtet. "Es war tief bewegend", so der OB, "was wir damals erleben mussten. Das gebietet zum Lernen!"

Bonn hatte damals laut Jürgen Nimptsch reagiert, und zwar nicht nur mit Einzelmaßnahmen. Vielmehr habe man den Blick auch über die Stadtgrenzen gerichtet. Heraus kam eine Art konzertierter Aktion zwischen Bonn und Wachtberg, Bundesstadt und Gemeinde schlossen sich zu einer Hochwasserpartnerschaft "Mehlemer Bach" zusammen. Ziel war es, Präventivmaßnahmen für die benachbarten Ortsteile Mehlem und Niederbachem abzustimmen. Aus Sicht des Oberbürgermeisters wurde das zu einer "beispielhaften Zusammenarbeit", die half, Gefahren zu mindern. Auch betonte Nimptsch, dass Bonn weiterhin in diese Partnerschaft investiere: Demnach will Bonn ab Herbst über acht Millionen Euro verbauen. Auch für die Zukunft nahm Jürgen Nimptsch ausdrücklich die Städte und Gemeinden in die Pflicht, wie er auch an die Eigenvorsorge der Bürger appellierte. Allein auf die Erfüllung der Klimaziele zu setzen, wäre "fahrlässig", betonte er, "wir müssen selber etwas tun".

Daran, dass Hochwasserschutz auch lange vor dem 3. Juli 2010 eine Rolle gespielt hat, erinnerte Werner Baur, der ehemalige Abteilungsleiter für den Bereich Abwasser/Gewässer im Tiefbauamt der Stadt Bonn. Baur ließ seine Amtszeit und 26 Jahre Kanal- und Wasserbau Revue passieren, verwies etwa auf einen seinerzeit bereits eigens für den Mehlemer Bach aufgelegten Bachentwicklungsplan. Auch sei er nicht müde geworden zu fordern, einen 15 Meter breiten Uferstreifen von der Bebauung frei zu halten. "Das hat aber bei weitem nicht geklappt", resümierte er. Aus seiner Sicht eine "Todsünde von Stadtplanung und Investoren". Ein weiterer Meilenstein in Sachen Hochwasserschutz: das Abwasserbeseitigungskonzept aus dem Jahr 1991. Gemäß des Konzeptes wurden nach Aussage von Fachmann Baur die Kanalauslässe in den Mehlemer Bach aufgehoben und dafür in den Rhein eingeleitet.

Ob alle in Vergangenheit am Mehlemer Bach durchgeführten Maßnahmen sinnvoll waren, hinterfragte Werner Baur allerdings kritisch. So vor allem dessen Verrohrung. Ähnliche Schadensbilder von Überschwemmungen vor und nach der Verrohrung hatten ihn in dem Urteil bestärkt: "Die Maßnahme war falsch!" Die dafür Verantwortlichen kannten aus seiner Sicht offensichtlich "kein Hochwasser". Ihnen sei es vorrangig schlicht und ergreifend darum gegangen, "stinkende Abwässer unter die Erde zu verlegen".

Kleiner Rückblick

Im Jahr 1904, andere Quellen sprechen von 1910, wurde die teilweise Verrohrung des Mehlemer Baches umgesetzt. Insgesamt 328 Meter lang ist die Röhre. Hoffnungen, damit bliebe der Ort von Überschwemmungen verschont, erfüllten sich nicht: 1931 trat der Bach nach einem Unwetter erneut über die Ufer. Besonders verheerend waren die Schäden nach dem Jahrhundertunwetter am 3. Juli 2010: Zahlreiche Keller rund um die Mainzer Straße standen unter Wasser. Zudem war am Einlauf des Mehlemer Baches in den Rhein plus ein großes Stück Uferböschung abgerutscht. Ein großer Krater blieb zurück, der aufwendig verfüllt werden musste. Auch nach Starkregenfällen am 20. Juni 2013 standen in Mehlem erneut einige Straßen unter Wasser.

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