Unwetterschutz in Wachtberg Uni-Professor nimmt Landwirte in die Pflicht

Werthhoven · Der Trierer Uni-Professor und Bodenkundler Dietmar Schröder fordert beim Unwetterschutz ein Umdenken. Er will vor allem Landwirte in die Pflicht nehmen.

 Der Experte für Bodenkunde rät unter anderem, Unwetterfluten direkt auf den Feldern rund um Werthhoven abzufangen, statt die Wassermassen aufwendig abzuleiten.

Der Experte für Bodenkunde rät unter anderem, Unwetterfluten direkt auf den Feldern rund um Werthhoven abzufangen, statt die Wassermassen aufwendig abzuleiten.

Foto: Axel Vogel

In Werthhoven treibt die Gemeinde eine ihrer bislang größten Unwetterschutzmaßnahmen voran. Wie berichtet wird im Bereich Zum Rheintal nicht nur ein neuer Kanal verlegt, der das Regenwasser in Richtung Mehlemer Bach abführen soll. Auch das Straßenprofil wird verändert, damit Regenwasser oberirdisch in Richtung der Kreisstraße abfließen kann. Alles schön und gut, sagt Dietmar Schröder aus dem benachbarten Oedingen. Er würde es allerdings für effizienter halten, „wenn der Niederschlag bestmöglich am Ort des Aufpralls zurückgehalten und nicht dem nächsten Leidtragenden zugeführt wird“.

Da Land- und Forstwirtschaft mehr als 80 Prozent der Gesamtfläche bewirtschaften, seien vor allem sie gefordert, diese Rückhaltung zu organisieren. Schröders Meinung hat Gewicht: Der Mann ist nicht nur Landwirt in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch emeritierter Professor für Bodenkunde an der Universität Trier.

Gerade vor dem Hintergrund der sogenannten Jahrhundertunwetter 2010, 2013 und 2016 kritisiert Schröder: „Die bisher vorgenommenen, überwiegend öffentlich geförderten Aktivitäten beziehen sich vornehmlich auf den technischen Schutz von Objekten, der oftmals extrem kostenträchtig und ineffizient ist“, so der Fachmann. Auch im Falle der aktuell durchgeführten Unwetterschutzmaßnahme in Werthhoven werde das Problem nicht an der Wurzel gepackt: „Nicht Durchleitung, sondern Rückhaltung muss die höchste Priorität haben“, fordert der Bodenkundler.

Mehr Gewicht auf Agrarflächen

Rückhaltung in Siedlungs- und sonstigen Nichtagrarflächen sowie technischer Objektschutz seien ebenfalls erforderlich: „Da dort aber nur rund 20 Prozent des Niederschlags fallen, haben diese Flächen trotz teilweiser Versiegelung für die Starkregenproblematik eine nachrangige Bedeutung“, sagt er. Schröders Kernthese lautet: „Das Schwergewicht aller Bemühungen muss auf die Rückhaltung im Agrarbereich verlagert werden.“ Ihm ist klar, dass dies einen Paradigmenwechsel erfordert, denn bisher liege das Hauptaugenmerk auf Siedlungsflächen.

So ist es aus seiner Sicht zu erklären, dass nicht nur in Werthhoven für Millionen Euro ein Starkregenabfluss gebaut wird, sondern auch in Mehlem ein ähnliches System. Nach seinem Dafürhalten sind das falsche Prioritäten. „Der Schäden verursachende Abfluss stammt aber größtenteils von Acker- und Obstbauflächen und hätte auch dort überwiegend zu einem Bruchteil der Kosten zurückgehalten werden können und müssen.“

Der Wissenschaftler schlägt vor, im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) festzulegen, „dass jeder Eigentümer von großen Flächen in gefährdeten Gebieten, die keine natürliche Vegetation tragen, sondern abflussverstärkend genutzt werden, den verstärkten Abfluss bestmöglich zurückhalten muss“. Dazu gehört nach Ansicht von Dietmar Schröder auch, dass in Erosionslagen wie rund um Werthhoven Landwirte ihre Flächen „quer zum Hang“ bewirtschaften sollten. Vor allem dann, wenn erosions- und abflussfördernde Kulturen wie Mais, Rüben, Erdbeeren, Obst angebaut würden. Dem Wissenschaftler ist klar, dass dafür Landwirte teils stärker in die Pflicht genommen werden müssen. Maßnahmen, „die vornehmlich zum Nutzen der Gesellschaft geschehen“, will er darum großzügig entgelten, denn sie sind ein 'Win-Win-Deal'“.

Ausufere Bebauung ist nachteilig für Umweltschutz

Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW in Köln, kennt Schröders Thesen. Rüb sagt denn auch: „Man muss in dem Zusammenhang sicherlich über einiges sprechen.“ So habe beispielsweise der Folienanbau rund um Werthhoven erkennbar zugenommen. Allerdings weist Rüb auch darauf hin, dass die Landwirte „nicht alles auffangen können, was klimatisch aus dem Ruder läuft, beziehungsweise was andere falsch gemacht haben“. Denn nicht nur das Klima habe sich durch Starkregenereignisse sowie Hitzeperioden derart geändert, „dass es für die Landwirte kaum noch planbar ist, welcher Anbau einen Ertrag sichert“. Zudem habe eine immer weiter ausufernde Bebauung zu einer nachteiligen Entwicklung in Sachen Unwetterschutz geführt: „In NRW werden täglich rund zehn Hektar Fläche versiegelt.“

Dass die Erosion von landwirtschaftlich genutzten Böden gerade in Hanglagen zu einem Problem geworden ist, will Bernhard Rüb nicht bestreiten: „Wir betreiben in Bornheim gerade ein Projekt zur Erosionsvermeidung, bei dem eine Beraterin Landwirten Tipps gibt.“ Dazu gehöre auch das von Schröder angesprochene „Querpflügen“. Natürlich wäre es zu begrüßen, wenn Landwirte in Hanglagen wie in Werthhoven statt Mais anbauen ihre Flächen begrünen würden, um dort Kühe weiden zu lassen. „Aber die Bedingungen in der Landwirtschaft haben sich halt auch verändert“, betont er: „Die Bauern müssen etwas anbauen, was sich heute für sie lohnt.“

„Die Strategie der Gemeinde Wachtberg besteht aus einem Maßnahmenmix, unter anderem durch eine erhöhte Sicherheit der Abflusssituation bei gleichzeitiger Rückhaltung durch Retentionsräume in den Gerinnen“, teilt der Beigeordnete Swen Christian auf GA-Anfrage mit. So koste die Maßnahme in Werthhoven rund 2,5 Millionen Euro. Die Gemeinde setzt auch auf Eigenvorsorge, vor allem auch mit den Landwirten. Da gehe es dann etwa um Pflugrichtung, die Positionierung der Folientunnel und einiges mehr.

Christian sieht allerdings Risiken, wenn zahlreiche große Rückhalten im freien Feld gebaut würden: Die könnten bei Versagen viel größere Schäden anrichten und so ein falsches Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung wecken. Auch die Kosten seien schwer kalkulierbar, zumal auch Grunderwerb erfolgen müsse. Der Beigeordnete gibt zu Bedenken, dass die Anlagen die Landschaft sehr verändern würden.

Weitere Infos zu dem Thema gibt es auf www.stmelf.bayern.de.

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