Eine Fahrt in die Vergangenheit Historischer Verein der Stadtwerke erwirbt alten Triebwagen

Bonn/Wachtberg · Der Historische Verein Stadtwerke Bonn hat einen Triebwagen aus dem Jahr 1905 erworben und will ihn zu einem Schmuckstück restaurieren. Der Wagen erinnert an die Zeit alter Postkarten und historischer Filme.

 War die Wagen voll besetzt, klappte der Schaffner das Schild herunter, wie Thomas Nehiba demonstriert.

War die Wagen voll besetzt, klappte der Schaffner das Schild herunter, wie Thomas Nehiba demonstriert.

Foto: Sabrina Bauer

Eine digitale Anzeige der Haltestellen, einen Ticketautomaten oder gepolsterte Sitze? Alles Dinge, die man im Triebwagen Nummer 13 vergeblich sucht. Stattdessen standen im Fahrgastraum lediglich zwei gegenüberliegende Sitzbänke, über kleine Kippfenster konnten die Passagiere Frischluft in den Waggon lassen, während der Fahrer bei Wind und Regen im Freien stehen musste. Genauso sah Straßenbahnfahren Anfang des 20. Jahrhunderts aus. „Wagen Nummer 13 ist unser Highlight“, sagt Thomas Nehiba, Erster Vorsitzender des Historischen Vereins der Stadtwerke Bonn.

Der Verein hat die mehr als 110 Jahre alte Straßenbahn von den Stadtwerken erworben und will den Wagen nun aufarbeiten. Anfang Juli wurde der Wagen vom Betriebshof Dransdorf in eine Halle des Vereins nach Birresdorf gebracht. Nach seinem Dornröschenschlaf auf verschiedenen Abstellgleisen und in diversen Hallen musste der historische Triebwagen, Baujahr 1905, zunächst von Ruß und Staub befreit werden, wie Nehiba erzählt. Die handgemalte Aufschrift „Bahnen der Stadt Bonn“ mit dem Stadtwappen leuchtet mittlerweile wieder auf den Seitenflächen des Waggons.

Ihren regulären Liniendienst hatte die Bahn Ende der 1950er Jahre einstellen müssen. Eine gesetzliche Verordnung verbot ab diesem Zeitpunkt den Betrieb von Straßenbahnwagen mit Holzaufbau. Einige Fahrzeuge wurden zu Werbewagen umfunktioniert. Triebwagen 13 sollte für einen anderen Zweck eingesetzt werden.

Zurückversetzt in eine Zeit alter Postkarten und historischer Filme

Mitarbeiter der Stadtwerke versetztem den Wagen wieder in den Urzustand von 1906 zurück – so wie der Wagen das erste Mal über die Gleise rollte. „Wagen 13 wurde nur noch bei besonderen Anlässen als Museumswagen eingesetzt“, so Nehiba, der seit 29 Jahren bei den Stadtwerken tätig ist. Mit dem Wagen 13 verbindet der Berkumer eine besondere Erinnerung. Als 13-Jähriger stand er bereits in der Fahrerkabine – genau dort, wo er heute die Funktionsweise der Lenkung erklärt. Sein Onkel hatte ihn zum Tag der offenen Tür mitgenommen.

Beim Gang durch den schmalen Fahrgastraum fühlt man sich in eine Zeit versetzt, die man nur von alten Postkarten oder aus historischen Filmen kennt. 20 Fahrgäste konnte im Inneren Platz nehmen. Eine Fahrkarte kostete damals 20 Reichspfennig. Gelöst wurde sie noch beim Schaffner. „Das war nur für wohlhabende Leute“, erzählt Nehiba. Vornehmlich nahmen auf den hölzernen Sitzbänken daher Direktoren oder Geschäftsleute Platz. War die Bahn voll besetzt, klappte der Schaffner das Schild „besetzt“ am Dach des Wagens herab. Nehiba streckt den Arm aus und drückt das Metallschild herunter – nach mehr als 100 Jahren sind viele Teile noch funktionstüchtig.

Die ersten elektrischen Bahnen fuhren 1902 durch Bonn. Bis dahin waren Pferdewagen das öffentliche Verkehrsmittel. Damals führte Linie A vom Beueler Bahnhof bis zum Bonner Hauptbahnhof. Linie B verband den Marktplatz mit Poppelsdorf. Vollgestopfte Straßen wie heute gehörten zu dieser Zeit noch nicht zum Stadtbild. Man sah kaum Automobile, die Bonner waren stattdessen mit einem Handkarren unterwegs, um Lasten zu transportieren. „Nur wenige konnten sich ein Fahrrad leisten“, so Nehiba.

Spuren der Überwinterung

Wagen Nummer 13 stammt aus der zweiten Lieferreihe, die die „Eisenbahnwagen und Maschinenfabrik Van der Zypen und Charlier“ in Köln-Deutz herstellte. Eine eiserne Plakette erinnert im Fahrgastraum an die Produktionsfirma. Rund 50 Jahre war der Triebwagen nach seiner Fertigstellung regulär im Einsatz. Als Museumswagen fuhr er 1972 zum letzten Mal im Rahmen des Tags der offenen Tür der Stadtwerke.

Danach ging es aufs Abstellgleis, einen Winter musste der Wagen sogar im Freien stehen – die Spuren dieser Überwinterung sind noch deutlich zu erkennen. „Wir wollen das Fahrzeug für die Zukunft erhalten“, sagt Nehiba. Mit Spendengeldern soll das Fahrzeug restauriert werden. So müsse die Lackierung erneuert werden. Aber fahren wird Wagen Nummer 13 nicht mehr. Beim Tag der offenen Tür des Vereins soll der Wagen auch für Besucher zugänglich gemacht werden.

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