„Wachtberger Treff“ des General-Anzeigers Experten geben Tipps zum Verhalten bei Hochwasser

Wachtberg · Nicht sicher, aber vorbereitet: Experten geben auf dem GA-Podium Tipps für das richtige Verhalten bei Hochwasser und Starkregen. Ein Ergebnis der angeregten Diskussion: Eine absolute Sicherheit gibt es nicht.

Mit Moderatorin Bettina Köhl diskutieren (von links) Reinhard Vogt, Volker Strehl, Swen Christian und Markus Zettelmeyer.

Mit Moderatorin Bettina Köhl diskutieren (von links) Reinhard Vogt, Volker Strehl, Swen Christian und Markus Zettelmeyer.

Foto: Axel Vogel

Überschwemmte Straßen, reißende Bäche, vollgelaufene Zimmer und Keller. Viele Wachtberger waren von den Unwettern in den Sommern 2010, 2013 und 2016 betroffen. Seitdem hat sich viel getan: Die Helfer haben ihre Einsatzpläne verbessert, die Kommune noch mehr Schutzmaßnahmen ergriffen – alles Ergebnisse eines Lernprozesses. Hochwasser war am Montagabend Thema beim ersten „Wachtberger Treff“ des GA im Henseler Hof in Niederbachem.

„Ich habe als Kind schon den Wald geflutet“, sagte Reinhard Vogt in seinem Einführungsvortrag, der gespickt war mit Humor und bissigen Bemerkungen. Doch das zeigte nur, wie ernst dem Kölner Hochwasserschutzexperten dieses Thema ist. Angesichts der zu erwartenden Erderwärmung rechnet er damit, dass es häufiger zu Extremwasserständen kommt. Dabei sei die Kommune für die Informations- und Vorsorgepflicht zuständig, „die Bewohner müssen sich aber auch selbst schützen“. Vogt beklagt eine „Hochwasserdemenz“, die Leute würden nach der Katastrophe das Thema schnell wieder aus den Augen verlieren. Aber: „Es ist zu spät, den Brunnen zu graben, wenn der Durst brennt“, sagte er. Die Bürger müssten sich zwar keine Arche Noah bauen, aber könnten lernen, mit Starkregen und Hochwasser zu leben.

Warnung der Bevölkerung

Punktueller Starkregen lässt sich trotz Regenradars, Wetter- und Warn-Apps nur schwer voraussagen. Die Zuhörer wünschten sich möglichst genaue Informationen. „Die Feuerwehr hat zusätzlich zwei mobile Sirenen angeschafft, um die Bevölkerung frühzeitig warnen zu können“, sagte der Wachtberger Feuerwehrchef Markus Zettelmeyer. Das Publikum regte an, die Pegelwerte, die die Stadt Bonn im Mehlemer Bach misst, auch der Wachtberger Bevölkerung zugänglich zu machen. Eine Vorwarnzeit von rund 30 Minuten ist laut Vogt aber zu knapp, um sich alleine darauf zu verlassen.

Konzept der Feuerwehr

Die Freiwillige Feuerwehr in Wachtberg hat ihr Einsatzkonzept für Unwetter geändert: Wehrleute, die sich in ihrem Ortsteil auskennen, bleiben dort und rücken sofort zu neuralgischen Punkten aus. Auswärtige Kräfte, die bei großen Ereignissen hinzugezogen werden müssen, haben dann ortskundige Kollegen an der Seite. Der Fuhrpark wurde angepasst, alle Fahrzeuge haben Pumpen und Stromerzeuger dabei. Es gibt außerdem Sandsacklager, aus denen sich Bürger bedienen können. Die Feuerwehr gibt auch leere Säcke heraus.

Kanäle und Abwasserentsorgung

„Ganz wichtig sind die Rückstausicherungen, die funktionieren müssen“, sagte Volker Strehl, Vorstand der Wachtberger Gemeindewerke. Viele Leute wüssten gar nicht, wo die Rückstausicherung im Keller sei. Sicherungen würden oft falsch eingebaut, sodass sie die Situation verschlimmerten. Die Gemeindewerke bieten eine Rückstauberatung an.

Häuser sichern

Schon kleine Maßnahmen mit Material aus dem Baumarkt können das Wasser von Türen und Fenstern fernhalten. „Eine Platte mit einer Folie ist vielleicht nicht ganz dicht, aber dahinter können sie das Wasser aufwischen“, sagte Vogt. Der Beigeordnete Swen Christian plädierte dafür, leicht erhöht zu bauen. Das werde bei den Anforderungen an Barrierefreiheit oft vergessen. Eine Stufe zum Eingang und höhere Einfassungen an den Lichtschächten können schon dafür sorgen, dass das Wasser um das Haus herum fließt. Auch Gärten und Straßen lassen sich so modellieren, dass Starkregen auf Freiflächen abfließt, statt in die Keller. Die Begrünung von Dächern ist laut Christian gut für das Mikroklima.

Gefahren im Ernstfall

Der eigene Keller kann zur tödlichen Falle werden. „30 Zentimeter Wasser reichen schon aus, dass Sie die Tür nicht mehr öffnen können“, sagte der Feuerwehrchef. Auch feuchte Steckdosen bedeuten Lebensgefahr. Zettelmeyer warnte außerdem davor, überschwemmte Bereiche auf der Straße zu betreten. „Sie können nicht sehen, ob sich ein Kanaldeckel gehoben hat, und auf einmal verschwinden Sie in einem Loch“, so Zettelmeyer.

Wer die Wucht des Wassers testen möchte, sollte sich mit Gummistiefeln quer zur Fließrichtung in einen 30 Zentimeter tiefen Bach stellen. „Auch mit meinem Gewicht werde ich weggeschoben“, sagte Vogt. Egal ob Hochwasser an Rhein oder Mehlemer Bach: Sich oder gar die Kinder für einen Schnappschuss ins Wasser zu stellen, sei sehr gefährlich. Vogt zeigte einen Film vom Hochwasser an der Mulde, wo selbst Autos und Container wie Spielzeug von den Wassermassen weggetragen wurden.

Autofahrer sollten ebenfalls überflutete Straßen und Unterführungen meiden. Sobald die Auspuffunterlage unter Wasser ist, geht der Motor aus. „Es ist schon irrsinnig, was manche Leute machen“, sagte Vogt, der in seiner Zeit als Chef der Kölner Hochwasserschutzzentrale miterlebt hat, wie sich Menschen in Gefahr bringen. Fahrzeuge könnten ebenfalls in offenen Gullis stecken bleiben. „Helfen Sie nicht, auch dabei können Sie im Kanal verschwinden“, riet Vogt. Rettung kommt im Ernstfall von den Profis von der Feuerwehr.

Landwirtschaft und Stadtplanung

Swen Christian legte Wert auf Bewusstseinsbildung im Rathaus: Bei der Planung von Baugebieten müssten Gefahrenpunkte beachtet werden. Er möchte außerdem den Dialog mit den Landwirten fortsetzen. Wer Obst und Gemüse aus der Region kauft, schont das Klima. Zugleich wirken die beim Anbau genutzten Folientunnel wie eine Versiegelung. Allerdings macht es laut Christian keinen Unterschied, ob das Wasser durch eine vertrocknete Ackerfurchen oder über eine Folie schießt.

Hochwasserpass für Häuser

Den kann jeder anfertigen lassen – ähnlich dem Energiepass. „Der Pass liefert eine Schadensanalyse“, sagte Vogt. Zunächst kann jeder im Internet einen Fragebogen ausfüllen und ihn kostenlos auswerten lassen. Wenn das nicht reicht, kann man sich einen Sachverständigen ins Haus bestellen, was etwa 300 Euro kostet. Dessen Analyse kann laut Vogt dazu führen, dass sich das Gebäude besser versichern oder leichter verkaufen lasse. Mehr dazu auf www.hochwasser-pass.com.

Weitere Informationen im Internet: Unter www.wachtberg.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort