Flüchtling in Wachtberg Banges Warten auf die Härtefallkommission
WACHTBERG · Abusco Seider ist aus Ghana über Libyen nach Deutschland gekommen. Hier lebt er seit Ende 2012, ist gut integriert – und soll nun doch abgeschoben werden.
Menschen, denen von Rechts wegen kein Asyl oder ein sonstiger Schutzstatus zusteht, sollen konsequenter als bislang abgeschoben werden. Das wird von Politikern wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière gerade vor dem Hintergrund von mehr als einer Million Flüchtlingen, die allein im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind, verstärkt angekündigt. Was aber ist mit Menschen wie Abusco Seider aus Ghana, der in Wachtberg lebt und sich hier gut integriert hat, während sich das Asylverfahren lange hinzog?
Die Antwort gab im Frühjahr das Kölner Verwaltungsgericht. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) den Asylantrag abgelehnt hatte, wiesen die Kölner Verwaltungsrichter eine Klage von Seiders Bonner Anwalt Jens Dieckmann gegen die Bamf-Entscheidung zurück. „Dagegen gibt es keine Möglichkeit mehr, rechtlich vorzugehen“, sagt Dieckmann: „Herr Seider ist damit ausreisepflichtig.“
Eine Chance sieht der Anwalt noch
Doch eine letzte Chance sieht der Anwalt noch: Er hat die Sache bei der Härtefallkommission des Landes NRW eingereicht. Zahlreiche Wachtberger, die Seider gut kennen, setzen sich dabei für den Mann aus Ghana ein. Hört man sich um bei den Menschen, die regelmäßig mit Abusco Seider zu tun haben, ist viel Erfreuliches zu hören. So beispielsweise von seinem Arbeitgeber, dem Obsthof Schneider der Wachtberger Landwirte Stefan und Markus Schneider.
Hier hat Abusco in der Marktscheune des Unternehmens eine Festanstellung bekommen. Katharina Keller, die eine leitende Funktion im Obsthof Schneider innehat, ist voll des Lobes. „Wir haben Herrn Seider vor anderthalb Jahren nach einer Empfehlung der Gemeinde bei uns eingestellt und sind seitdem super zufrieden“, sagt Keller, deren Familie eine Art Patenschaft für den Mann übernommen hat. Vor allem in der Backstube der Marktscheune kommt Seider nun zum Einsatz. „Dort ist er sehr zuverlässig, noch nicht einmal zu spät gekommen, nie krank gewesen und immer freundlich“, betont Keller.
Betrieb würde Abusco Schneider gerne behalten
Daher würde ihr Betrieb ihn gerne auch ausbilden, zumal Ersatz für ihn laut Katharina Keller schwer zu finden wäre: „Wir hatten schon dreimal eine Anzeige geschaltet, weil wir einen Bäckergesellen suchten, aber es hatte sich niemand gemeldet.“
Auch für Seiders direkten Chef, Bäckermeister Rudi Krahl, steht fest, dass er bleiben muss. Deshalb hat er mit Stefan und Markus Schneider sowie 60 anderen Mitarbeitern eine Liste unterschrieben, die sie Anwalt Dieckmann übergaben. Tenor: Der Mann aus Ghana hat sich bestens integriert und soll nicht abgeschoben werden. Auch Seider selbst sagt: „Ich will auf keinen Fall zurück nach Ghana, ich habe dort keine Kontakte mehr.“
Unterstützung bekommt er auch von vielen namhaften Wachtbergern wie Bürgermeisterin Renate Offergeld, die sich ebenfalls in einem Schreiben an die Behörden wandte. Seiders Anwalt Dieckmann, ein erfahrener Fachmann im Asylrecht, sieht die Krux in dem Ganzen in der langen Verfahrensdauer. Der 32 Jahre alte gelernte Maurer war im Dezember 2012 nach Deutschland gekommen, wo er am 13. März 2013 einen Asylantrag gestellt hatte. Unstrittig ist: Ghana gilt als sicheres Herkunftsland. Über eine rasche Ausreiseaufforderung beziehungsweise schlimmstenfalls über eine schnelle Ausweisung hätte sich Seider nicht wundern dürfen.
Zwei Jahre Warten aufs Asylverfahren
Aber zu der kam es eben nicht: Einen Abschiebungsbescheid Richtung Italien gemäß dem Dublin-III-Abkommen konnte Dieckmann vor dem Kölner Verwaltungsgericht erfolgreich anfechten. Daher, so Dieckmann, habe erst Ende 2014 das Asylverfahren in Deutschland begonnen. Abusco Seider nutzte die Zeit, um sich in seiner Wachtberger Heimatgemeinde erfolgversprechend zu integrieren. Inklusive eines Arbeitsplatzes in der Marktscheune.
Eigentlich ist es ihm jetzt aus Sicht seines Anwalts fast schon nicht mehr zuzumuten, zurück nach Ghana zu gehen: „Er hat vor über zehn Jahren sein Land verlassen und dann zunächst in Libyen gearbeitet und ist von dort nach Italien geflohen.“ Vor drei Jahren sei er dann nach Deutschland gekommen. Seider hatte religiöse Fluchtgründe angegeben. Er fühlte sich als Muslim in Ghana verfolgt.
Trotzdem ist die rechtliche Situation eindeutig: „99 Prozent der Asylanträge aus Ghana lehnt das Bamf ab“, so Dieckmann. Auch sei es deutlich schwieriger geworden, eine Abschiebung etwa wegen einer Erkrankung zu verhindern und eine Duldung zu erlangen: „Hier sind die ärztlichen Hürden in den letzten Jahren extrem hoch gesetzt worden“, so Dieckmann. Da es hierzulande immer noch an einem Einwanderungsgesetz fehlt, das abgelehnten Flüchtlingen wie Seider eine Perspektive bieten könnte, sind die juristischen Möglichkeiten so gut wie ausgereizt.
"Unglaublicher Gestaltungsspielraum"
Was aus Dieckmanns Sicht allein noch Erfolg versprechen könnte, ist das Anrufen der Härtefallkommission, die seit 2005 im Aufenthaltsgesetz fest verankert ist. Das Besondere an der Kommission ist: „Die Mitglieder fällen ihre Entscheidung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wobei sie allein auf den Einzelfall schauen“, so Dieckmann, „dabei haben sie einen unglaublichen Gestaltungsspielraum.“
Fällt deren Prüfung des Falls positiv aus, könnte von dort ein Ersuchen an das Siegburger Ausländeramt gehen, die Abschiebung auszusetzen: „Aber das ist eine Empfehlung, der das Amt nicht folgen muss“, so Dieckmann. Allerdings habe er dieses Verfahren schon für ein paar ausgesuchte Mandanten gewählt und sei damit oft gut gefahren. Warum sich Dieckmann für Seider bei der Härtefallkommission einsetzt: Er sei nicht straffällig geworden und habe versucht, sich zu integrieren. Die Entscheidung der Kommission kann in einigen Wochen, aber auch erst in einigen Monaten fallen.
