Kinderbetreuung in Wachtberg „Man sollte nicht mehr so zögerlich agieren“

Wachtberg · In Wachtberg kochen die Emotionen hoch, weil viele Familien Bedarf für einen Kindergartenplatz angemeldet haben, die Kommune dies aber nicht erfüllen kann. Laut Verwaltung fehlen für das Kitajahr 2016/2017 94 Plätze: 15 Ü3- und 79 U3-Plätze.

 Ü-3-Kinder spielen auf dem Außengelände der Kita im Familienzentrum Villipp

Ü-3-Kinder spielen auf dem Außengelände der Kita im Familienzentrum Villipp

Foto: Axel Vogel

Da Kommunalpolitiker inzwischen auch mit dem Finger auf den Rhein-Sieg-Kreis zeigen, weil man in Siegburg zuständig für die Bedarfsplanung und das Vorhalten von Plätzen ist, sprachen und mit dem zuständigen Dezernenten Thomas Wagner.

In Wachtberg ist der Unmut über die Kindergartensituation groß. Eltern wollen wegen fehlender Plätze klagen, Lokalpolitiker wie ihr Parteifreund Volker Gütten werfen dem Kreis Untätigkeit vor.
Thomas Wagner: Ich habe großes Verständnis für die Eltern in Wachtberg, weil sie dringend auf Plätze angewiesen sind. Daher drängen wir als für zuständiges Jugendamt auf die rasche Einrichtung von fünf neuen Kindergartengruppen plus drei Gruppen in einer Kita der Limbachstiftung, die seit 2012 in Planung ist.

Um nochmals Volker Gütten zu zitieren: „79 unter Dreijährige haben keinen Platz und der Kreis tut nichts, wie geht das?“
Wagner: Diese Zahlen haben wir nicht erhoben und können sie auch nicht nachvollziehen. Gemäß unserer Planung fehlen rein rechnerisch zum Kita-Jahr 2016/2017 52 U3-Plätze, die größtenteils durch Tagespflege abgedeckt werden können. Kindergartenbedarfsplanung ist ein komplexes Thema. Daher verstehe ich auch, dass mancher, der sich nicht tagtäglich mit der Materie beschäftigt, viele Fragen hat und dies aus Unkenntnis heraus als Untätigkeit wertet. Allerdings entspricht das nicht den Tatsachen. Für den Kreis war die jetzige Lage teilweise vorhersehbar, aber die Bedarfsplanung wird nicht alleine vom Kreis entwickelt und fortgeschrieben, sondern mit der Gemeinde. Hinzu kommt, dass die Bedarfsplanung in Wachtberg aufgrund mehrerer Faktoren im Vergleich mit anderen Kommunen besonders schwierig ist.

Nach GA-Informationen hat es an warnenden Stimmen in der Kreisverwaltung nicht gefehlt, die auf eine drohende Unterversorgung bei den Kitaplätzen hingewiesen hat.
Wagner: Genauso ist das. Denn das Kreisjugendamt empfiehlt und mahnt seit Jahren die Errichtung von zusätzlichen Kindergartengruppen in Wachtberg an. Die Kinder sind uns nicht alle über Nacht auf die Füße gefallen. Auch wenn der Bedarf nach Plätzen in der letzten Zeit erheblich gestiegen ist.

Was macht denn die Bedarfsplanung in Wachtberg so schwierig?
Wagner: Etwa die Randlage zu Bonn, die zu einer Durchmischung der Kitas führt. So pendeln viele Eltern nach Bonn und anderen Kommunen und geben dann dort auch ihre Kinder in Kitas. Im vergangenen Jahr wurden etwa 65 Wachtberg Kinder in Bonner Kitas betreut, zehn Kindern aus anderen Kommunen kamen in Wachtberger Kitas unter. Das macht es schwer, Zahlen zu erheben.

Gibt es noch weitere Wachtberger Besonderheiten?
Wagner: Auch in Wachtberg ist ein allgemein gesellschaftlicher Trend zu beobachten, dass immer früher von Eltern eine institutionelle Betreuung der Kinder gewünscht wird. Zudem spürt man vor allem in Wachtberg mit seiner guten Infrastruktur und seinem hohen Einkommensniveau, dass der Rhein-Sieg-Kreis attraktiv als Zuzugsregion ist. Auch können wir feststellen, dass es einen Generationenwechsel im Immobilienbestand gibt: Ältere Bürger verlassen ihre Häuser, junge Familien ziehen ein.

Einige dieser Entwicklungen sind aber nicht neu.
Wagner: Aber in der Summe können wir nun feststellen, dass die Kinderzahlen in Wachtberg deutlich steigen, was wir in dem Ausmaß so nicht vorhersehen konnten. Beispielsweise sind allein in den letzten drei Monaten 20 Kinder im Kindergartenalter nach Wachtberg gezogen. Das haben wir bislang noch nicht gehabt.

Von wie vielen fehlenden Plätzen in Wachtberg geht der Kreis nun für das neue Kinderkartenjahr aus?
Wagner: Nach unseren bisherigen Erhebungen sind es im U 3-Bereich planerisch 52 Plätze und 33 Plätze im Ü3-Bereich. Nach den Maßnahmen, die wir vorschlagen und die zügig umgesetzt werden sollten, wären es noch 28 Plätze im U 3- und drei im Ü 3-Bereich, die fehlen.

Wie erklärt sich das zu den Gemeindeangaben, wo man von 94 nicht versorgten Kindern ausgeht?
Wagner: Schuld sind oft Doppelanmeldungen von Eltern, die sich mit unserem bisherigen System nicht erfassen lassen. Abhilfe soll nun das neue System Little Bird schaffen (siehe Infokasten).

Defizite gibt es ja wohl unbestritten bei der U3-Betreuung.
Wagner: Ja, die müssen wir ausbauen. Wir halten 116 U 3-Plätze in insgesamt 13 kommunalen Kitas vor. Dem steht ein planerischer Bedarf von 177 Plätzen gegenüber. Steigenden Bedarf gibt es bei den U 2-Kindern, die wir zurzeit noch größtenteils mit Tagespflegeplätzen versorgen können.

Wie kann man Abhilfe schaffen?
Wagner: Grundsätzlich ist es doch ein erfreuliches Thema, dass wir uns inzwischen wieder über die Gründung von Kita-Gruppen unterhalten können. Das heißt doch, dass Wachtberg eine Gemeinde mit Zukunft ist. Deswegen sollte man das Thema positiv und lösungsorientiert angehen. So verstehe ich im Übrigen die Rolle von Kommunalpolitik. Aber richtig ist auch, dass wir nun mit allen Beteiligten ein Handlungskonzept entwickeln müssen, und dabei wird sich der Kreis natürlich seiner Verantwortung stellen. Ich kann nur nochmals appellieren: Man sollte in Wachtberg nicht mehr so zögerlich agieren, aus Angst, einen Überbedarf an Plätzen zu produzieren. Andere Kommunen im Kreis haben vorgemacht, wie es gehen kann. Konkret zeichnet sich neben der Limbachstiftung noch der Bau einer Kita in Villiprott ab, für deren Bau der Kreis auch zu einhundert Prozent die Investitionskosten übernehmen kann.

Und was sollen Eltern, deren Kinder keinen Platz bekommen haben, bis dahin tun. Klagen?
Wagner: Das möchten wir im Sinne der Eltern und in unserem Sinn verhindern. Die Eltern sollen sich unmittelbar an das Kreisjugendamt wenden. Wir suchen dann gemeinsam nach Einzelfalllösungen – dabei handelt es sich aber nicht unbedingt immer um die nächstgelegene Kita, und auch das Angebot von Tagespflege muss in Betracht gezogen werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort