Wachtberger Originale „Die Müllerinnen“ von Pech

Pech · Wie ist das, wenn man seit 50 Jahren beste Freundinnen ist und sich dann auch noch gemeinsam vielfältig im Ort engagiert? Für Annegret und Olga Müller ist das ganz normal - und ein echter Glücksfall.

"Ein Stückchen Käsesahne?“, fragt Annegret Müller. Sie verteilt ein paar Stücke, auch an ihren Mann Gustel Müller und ihre Freundin Olga Müller. Verwandt sind Olga und Annegret nicht, sehr wohl aber ihre Männer, deren Väter Cousins waren. Die Fensterbank von Annegrets Wohnzimmer und den Boden davor zieren zahlreiche Topfpflanzen, darunter Orchideen und Tillandsien. Vom angrenzenden Balkon aus hat man einen guten Blick auf den riesigen Garten und die Pecher Landstraße.

In Pech sind Annegret und Olga als gute Seelen des hiesigen Seniorentreffs bekannt. In der alten Schule kommt die ältere Generation mittwochs von 15 bis 17.30 Uhr zum geselligen Miteinander zusammen. Nach einer Runde Stuhlgymnastik darf sie sich mit Kaffee, Kuchen und Kartenspielen belohnen. „Die Leutchen sind dankbar. Die freuen sich darauf“, meinte Olga. Nachdem der Treff wegen der Osterferien zwei Wochen nicht stattgefunden hatte, habe eine Seniorin ihr von „Entzugserscheinungen“ berichtet. Im sechsten Jahren kümmern sich die beiden um den Treff.

Den traditionellen Weihnachtsbasar haben sie mittlerweile auf den Pecher Weihnachtsmarkt ausgelagert. Dafür stellen sie in ihrer Bastelgruppe mit elf Frauen Kränze oder Engel aus den Blättern alter Kirchenbücher her. „Da wird Wochen, eigentlich Monate, vorher jeden Montagabend gebastelt“, erzählt Olga. Die Einnahmen verwenden sie, um Ausflüge für die Senioren zu organisieren. Zu Karneval wird mit den Garden aus Villip und Muffendorf gefeiert, an Aschermittwoch isst man zusammen Fisch und ein Oktoberfest organisieren sie auch. Einzig Nachwuchsprobleme plagen sie: Durch Sterbefälle und Altenheim sei die Gruppe von 20 auf 16 Senioren geschrumpft. Nur zu gerne würden sie neue Gesichter begrüßen, egal welcher Konfession.

Pflege der Kärten um die Kapelle

Darüber hinaus engagieren sie sich im Kirchbauverein St. Michael und pflegen die Gärten rund um die gleichnamige Kapelle und die Erzengelkirche. Der grüne Daumen ist bei beiden Damen nicht zu verleugnen: Annegrets Haus ist an drei Seiten von sprießendem Grün umgeben. „Olga hat auch einen ganz tollen Garten“, schwärmt Annegret. „Ach, bei mir ist jetzt alles erfroren, Hortensien, Azaleen, furchtbar“, erwidert Olga ein wenig betrübt.

Wallfahrten mit ihrer Gemeinde führten sie nach Rom und Assisi. Dieses Jahr geht es nach Thüringen, im Reformationsjahr auf den Spuren Martin Luthers. „Ein bisschen Glauben muss man haben. Ohne geht nichts“, meint Olga.

Kennengelernt haben die zwei sich in der Berufsschule, wo sie im selben Jahrgang eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau absolvierten. Nur ein gutes Jahr liegen zwischen der am 3. Dezember 1949 geborenen Olga und der am 7. Februar 1951 geborenen Annegret.

Ins Rheinland kam Olga mit sechs Jahren aus Bayern. Nach der Lehre arbeitete sie im Lebensmittelgeschäft ihrer Eltern. Als dieses 1978 schließen musste, war Olga 29 Jahre alt. „Dann ist die Post auf uns zugekommen und hat das Ladenlokal gepachtet. Und mich gleich mit“, berichtete sie. 26 Jahre war sie Posthalterin, bis sie mit 57 in den Vorruhestand ging.

Der schönste Tag in ihrem Leben

Annegret ist gebürtige Mehlemerin. Im Godesberger Ortsteil arbeitete sie ebenfalls im Lebensmittelladen ihrer Eltern. Als ihr Vater in Rente ging, wechselte sie mit 28 zur Sparkasse. „An einem Samstag habe ich die Annonce gelesen, am Montag habe ich mich vorgestellt“, erinnert sie sich. Einen Monat später durfte sie anfangen. „Ich habe in meinem ganzen Leben nicht eine Bewerbung geschrieben“, sagt sie lachend. Auf anderthalb Jahre in der Personalreserve folgte eine Stelle in der ehemaligen Geschäftsstelle am Theaterplatz, der sie bis zur Rente treu blieb.

Auf der Hochzeit von Olga und ihrem Freund Bernd-Peter, lernte Annegret ihren Gustel kennen. Ein Jahr später heirateten auch sie. Der schönste Tag in ihrem Leben, sagt sie. „Ehrlich?“, fragt ihr Mann und lacht. Kinder hat keines der Paare. „Hat nicht geklappt“, resümiert Annegret knapp. Durch den frühen Tod ihrer Mutter sei aber die Bindung zum ihrem sieben Jahre jüngeren Bruder und ihrem Vater sehr eng gewesen.

Olgas Mutter war nach einer Hirnblutung linksseitig gelähmt. Bevor sie kürzlich im stolzen Alter von 94 Jahren verstarb, hatte Olga sie drei Jahre lang gepflegt. Auch um ihrem Mann, der vor zehn Jahren an Krebs erkrankte, kümmert sie sich liebevoll. „Das hat das Leben total verändert“, sagt sie zaghaft mit Tränen in den Augen. Nach kurzer Pause fügt sie mit sicherer Stimme hinzu: „Nach der Hochzeit sind wir gleich ins eigene Haus eingezogen. Die erste Nacht dort zu schlafen, das war ein schöner Moment. Waren zwar schwierige Zeiten, aber trotzdem...“ Annegret muntert sie auf: „Schaffen mer all.“

Missgunst gibt es nicht

Ihr Spitzname „die Müllerinnen“ kommt nicht von ungefähr. „Wenn einer von uns irgendwo alleine hingeht, fragen schon alle: Und, wo ist die andere?“, erzählt Olga später kichernd. Während ihrer 50-jährigen Freundschaft sollen sie sich noch nie gestritten haben. Offenheit und Ehrlichkeit schätzten die beiden besonders an einander, Missgunst und Beleidigtsein gebe es nicht. „Der eine ist für den anderen da, und man kann sich austauschen. Das zeichnet für mich Freundschaft aus“, sagt Annegret.

Als die Knochen es noch mitmachten, joggten sie jahrelang um 6.30 Uhr bis nach Villiprott. Trotzdem sind sie immer für gutes Essen zu haben. Alles hat man aber nicht gemeinsam: Annegret und Gustel sind Autofans: Gerne fahren sie in ihrem offenen Mercedes SLK durch die Eifel. Olgas Herz schlägt eher für die Musik. Lieblingsinterpret? „Früher Karel Gott. Wenn der nach Bonn kam, musste ich hin“, sagt sie. Annegret und Olga ergänzen sich gut: Annegret sei beim Basteln sehr kreativ, besteht Olga mehrfach unter Protest der Gelobten, Olga könne hingegen besser Berichte über die Ausflüge mit den Senioren schreiben. „So hat jeder seins“, schlussfolgern sie zusammen.

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