Interview mit Karnevalist Wicky Junggeburth spricht über Fastelovend

Swisttal · Wie war der Karneval früher und wie ist er heute? Der Karnevalist Wicky Junggeburth spricht mit dem GA über den Fastelovend und darüber hinaus über Ausflüge in die Eifel und über seinen Auftritt in Ollheim.

Früher war, wer mag das bestreiten, alles besser: Was war früher am Karneval besser?

Wicky Junggeburth: Besser kann man nicht sagen: Jeder hat da eine andere Sicht drauf. Es war aber früher so, dass Themen in vielfältiger Weise auf der Straße lagen. Es passierte natürlich sehr, sehr viel in der Nachkriegszeit – Dinge, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann: Etwa die erste Ampelanlage am Rudolfplatz in Köln in den 50er-Jahren und andere Dinge, die von den Künstlern direkt umgemünzt worden sind – in Büttenreden oder Liedern. Diese Form gibt es seit 30 Jahren nicht mehr. Das Urkölsche, wie wir es damals hatten, ist endgültig ausgestorben. Es gibt noch einen, der es macht: Et Rumpelstilzje (Fritz Schopps). Aber diese Form, die so vielfältig war, die gibt es nicht mehr. Ob man das jetzt besser oder schlechter findet, sei mal dahingestellt.

Sie bezeichnen sich als Saisonarbeiter, respektive Sessionsarbeiter. Wie viele Termine nehmen Sie innerhalb einer Session wahr?

Junggeburth: Es sind weniger als noch vor vier, fünf Jahren. Aus dem einfachen Grund: Ich bin 67 Jahre, und wenn man mit 67 noch jedem Auftritt hinterherlaufen muss, hat man irgendwas verkehrt gemacht. Meine Frau und ich suchen uns aus, wo wir hingehen. In den Gürzenich auf gar keinen Fall mehr. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass du von 80 Prozent der Leute gar nicht mehr verstanden wirst. Dann muss ich mich fragen, ob ich da noch gut aufgehoben bin? Wir gehen dahin, wo wir selbst noch Freude haben: Das ist beispielsweise in Ollheim der Fall.

Auftrittsorte wie der Dorfsaal in Ollheim haben den Charme, dass Zuschauer kein Fernglas brauchen, um den Künstler erkennen zu können. Und der Künstler erlebt sehr direkt, wie sein Publikum reagiert.

Junggeburth: Ja, das ist sehr wichtig. Jetzt kommt noch dazu, dass ich zur Eifel eine besondere historische Verbindung habe. Meine Eltern haben 1957 in Bergheim bei Mechernich ein Wochenendhaus gekauft. Wenn am Samstag um 14 Uhr ihr Radio- und Fernsehgeschäft zu war, sind wir in die Eifel gefahren. Für mich als Kind war das natürlich eine Sensation. Bei gutem Wetter konnte man oben auf dem Berg die Domspitzen sehen. Ich treffe in der Eifel auf ein Publikum, das noch zuhören kann und die kölsche Lebensart sehr wohlwollend aufnimmt. Ein sehr dankbares Publikum.

Der Stadionsprecher des 1. FC Köln heißt die Gast-Zuschauer vor dem Anpfiff einer FC-Partie stets 'in der schönsten Stadt Deutschlands' willkommen. Was macht aus Ihrer Sicht die Schönheit Kölns aus?

Junggeburth: Die Schönheit liegt in erster Linie in den Menschen. In den 50er- und 60er-Jahren, als ich in Köln lebte, wurde in meinem Umfeld ausschließlich Kölsch gesprochen. Der kölsche Dialekt ist ja dazu angetan, Dinge ausdrücken zu können, die im Hochdeutschen schroff oder sogar ordinär klingen. Im Kölschen ist das völlig normal. Das habe ich als Kind aufgesogen wie einen Schwamm. Dann bin ich ein Jahr lang ins Internat nach Hofheim am Taunus gekommen. Als Neunjähriger ist das nicht ganz einfach, um es gelinde zu sagen.

Da dort gewiss auf Hessisch gebabbelt wird...

Junggeburth: Ich bin unter den Einfluss des Hessischen gekommen, und das war furchtbar. Das war ganz schlimm. Ich war froh, als das Jahr vorbei war. Das scheint aber nur sehr peripher Erfolg gehabt zu haben, darum bin ich sehr glücklich, heute sagen zu können: Ich kann esu schwaade wie ich will. Das genieße ich, weil man viele Dinge viel lockerer ausdrücken kann, als man das im Hochdeutschen je könnte.

Sie gelten als wandelndes Karnevalslexikon. Wer ist aus Ihrer Sicht der größte Jeck aller Zeiten?

Junggeburth: Es gibt ein paar – nicht nur einen. Ich muss da ganz weit zurückgehen zu Karl Küpper. Er war der Einzige, der der braunen Gosse, den Nazis, ein bisschen den Spiegel vorgehalten hat. Er kam auf die Bühne und hob den Arm. Alle dachten, er macht den deutschen Gruß. Er aber sagte: So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller. Er bekam während der Nazi-Zeit Auftrittsverbot. Das Tragische war, dass Küpper nach dem Kriege von den großen Gesellschaften geschnitten wurde. Warum?

Weil es noch den ein oder anderen gab, der ihm die Witze vor der Stunde Null krumm nahm?

Junggeburth: Es gab eine ganze Menge Präsidenten, die nicht entnazifiziert werden konnten und nach dem Krieg in Amt und Würden blieben. Die sagten sich: Der hat uns damals auf den Arm genommen, jetzt lassen wir den mal verhungern. Ein anderer ganz Großer war die Doof Noss, Hans Hachenberg. Der war im absoluten Olymp des Fastelovends. Ich habe von dem 40 bis 50 verschiedene Reden. Das Phänomenale war seine Bühnenpräsenz. Er fiel von der Größe nicht auf, aber er stand auf der Bühne, und der Saal war ruhig. In den 50er-Jahren gab es einen ganzen Strauß von Rednern, die heute kaum einer mehr kennt: Willy Klett als 'Hä Selvs', Toni Geller als 'Redner der Blauen Partei', Franz Unrein als 'Schütze Bumm'. Dann gab es im Olymp das Eilemann-Trio, Karl Berbuer, Jupp Schmitz, Vier Bötze und ab 1970 den Glücksfall: die Bläck Fööss. Mit denen begann eine neue Ära, auch mit dem Colonia-Duett.

Dessen noch lebender Duettteil, Hans Süper, im vergangenen Jahr in Ollheim gastierte.

Junggeburth: Wir werden in Ollheim ausschließlich Aufnahmen von Leuten bringen, die nicht mehr leben. Ich käme nie auf den Gedanken, irgendwas vom Colonia-Duett zu bringen, weil Süper ja selbst noch auftritt. Ich würde ihm nur in die Quere kommen. Also nehme ich nur die, die nicht mehr unter uns sind. Dadurch wird es interessant und historisch.

Apropos Süper: Werden wir das Format des Zwiegesprächs, welches Süper zur Perfektion trieb, im Karneval noch mal erleben?

Junggeburth: Ja, das wird wiederkommen. Seit fünf, sechs Jahren ist die Tendenz zu sehen, dass die Gesellschaften immer stärker zwei Sitzungsformate propagieren: die Partysitzung und die Prunksitzung. Neben dem Hang zur Party gibt es aber auch die Tendenz zur Nostalgiesitzung oder zur Miljösitzung. Viele kommen lieber dorthin und fühlen sich dort sehr wohl.

Wird der Trend zur Karnevalsparty denn aufzuhalten sein?

Junggeburth: Nein. Das wollen wir auch gar nicht. Wir haben jetzt jecke Veranstaltungen mitten im Sommer. Offenbar gibt es viele, die Geld verdienen wollen und viele, die Geld ausgeben wollen. Ich gehöre mit Sicherheit nicht zu denen, die das im Mai haben müssen. Ich würde mich auch nie dafür breitschlagen lassen – für kein Geld der Welt. Es ist eine rein kommerzielle Geschichte. Das wird aber weiter kommen, wenn die Jugend sagt: Wir unterstützen das und gehen dahin. Den Dünkel, dass man das nicht im Sommer machen darf, haben wir überwunden.

Die Kölner Mundart gilt wie viele Dialekte als akut vom Aussterben bedroht. Andererseits erleben wir, wie gerade junge Leute, die in Mundart gesungenen Hits von Querbeat, Kasalla oder Cat Ballou mitsingen. Können die helfen, dass Kölsch nicht ausstirbt?

Junggeburth: Klar. Dazu gehört aber, dass die Kinder vom Elternhaus angeleitet werden. Mein Enkel wollte mit vier Jahren unbedingt Pirat werden. Warum wohl?

Wegen 'Piraten' von Kasalla.

Junggeburth: Genau. Das ist absolut zu begrüßen. Vielleicht kriegen wir so die Mundart wieder in den normalen Alltag. Wenn das vom Elternhaus gefördert wird, ist das die beste Anleitung, die man kriegen kann.

Im Dorfhaus in Swisttal-Ollheim ist Wicky Junggeburth am Freitag, 24. Mai, ab 20 Uhr zu Gast. Karten kosten 17 Euro plus Gebühren. Es gibt sie online unter www.karnevalsagentur.de.

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