Weihnachten anno dazumal Kein Platz in der "Stuff" für einen echten Baum

SWISTTAL-ODENDORF · Maria Michels aus Odendorf zeichnet ihre Erinnerungen an Weihnachten im Krieg auf. Zu Nikolaus standen damals noch keine Stiefel vor die Tür.

 Maria Michels (links) aus Odendorf ist auf diesem 75 Jahre alten Foto mit ihrer Schwester (rechts) im Kriegswinter 1943 vor einem Weihnachtsbaum aus Kunststoff zu sehen.

Maria Michels (links) aus Odendorf ist auf diesem 75 Jahre alten Foto mit ihrer Schwester (rechts) im Kriegswinter 1943 vor einem Weihnachtsbaum aus Kunststoff zu sehen.

Foto: Axel Vogel

. Kaum eine Zeit ist so mit der Erinnerung an die Kindheit verbunden wie die Weihnachtszeit. Wenn endlich der Baum steht, Päckchen versteckt und Plätzchen gebacken sind, soll vieles so sein wie früher.

Auch Maria Michels aus Odendorf erinnert sich noch an die Weihnachtsfeiern ihrer Kindheit. Obwohl das eine Weile her ist, sie ist unterdessen 81 Jahre alt. Doch wie man in Odendorf, genauer in der „Hutjass“ feierte, hat sie in ihren privat aufgezeichneten Büchern „De Hutjass, jenannt de Theatre Stroß“ und „Wat könnt os Baach alles verzälle“ festgehalten.

Ein Fest ist ihr dabei besonders im Gedächtnis geblieben, vielleicht auch, weil sie von diesem Tag ein Foto besitzt: Weihnachten im Jahr 1943, ein Fest der Liebe mitten im Zweiten Weltkrieg. Die beiden Mädchen auf dem Bild, Michels und ihre Schwester, schauen etwas kritisch drein. „Es war das erste Foto mit einem Blitzlicht, das ich erlebte“, erklärt sie heute. Ganz dunkel sei es dazu im Raum gewesen, und das helle Licht kam von einer Apparatur an einem Besenstiel. Zu sehen ist auch ein vergleichsweise kleiner Weihnachtsbaum. „Wir hatten damals schon einen künstlichen Baum“, berichtet Michels.

Der konnte auch gar nicht größer sein, sonst hätte er in der „Stuff“, der Wohnstube der Familie, zu viel Platz weggenommen. Plastik gab es dafür noch nicht. „Die Blätter fühlten sich an wie Papierstreifen“, erinnert sich Michels. „Auf den Spitzen standen ganz dünne rote Kerzen, die waren echt. Aber die durfte man nicht anmachen, das Bäumchen hätte zu schnell in Flammen gestanden.“ Kein Lichterglanz am Christbaum also.

Überhaupt vermied man Lichter. Dekorative Ketten in den Bäumen vor dem Haus? Dafür hätte niemand den Strom bezahlt. Außerdem gab es die ständige Gefahr von Fliegerangriffen. Sie führte unter anderem dazu, dass die Christmesse in Odendorf am 25. Dezember morgens früh um 5 Uhr stattfinden musste. Die Kleidchen der Kinder wärmte Michels Mutter eigens am Ofen vor.

Die Bescherung gab es am ersten Weihnachtstag nach der Messe. „Damals gingen die Leute noch alle in die Kirche.“ Die Geschenke im Krieg fielen bescheiden aus. „Unsere Püppchen bekamen jedes Jahr neue Kleider gehäkelt“, weiß Michels noch. Und die Kinder besaßen ganze zwei Bücher. Später einmal konnte die Familie, die eine kleine Landwirtschaft hatte, in der Stadt Lebensmittel gegen zwei neue Puppen eintauschen. Aber einen kleinen Teller mit Plätzchen bekamen die Kinder immer. Die aß man nicht schon im Advent. Die Erwachsenen backten sogar heimlich, wenn die Kinder schliefen, weiß sie heute. Dann roch es oft morgens nach Gebäck. Und wenn die Großen erzählten, bei rotem Morgenhimmel würden die Engelchen backen, „dann haben wir das geglaubt“, schmunzelt Michels.

Auch Nikolaus sei damals anders gewesen, erzählt sie. „Das gab es damals nicht, dass man die Stiefel rausstellte.“ Stattdessen kam der Heilige Mann persönlich und brachte einen Weckmann. In ihren Memoiren hat Michels noch eine Geschichte aus der Weihnachtszeit festgehalten. Während des Krieges hatte ihre Mutter von einem Landwirt „Bindegarn“ bekommen. Das ließ sich in drei Fäden zum Stricken auftrennen. Nun gab es zwischen Küche und dem Kinderschlafzimmer eine Etage darüber ein Loch, durch das die Wärme aufsteigen sollte. Durch das Loch beobachteten die Kinder zufällig eines Abends die Mutter bei dieser Arbeit. Ertappt behauptete die, sie stricke „Hosen“. Mit einem eindeutigen Hirschmuster, wie die Kinder feststellten. Aber so etwas Komisches wollten sie gar nicht haben, eine gewisse Enttäuschung lag in der Luft. Tatsächlich fanden sie unter dem Weihnachtsbaum am Ende zwei weiße, weiche Kleider. „Das war ein Geschenk, das war gar nicht mit Geld zu bezahlen.“

Später, nach der Währungsreform, seien die Geschenke dann doch merklich größer ausgefallen. Allerdings gehörte es auch dazu, dass Mädchen ab einem bestimmten Alter Aussteuer, also allerhand Nützliches für den Haushalt, erhielten. Maria Michels bekam mit 14 Jahren Betttücher und Bettgarnituren, ihre zwei Jahre jüngere Schwester einen Kaufladen. „Wat war ich enttäuscht“, sagt sie noch heute.

Und dann gab es noch das Weihnachtsfest 1948, das aus ganz anderen Gründen im Gedächtnis blieb. Denn genau am 24. Dezember kam der Vater der beiden Mädchen aus der Kriegsgefangenschaft zurück. „Wir sind zu jedem Zug gelaufen“, erinnert sich Michels. Der Vater kam am Abend an. Gerade rechtzeitig zum Weihnachtsfest.

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