Kleinkunst in Swisttal Irgendwo zwischen Dylan und Diva

SWISTTAL-MORENHOVEN · Robert Alan und Barbara Kuster geben bei den Morenhovener Kabarett-Tagen im Kreaforum den Ton an.

 Hände hoch: Barbara Kuster präsentiert ihr Programm „Viva Walküre“ in Morenhoven.

Hände hoch: Barbara Kuster präsentiert ihr Programm „Viva Walküre“ in Morenhoven.

Foto: Axel Vogel

Sie kennen Robert Allen Zimmerman nicht? Doch natürlich – es sei denn, Sie hätten im Leben noch nie etwas vom Literaturnobelpreisträger 2016 gehört: Bob Dylan. Mitte der 1980er Jahre besaß der Musiker und Lyriker längst Kultstatus, und zwar beiderseits der deutsch-deutschen Grenze. So ist denn auch der nette junge Mann mit der schwarzen Lederkappe und dem grau-beigen Keramikhasen als Maskottchen zu seinem Namen gekommen, bevor die Familie im Sommer 1989 aus der DDR floh und sich in Oberfranken niederließ: Damals war Robert Alan drei Jahre alt.

Von drüben – genauer gesagt aus Potsdam – stammt auch Barbara Kuster, Jahrgang 1949, die dort laut eigenem Bekunden eine echt preußische Erziehung genossen und von 1971 bis 1975 Musik und Germanistik an der Humboldt-Universität Berlin studiert hat. Was die beiden aus diesen Vorgaben machen – davon konnte sich das Publikum der 29. Morenhovener Kabarett-Tage am Wochenende überzeugen.

Aus Robert Alan Pleschke zum Beispiel hätte – ginge es nach seinem Vater: einem Regime-Gegner und Gitarristen – ein zweiter Jimi Hendrix werden sollen. Aber diese Initialen, RAP, waren offenbar eine zu große Versuchung: wohlgemerkt neben der Vorstellung, mit schweren Ketten behängt eine fette Karre zu fahren und dazu jede Menge Bitches am Start zu haben. Das mit dem Auto und den schmollenden, allzeit bereiten, jungen Frauen erwies sich letztlich als Legende. Geblieben sei ihm, so Robert Alan, nur die seinerzeit mit Füller auf die Hand gestochene Tätowierung. Zum Gangsta Rap reicht das nicht.

Aber das wäre auch eine ziemliche Vergeudung, denn dafür spielt der Würzburger, der 2015 mit dem renommierten „Passauer Scharfrichterbeil“ ausgezeichnet wurde, viel zu gern und auch viel zu stilsicher mit den Genres, überzieht sie mit spürbarem Genuss. Was einem bei seinem Anblick als erstes einfällt, dürfte wohl die Singer/Songrwiter-Schiene sein – man denke da nur an seinen berühmten Namensvetter.

Aber auch Elvis sitzt. Sein „Love me tender“ erinnert Filmfreunde im Saal spontan an Nicolas Cage in David Lynchs Roadmovie „Wild at heart“. Robert Alan erfüllt am Piano Zuschauerwünsche. Robert Alan nimmt das alles nicht so wirklich ernst. Und sich selbst schon gar nicht. So dass dieser Abend, der beim ersten Anschlag so leicht-ironisch daherkommt und über 90 Minuten wie eine einzige verspielte Laune klingt, bei näherem Hinschauen an Profil und Substanz gewinnt. Von wegen Generation Facebook. „Irgendwie“, sagt Robert Alan, „hab ich das Gefühl, dass wir die neuen 68er sind“. Eben: genau die Ära, als ein gewisser Bob Dylan groß raus kam.

Daheim hat die Künstlerin einen Putin-Kalender an der Wand

Und als Tina Turner noch mit Ike liiert war – auf der Bühne und privat. Bevor sie vor ihm die Flucht ergriff, sich allein durchschlug und lange bevor ihre Solokarriere Mitte der 1980er Jahre richtig durchstartete. Das muss damals auch Barbara Kuster schwer beeindruckt haben. Die unverwechselbare Beinarbeit der Rock-Ikone hat sie sich inzwischen ebenso „draufgeschafft“ wie das Zur-Seite-Werfen des Kopfes direkt am Mikro.

Schon diese gekonnte Hommage hätte den Eintritt gelohnt. Aber selbstredend hat die Kabarettistin und Musikerin noch einiges mehr zu bieten. Ein bisschen was von Marlene vielleicht? Warum denn nicht: blond und gerade gewachsen, eine unverkennbare preußisch-zackige Ader mit Humor und Schnauze.

Während sie so von daheim erzählt; von ihrem Mann J.R. zum Beispiel – den Namen hat sie ihm kurzerhand verpasst, weil er früher als SPD-Ortsfunktionär mal ein richtiger Macher war. Oder von ihren Töchtern, die das von ihrem Vater mitbekommen haben müssen: die eine in Kaschmir, die andere in der Latzhose und beide mit hünenhaften Kerlen verheiratet: oder kurz den „Schattenspendern“.

Diese Frau, die ihr Programm „Viva Walküre“ nennt, hegt eine freimütig bekannte Schwäche für physische Präsenz. Sie hat Pater Ralph de Bricassart aus den Dornenvögeln mindestens ein halbes Dutzend Mal vor dem Fernsehbildschirm angeschmachtet und einen Putin-Kalender daheim an der Wand hängen. Und sie schwärmt für Star-Architekten in schwarzen Rollkragenpullovern, die meist viel besser aussehen als das, was sie da bauen.

Ihre Lieder schreibt Barbara Kuster selbst: Ihre Architekten sind ein nahezu klassisches Stück Kabarett. Ein paar Seitenhiebe nach Berlin gehören zum Pflichtprogramm. Die Kür aber – das sind Tina Turner, Rammstein und Celine Dion. Das macht ihr so schnell keiner nach.

Nächste Vorstellung: Otto Jaus – „Fast fertig. Ein musikalischer Amoklauf“, 28. Oktober, Karten unter www.morenhovener-kabarett-tage.de.

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