Georg von Boeselager aus Swisttal Im Widerstand gegen Hitler

SWISTTAL-HEIMERZHEIM · Er gehörte zum Kreis derer um Claus Graf Schenck von Stauffenberg, die Hitler töten und damit Krieg und Nazi-Diktatur beenden wollten. Doch erst wurde ein für 13. März 1943 geplantes Attentat verschoben, und jenes vom 20. Juli 1944 misslang. Vor 100 Jahren, am 25. August 1915, wurde Georg von Boeselager, Namensgeber der Heimerzheimer Sekundarschule, geboren.

Das Kriegsende erlebte der Freiherr nicht mehr. Er wurde am 27. August 1944, zwei Tage nach seinem 29. Geburtstag, bei Lady-Mans in Russland im Kampf erschossen.

Just in den Tagen vor Georg von Boeselagers 100. Geburtstag sieht sich die Familie mit einem Eintrag im Internet-Lexikon Wikipedia konfrontiert, der dazu geeignet ist, das Ansehen des Widerstandskämpfers gegen Hitler erheblich zu beschädigen. Darin wird angedeutet, Georg von Boeselager sei bei einer "jagdähnlichen Erschießung von Juden" dabei gewesen.

Quelle des Eintrags sollen von den Briten heimlich aufgenommene Gespräche von deutschen Kriegsgefangenen sein. Einer dieser Kriegsgefangenen war August von der Heydte, der einem Mitgefangenen berichtet, was sein Regimentskamerad von Boeselager ihm angeblich erzählt habe. Nach einem Essen bei einem SS-Führer (dessen Name wird nicht genannt), 1941 oder 1942, in Polen (da ist sich der Erzähler nicht sicher, er nennt auch keinen genauen Ort) soll die Gesellschaft in den Wald gefahren sein. Dort hätten 30 polnische Juden gestanden. Jeder Gast habe eine Büchse bekommen. Die Juden seien vorbeigetrieben worden, und jeder Gast habe mit Schrot auf sie schießen dürfen. Dann hätten die Opfer den Gnadenschuss bekommen.

Aufgezeichnete Gespräche ungenau und fehlerhaft

Nach diesem Bericht von der Heydtes heißt es weiter bei Wikipedia: "Ob von Boeselager an dieser Erschießung selbst teilnahm, war bislang nicht zu ermitteln. Seine Anwesenheit ist weder auszuschließen noch aufgrund dieser Quelle sicher zu belegen. Die heimlich aufgezeichneten Gespräche deutscher Gefangener weisen immer wieder Ungenauigkeiten und Fehler auf, was in der Natur des ungezwungenen Gespräches unter Soldaten begründet liegt. Die Quelle belegt allerdings, dass von Boeselager von der Ermordung polnischer Juden früh Kenntnis gehabt hat."

"Einen solchen Eintrag, solche Behauptungen auf der Basis einer äußerst unsicheren Quellenlage können wir nicht auf uns sitzen lassen", spricht Antonius von Boeselager, der Neffe Georg von Boeselagers, für die Familie. Deshalb habe er zwei unabhängige Militärhistoriker beauftragt, die historischen Fakten zu ermitteln. Diese Geschichte werde dem Ruf der Familie nicht gerecht und widerspreche auch dem Geist seiner katholisch-konservativ geprägten Familie, die immer "einen guten Draht" zu den Juden gehabt habe. So habe beispielsweise seine Urgroßmutter den Jüdischen Friedhof in Heimerzheim gestiftet. Mangi von Boeselager, Jahrgang 1928, kann sich noch dunkel an ihren älteren Bruder erinnern: "Er hatte schon früh eine Passion für Pferde. Und wenn er in den Ferien vom Godesberger Aloisius-Kolleg nach Heimerzheim kam, ist er gerne auf die Jagd gegangen." Zu dem Wikipedia-Eintrag sagt sie: "Davon habe ich nie etwas gehört. Und ich kann es mir auch nicht vorstellen."

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Georg von Boeselager wuchs auf der Burg Heimerzheim auf, bekam zunächst Hausunterricht, wechselte 1926 zum Jesuiten-Internat nach Bad Godesberg, wo er 1934 Abitur machte. Anschließend trat er ins Reiterregiment 15 in Paderborn ein. Für seine militärischen Leistungen in Polen, in Frankreich und in der UdSSR wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt von Hitler persönlich mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz.

"Wenn der Krieg vorüber ist, wird es an Leuten wie uns liegen, etwas dagegen zu tun"

Wie Philipp von Boeselager einmal berichtet hat, fanden er und sein Bruder Georg etwa im Jahr 1942 über Generalfeldmarschall Günther von Kluge zum Kreis der Widerständler innerhalb der Wehrmacht. Und das vor allem deshalb, weil sich die Berichte über Gräueltaten häuften. Bereits im Sommer 1941, so der Historiker Heinz Doepgen in seiner Biografie über Georg von Boeselager, habe dieser sich im internen Kreis scharf gegen Hitler positioniert. Er habe ihm eine dilettantische Militärstrategie in Russland vorgeworfen. Außerdem zerstöre der Nationalsozialismus "das Herz des wahren Deutschlands". Boeselager habe gesagt: "Wenn der Krieg vorüber ist, wird es an Leuten wie uns liegen, etwas dagegen zu tun."

Ausführlich schildert Antonius John in seinem Buch über Philipp von Boeselager die Vorgeschichte des für den 13. März 1943 geplanten, aber nicht durchgeführten Pistolenattentats auf Hitler in Smolensk, das die Brüder ausführen wollten. Weil jedoch Heinrich Himmler nicht beim Frontbesuch dabei war, verbot von Kluge den Anschlag. Denn der SS-Führer sollte auch ermordet werden. So aber fürchtete von Kluge einen "Krieg" zwischen Heer und SS.

Am 26. Juni 1944 wurde Georg von Boeselager von Generalmajor Henning von Tresckow, einem entschiedenen Nazi-Gegner, nach Paris geschickt um den nach dort versetzten von Kluge zu bitten, die Westfront zu öffnen und so den Krieg schneller zu beenden sowie gegen Hitler loszuschlagen. Doch von Kluge lehnte ab: Der Durchbruch der Alliierten sei eh nicht mehr zu verhindern, und sein Stab sei zu unzuverlässig, um etwas gegen Hitler zu unternehmen.

Das nahm dann Stauffenberg am 20. Juli 1944 in die Hand. Vor seinem Bombenattentat in einer Baracke des Führerhauptquartiers Wolfsschanze in Ostpreußen hatte Georg von Boeselager die Aufgabe, sein Regiment mit 1200 Reitern von der Front zum Sammelpunkt Konopka zu führen. Die Reiter schafften 200 Kilometer in 36 Stunden. In Konopka sollten die Pferde und Reiter in Lkw verladen werden, um sie zu einem polnischen Flugplatz zu bringen. Von dort sollte das Regiment nach Berlin geflogen werden, um dort nach einem geglückten Attentat für Ruhe zu sorgen. Doch Hitler überlebte, und die Reiter kehrten an die Front zurück. Dass dieses große Manöver nicht auffiel, erklärte Philipp von Boeselager damit, dass es häufiger Truppenbewegungen hinter der Front gegeben habe.

Tod im Kugelhagel, hoch auf dem Panzer stehend

Georg von Boeselager starb am 27. August 1944 in der Nähe des Ortes Lady-Mans im Maschinengewehrfeuer, als er, hoch auf dem Panzer stehend, das Zeichen zum Angriff auf russische Schützen gab. Zwei Tage zuvor war er 29 Jahre alt geworden. Am 8. September 1944 wurde er auf dem Familienfriedhof im Heimerzheimer Burgpark begraben.

In den ersten Jahren nach dem Krieg war vermutet worden, Boeselager habe so den Freitod gesucht, weil er fürchtete, dass sein Mitwirken im Widerstand bekannt würde. Dies wies sein Bruder Philipp aber zurück. Georg habe immer aufrecht stehend seine Soldaten angeführt. Und es habe auch einen Monat nach dem Attentat noch keinen Hinweis auf Nachforschungen des Reichssicherheitsdienstes gegeben.

Der Kriegskamerad und spätere "Pferdepapst" Hans Joachim Köhler schildert in seinem 1981 erschienenen Memoiren Georg von Boeselager als "einen genialen Kopf". Die Achtung vor jedem Menschenleben sei ungeschriebenes Gesetz gewesen. Wehrlosen habe er immer Pardon gegeben.

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