Maria Michels bei den Swisttaler Lesetagen Geschichten von de Huttjass und de aal Thelesch

SWISTTAL-LUDENDORF · Einen vergnüglichen Abend bescherte die Odendorferin Maria Michels den Zuhörern der Swisttaler Lesetage. Sie las aus ihrem Manuskript „De Huttjass jenannt de Theate’stroß“ - ihre erlebten Geschichten aus der Kindheit in den 40er Jahren in Odendorf.

 Swisttaler Lesetage Michels: MNaria Michels las aus ihren Erinnerungen an ihrer Kindheit.

Swisttaler Lesetage Michels: MNaria Michels las aus ihren Erinnerungen an ihrer Kindheit.

Foto: Roland Kohls

Et Stina wor joot em Foode. Wo et jeseisse hatt, wor en decke Blötsch em Iiss onn dröm eröm wor et Iiss jebasch. Lebhaft sahen die Zuhörer jenes Geschehen im Odendorfer Winter vor Augen, als Maria Michels die Geschichte „De Blötsch em Iiss“ vorlas.

Die Kinder der Huttjass – heute Orbachstraße – hatten in jenem Winter in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts tagelang „de Baach“ – den Orbach - so präpariert, dass sie „op dem Iiss letsche“ konnten (auf dem Eis rutschen). Möglichst alle hintereinander in einer langen Reihe. Bis eben jene Stina, die gut genährt war (joot em Foode), hinfiel und dort, wo sie mit ihrem Hinterteil gelandet war, eine große Delle (en Blötsch), Risse und Sprünge im Eis (dat Iiss wor jebasch) dem Vergnügen ein Ende machten.

Ihr helles Vergnügen hatten die Zuhörer, als die Odendorferin Maria Michels, Jahrgang 1937, im Rahmen der Swisttaler Lesetage aus ihrem Manuskript „De Huttjass jenannt de Theate’stroß“ ihre erlebten Geschichten aus der Kindheit vorlas. Als sie diese Erlebnisse in und um die heutige Odendorfer Orbachstraße im einzigen Manuskript 1988 handschriftlich festgehalten hatte, ging es ihr nicht nur darum, Ortsgeschichte und Geschichten aus der früheren Zeit für ihre Kinder und Enkel festzuhalten. Es ging ihr auch darum, den lokalen Dialekt und seine alten Ausdrücke, die verloren gehen, zu sammeln und lebendig zu halten: Spreet, Äälsteooch, Puffmaue, Spruute oder Poppeköchekäppesje, en Faht Ress krieje – wer kennt heute noch diese Begriffe? Maria Michaels hat die Ausdrücke „vonn ose Mottesprooch“, wie für Decke, Hühnerauge, Puffärmel, Rosenkohl oder Prügel bekommen in ihren Geschichten „opp Önndörbe Platt“ erhalten.

Jeder bekam alles mit

Ihre Kindheit erlebte sie bis 1949 in jener Huttjass, der heutigen Orbachstraße, damals auch Theaterstraße genannt, „jenannt de Theate’stroß“, weil da immer etwas los war. Denn alles spielte sich mehr oder weniger auf der Straße ab. Nicht nur, dass die Anwohner am Ende eines Tages unter den – heute nicht mehr vorhandenen – Akazien am Bachufer zusammensaßen und den Tag gemeinsam Revue passieren ließen. Jeder bekam auch von jedem alles mit.

Wie die Kinder auch von „De aal Thelesch“, einer Witwe, die ein richtiger „Zaussmöbbel“ war und es mit Körperpflege, Kleidung und Sauberkeit nicht so genau nahm. Bei ihr saßen „de Hohnde“ (die Hühner) auf dem Sofa, von dem man nicht mehr sagen konnte, welche Farbe es einst gehabt hatte („wat füe en Klüe dat Sofa hatt, sooch me net mie“). Und die Hühner flogen auch auf den Tisch, wenn sie „de aal Thelesch“ Teig für „Prommetaat“ knetete, pickten darin herum und ließen Hinterlassenschaften dort fallen. Was die alte Witwe aber nicht davon abhielt, den Teig zu Pflaumenkuchen zu verarbeiten und jedem ein Stück zu schenken. „Dat nemme me de Oma ihre Sau mött“, war die Entscheidung, das Prommetaat-Stück lieber an Omas Schwein zu verfüttern.

Wenn es auch schon mal „en Faht Ress“ (eine Tracht Prügel) für die Kinder gab, etwa als ein Junge nach dem Krieg auf dem Grammofon anstatt der Schallplatte mit „Lili Marleen“ die Platte mit „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen“ auflegte, gab es auch andere, nachhaltige Erziehungsmethoden. Wie die mit „De Kraadetass“. Denn aus dieser „Froschtasse“ mussten die kleine Maria und ihre Freundin fortan trinken, weil sie einen im Orbach gefangenen Frosch darin transportiert hatten, als sie den Helfern bei der Feldarbeit Brot und Kaffee brachten. Die Tasse wurde zu Hause abgewaschen und mittels einer Feile an der Unterseite markiert. Die Mädchen durften nur diese Tasse benutzen.

Sie waren heilfroh, als sie irgendwann kaputt ging und hüteten sich seitdem davor, „en Kraad“ in einer Tasse beim „Kaffedraare“ (Kaffeebringen) mit aufs Feld zu nehmen.

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