Klaus der Geiger GA-Interview über 68er-Revolte und Konzert in Swisttal

Swisttal-Morenhoven · Er wurde geprägt von den Protesten gegen den Vietnam-Krieg und der 68er-Revolte. In seiner gesellschaftskritischen Haltung ist sich Klaus der Geiger bis heute treu geblieben. Vor seinem Gastspiel in Morenhoven am 8. Juni sprach Hans-Peter Fuß mit dem 78-Jährigen.

Sie sind ganz schön rumgekommen in 50 Jahren als Straßenmusiker. Aber in Morenhoven waren Sie noch nie, oder?

Klaus der Geiger: Nein, noch nie. Aber in den 1970er Jahren war ich mal beim SPD-Politiker Helmuth Prieß in Heimerzheim zu Gast.

Was werden Sie spielen?

Klaus der Geiger: Lieder mit aktuellen politischen Themen. Es geht beispielsweise um Flüchtlinge, um Ungerechtigkeit und um Macht.

Sie tragen Ihre Latzhosen nicht nur auf der Bühne, wie ich sehe....

Klaus der Geiger: Das ist einfach ein praktisches Kleidungsstück, in dem man einiges an Werkzeug verstauen kann. Außerdem habe ich keinen Hintern für eine Jeans, ich bin zu schmal. Ein Gürtel würde runterrutschen. So hänge ich mir die Hose halt über die Schulter.

Wie viele Exemplare besitzen Sie?

Klaus der Geiger: Derzeit vier.

Sie treten mit Uwe Dove und Tom Fronza als Trio Ruki Werch auf. Was bedeutet dieser Name?

Klaus der Geiger: Wir haben vor etlichen Jahren in Weißrussland gespielt und in Minsk bei Freunden gewohnt. Der Vater eines Weißrussen musste im Krieg in Nürnberg Zwangsarbeit leisten. Im Lager haben die deutschen Wärter, so hat er erzählt, die Zwangsarbeiter oft mit „ruki werch“, auf deutsch „Hände hoch“ eingeschüchtert.

An Ihnen klebt das Etikett „Protestsänger“. Stört Sie das?

Klaus der Geiger: Nein. Es stimmt ja. Ich bin der Letzte dieser Art. Es gibt ja sonst niemanden mehr, der so richtig losschimpft wie ich gegen die Missstände in der Welt. Ich singe keine Liebeslieder, keine Ich-Lieder, ich singe nur Wir-Lieder. Von Degenhardt, Wecker und Wader kenne ich keine knallharten Protestlieder.

50 Jahre '68. Was fällt Ihnen dazu ein?

Klaus der Geiger: In dieser langweiligen Zeit, in der Frau Merkel alles aussitzt, stürzen sich alle auf dieses Jahr, in dem einiges los war. Die beteiligten Studenten waren laut, idealistisch und verantwortungsvoll. Sie wollten den Staat verändern, was ihnen zum Teil ja auch gelungen ist.

Welche Ziele wurden denn von Studenten erreicht? Das von vielen verhasste „System“ wurde ja nicht beseitigt.

Klaus der Geiger: Es hat eine stärkere Demokratisierung eingesetzt, die Emanzipation der Frauen wurde vorangebracht, die Befreiung von der Spießbürgerlichkeit begann.

Wo haben Sie die Revolte erlebt?

Klaus der Geiger: Ich war von 1965 bis 1970 in Amiland. In New York und San Diego. Ich war Dozent für Komposition und Neue Musik. Weil ich mich in die Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg eingereiht habe, blieb mir eine akademische Karriere versagt. Eigentlich wollte ich als Professor in Amiland bleiben.

Was war für Sie als Musiker der Sound von '68?

Klaus der Geiger: Ganz klar die Rockmusik. Die hatte Power und Groove. Die Rolling Stones mit „Street Fighting Man“, Jimi Hendrix, Ten Years After, Janis Joplin.

Und Bob Dylan?

Klaus der Geiger: Den hab ich gar nicht verstanden, der hat ja furchtbar genuschelt. Und die Musik war auch ziemlich langweilig.

Was hat bei Ihnen den revolutionären Funken entzündet? Hat '68 nicht schon viel früher begonnen?

Klaus der Geiger: Es gab nicht ein Ereignis. Es war die Zeit insgesamt. Der Protest gegen den Vietnamkrieg ging in Amiland ja schon 1963 los. Wir haben uns auch gegen autoritäre Professoren gewehrt. Die stärkste Kraft war die Hippie-Bewegung. Es ging um die Veränderung der Machtverhältnisse in der Familie, zwischen Mann und Frau und letztlich auch in der Gesellschaft.

1970 sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt. Warum waren Sie lieber Straßenmusiker als Geiger in einem klassischen Orchester?

Klaus der Geiger: Weil mir die Freiheit wichtiger war und ist als die vermeintliche Sicherheit durch ein geregeltes Einkommen. Ich habe das nie bereut. Anfangs habe ich hier in der Südstadt mit bis zu zwölf Leuten in einer Kommune gelebt.

Sie singen und spielen seit 50 Jahren gegen Krieg, Aufrüstung, Rassismus, Umweltzerstörung und die Macht des Geldes. War alles umsonst, wenn Sie sehen, wie beispielsweise Donald Trump agiert? Von Putin, Erdogan und anderen Autokraten ganz zu schweigen?

Klaus der Geiger: Nein. Wenn ich überzeugt davon bin, dass mein Weg der richtige ist, trete ich auch dafür ein. Das macht mich stark. Dann ist es auch egal, ob ich gewinne oder verliere. Der richtige Weg ist der demokratische, und der wird sich am Ende immer durchsetzen.

In einem neuen Lied befassen Sie sich mit der Pegida-Bewegung. Was sagen Sie diesen Demonstranten, die sich vor einer Islamisierung unseres Landes fürchten?

Klaus der Geiger: Ich würde ihnen klar machen, dass alle Menschen gleich viel wert sind, egal, welche Hautfarbe sie haben. Außerdem werden wir von den Ausländern nicht an die Wand gedrückt. Dafür sind es zu wenige. Ich habe mich gefreut, dass so viele Menschen am vergangenen Wochenende in Berlin gegen die AfD demonstriert haben. Diese Partei profitiert davon, dass viele Menschen die Schnauze voll haben von bestimmten Berufspolitikern. Es ist doch eine Farce, dass im Koalitionsvertrag nichts zum Klimawandel drin steht. Die Politik ist zu abhängig von den Großkonzernen.

Wie würden Sie die Flüchtlingspolitik managen?

Klaus der Geiger: Ich würde in den Heimatländern der Flüchtlinge humanitäre und politische Zeichen setzen. Im Moment macht die Regierung ja nur die Tür zu. Natürlich kann nicht jeder zu uns kommen. Aber viele Menschen fliehen eben aus Not und Elend und Unterdrückung. Auch deshalb, weil westliche Staaten ihnen die Küstengewässer leer fischen und ihnen damit die Existenz rauben. Großkonzerne wie Nestlé graben den Ärmsten der Armen im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab. Das sind nur zwei Beispiele.

Welche Zeichen wären das konkret?

Klaus der Geiger: Ich würde keine Waffen in den Nahen und Mittleren Osten liefern. Damit fängt es schon mal an. Das Geld sollte besser in die Bildung in diesen Ländern gesteckt werden.

In Ihren Liedern haben Sie früh die Auswüchse des Kapitalismus angeprangert. Fühlen Sie sich heute angesichts der ungleichen Verteilung von Geld und Gütern bestätigt?

Klaus der Geiger: Leider ja.

Wofür oder wogegen lohnt es sich heute noch zu singen?

Klaus der Geiger: Es lohnt sich grundsätzlich, gegen Missstände anzukämpfen, Stellung zu beziehen. Sonst überlässt man den falschen Leuten das Feld.

Werden Sie jemals altersmilde?

Klaus der Geiger: Solange man hier in Köln an der Bonner Straße Bäume abholzt, damit Autos mehr Platz haben, und solange nichts gegen die Klimakatastrophe unternommen wird, bestimmt nicht.

Mit Wolfgang Niedecken haben Sie sich in den 70ern für die Erhaltung der Schokoladenfabrik Stollwerck engagiert. Wie haben Sie seine Karriere verfolgt? Sind Sie BAP-Fan?

Klaus der Geiger: Fan würde ich nicht sagen. Die Band spielt gesunden Rock.

Welche Musik hören Sie sonst noch?

Klaus der Geiger: Eher wenig. Die Beatles gefallen mir, die Stones, Deep Purple.

Ihr Tourkalender ist prall gefüllt. Wie halten Sie sich fit? Sie sind ja nicht mehr 20.

Klaus der Geiger: Jeden Morgen absolviere ich die Fünf Tibeter (eine Abfolge von Übungen, die tibetischen Mönchen zugeschrieben wird, Anm.d.Red.). Und ich übe täglich Geige, auch das ist Körpertraining. Und ich habe immer noch Erfolg, bin sehr gefragt. Auch das motiviert.

Konzert Klaus der Geiger mit Ruki Werch am Freitag, 8. Juni, 20 Uhr, in der Krea-Schule Morenhoven. Karten für zwölf Euro unter www.kreaforum.de oder an der Abendkasse.

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