Autorin liest in Morenhoven Anne Katharina Zschocke referiert im Kreaforum

SWISTTAL-MORENHOVEN · 100 Billionen Freunde: Bakterien im Darm sind nicht bloß Verdauungshelfer. Wie groß ihr Einfluss auf unsere Gesundheit ist, darüber referierte Ärztin und Autorin Anne Katharina Zschocke im Kreaforum in Morenhoven.

 Natürlich heilen mit Bakterie Vortrag im Kreaforum

Natürlich heilen mit Bakterie Vortrag im Kreaforum

Foto: Klaus Grewe

Sieht so vielleicht eine Revolutionärin aus – weiße Bluse und schwarzer Rock, die Beine übereinander geschlagen, ein Buch auf den Knien? Für die meisten wohl eher nicht. Aber die meisten verbinden mit dem Begriff Bakterien auch ein spürbares Unbehagen. Dass dies zu kurz greift, dass nicht die Mikroorganismen selbst, sondern vielmehr Störungen ihres natürlichen Gleichgewichts im Körper zu Krankheiten führen können – darüber hat die Ärztin, Autorin und Referentin Anne Katharina Zschocke bereits fünf Bücher geschrieben. Ihr neues „Natürlich heilen mit Bakterien“, stellte sie im ausverkauften Kreaforum vor.

Sieht so eine Revolutionärin aus? Die Antwort lautet Ja. Denn Zschocke fordert ihre Zuhörer auf, sich von seit 120 Jahren tradierten Denkmustern zu lösen und beginnt ihren Vortrag mit ein paar grundsätzlichen Anmerkungen, die genau zu diesem Umdenken ermuntern sollen: „Leben ist Wandlung. Zu viel davon macht uns krank, zu wenig aber auch“ sagt Zschocke, die das Mikrobiom – also die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Bakterien – als ein eigenes, elastisches Organ betrachtet.

Wie viele Nullen die Zahl der Mikroorganismen im Darm, im Mund oder auch nur auf den Ohrläppchen haben mag? Niemand weiß es, und niemand muss das auch so genau wissen. Was sie tun, ist für Zschocke entscheidend: „Sie arbeiten permanent an uns und halten eine gesunde Balance. Und sie haben das Feindbild nicht verdient, das aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stammt.“ Über das eigentliche Ziel hinausschießend, habe sich binnen Jahrzehnten die Auffassung durchgesetzt, steril sei gleichbedeutend mit gesund. Ein folgenschwerer Irrtum, wie die inzwischen zunehmende Resistenzen gegen bislang wirksame Antibiotika zeigen. Zschocke plädiert stattdessen mit Nachdruck dafür, Bakterien nicht als Gegner, sondern als Partner der menschlichen Zellen und deren Kommunikation und dieses gesamte Netzwerk als lebensnotwendig begreifen zu lernen.

Das beginnt für sie mit einer abwechslungsreichen Ernährung, die das Mikrobiom im Darm aktiv und somit gesund halte. Auch das vor Generationen noch selbstverständliche Miteinander von Mensch und Tier lasse Rückschlüsse auf das kurative Potenzial von Bakterien zu. Einmal gründlich den Stall ausmisten und dabei zugleich die lästige Erkältung loswerden? Hat seinerzeit funktioniert. Tierische Exkremente als Heilmittel wie anno dazumal? Heute nicht mehr empfehlenswert, denn der extensive Einsatz von Antibiotika in den Ställen habe auch dieses bakterielle Gleichgewicht nachhaltig gestört.

Als aktuelles Beispiel dafür, dass gegen bakterielle Infektionen mitunter am besten andere Bakterien helfen, nennt Zschocke die Stuhltransplantation – also die Übertragung der Darmflora von einer auf eine andere Person – zur Therapie bei wiederholter Clostridioides difficile, einem hartnäckigen Durchfall, der durchaus bedrohliche Formen annehmen kann. Die Erfolgsrate dieses Verfahrens wird in der medizinischen Fachliteratur derzeit mit 92 Prozent benannt. Doch soweit, ergänzt Zschocke, braucht man im Alltag meist gar nicht zu gehen. Es würde schon genügen, sparsamer mit Antibiotika umzugehen. Auch mit Respekt vor dem eigenen Mikrobiom.

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