Interview mit dem Wormersdorfer Autor Thomas Hahn "Wir haben den Freiraum, Dinge zu ändern"

Rheinbach-Wormersdorf · Familien der Wohlstandsgesellschaft im Bildungs- und Erfolgsstress, abgehängte junge Menschen in Entwicklungsländern und ein Manager, der aus dem Hamsterrad ausbricht, ohne den Erfolg einzubüßen: In seinem Buch "Die Welt im Burnout" skizziert Thomas Hahn anhand fiktiver Beispiele und vielfältiger Problemanalysen die extremen Pole in der Welt 21 und hält ihnen "Individuelle Antworten auf die globalen Krisen der Leistungsgesellschaft" entgegen.

 Thomas Hahn gibt in seinem Buch "Die Welt im Burnout" Antworten auf globale Krisen der Leistungsgesellschaft. FOTO: AXEL VOGEL

Thomas Hahn gibt in seinem Buch "Die Welt im Burnout" Antworten auf globale Krisen der Leistungsgesellschaft. FOTO: AXEL VOGEL

Foto: Axel Vogel

Als Pädagoge widmeten Sie Ihre bisherigen Bücher der Erziehung. Nun zieht es Sie buchstäblich ins Globale: Warum der Themenwechsel?
Thomas Hahn: Zum einen habe ich die Folgen der Leistungsgesellschaft und der unglaublichen Beschleunigungstendenzen im Bildungssektor an Schülern, Eltern und Lehrern selbst miterlebt. Zum anderen treibt mich schon seit meinem Geografiestudium die Fragestellung um, wie wir eigentlich mit unserem Planeten und unseren eigenen Ressourcen umgehen. Die Grenzen des Wachstums rücken ja nicht erst jetzt in den Blick, aber zunehmend dringlicher.

Es geht in Ihrer Gesellschaftsanalyse also nicht nur um das Gefühl des Ausgebrannt-Seins einer Generation, sondern auch um die Ausbeutung der Umwelt.
Hahn: Genau. Da sehe ich komplexe Zusammenhänge.

Woran krankt das System Ihrer Ansicht nach?
Hahn: An Gewinnmaximierung ohne Rücksicht auf Verluste. Wo es um die Grundbedürfnisse des Einzelnen geht, müssten Gewinne eigentlich in den Hintergrund treten. Stattdessen werden die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher. Diese Spirale schraubt sich durch die Globalisierung hoch: Hinter dem billigen Kleidungsstück kann ich die ausgebeutete Näherin im fernen Bangladesch schwer erahnen und mich folglich auch schwer mit ihr solidarisieren. Die Globalisierung verstellt also den Blick aufs Wohl und Wehe der Einzelnen.

Wie wollen Sie diese Spirale stoppen?
Hahn: Durch Achtsamkeit. Mir selbst und meinen eigenen Bedürfnissen und denen der anderen gegenüber. Durch Selbstverantwortlichkeit. Durch präsentes Dasein im Hier und Jetzt. Durch spirituelle Sichtweisen: Sowohl das Christentum als auch der Buddhismus halten viele Inspirationen für uns bereit. Aber auch kulturelle Lebensfrüchte wie Musik oder schlicht menschliche Errungenschaften wie Bescheidenheit, Humor und Dankbarkeit eröffnen Alternativen zum Perfektions- und Maximierungswahn.

Greifen denn aber solche rein individuellen Antworten nicht zu kurz?
Hahn: Ich kann nur bei mir selbst anfangen. Das Ziel ist ja keine Diktatur der Gerechtigkeit, sondern eine Bewegung der Gerechtigkeit. Und die muss von unten wachsen. Auch in einem global kranken System bleiben dem Einzelnen viele Nischen, sein Leben selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen und so scheinbar unabänderliche Muster zu verwandeln.

Können Sie Beispiele nennen?
Hahn: Meine Frau und ich ernähren uns überwiegend vegetarisch und kaufen biologisch und regional ein - auch Kleidung. Zum anderen kenne ich viele junge Familien, die ihre Erziehungskompetenz nicht abgeben, sondern sich Zeit nehmen für selbst gekochte gemeinsame Mahlzeiten und Gespräche. Viele Eltern bleiben sensibel für die Befindlichkeiten und Überforderungen ihrer Kinder. Und ich kenne Menschen, die den Mut haben, Überlastungssituationen im Beruf offen anzusprechen, auch wenn das vielleicht kurzfristig Nachteile mit sich bringt. Aber immerhin leben wir in einer Demokratie - wir haben den Freiraum, Dinge zu ändern.

Zur Person

Thomas Hahn (63) ist pensionierter Gymnasiallehrer der Mathematik und Geografie sowie Autor und Coach. Er hat vier Kinder, drei Enkelkinder und lebt mit seiner Frau in Wormersdorf. "Die Welt im Burnout" ist sein drittes Sachbuch. Am 24. Februar liest er um 19 Uhr im Glasmuseum Rheinbach und am 13. März um 19.30 Uhr im Albert-Schweitzer-Haus in Bad Godesberg. Weitere Infos gibt es online unter www.weltimburnout.de.

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