Radtour Rheinbach Vom Tourhelden Indurain bis zur Prummetaat

Rheinbach/Meckenheim · Eine 35 Kilometer lange Radtour mit dem ADFC am Sonntag, 24. Juli, zeigt facettenreich, welche Spuren die Franzosen während ihren Herrschaftszeiten in Rheinbach und Umgebung hinterlassen haben.

 Miguel Indurain bei der Tour de France 1992, die am 12. Juli des Jahres auch eine Schleife durch Rheinbach zog.

Miguel Indurain bei der Tour de France 1992, die am 12. Juli des Jahres auch eine Schleife durch Rheinbach zog.

Foto: DPA

Dicht gedrängt stehen die Menschen am 12. Juli 1992 zu beiden Seiten der Aachener Straße in Rheinbach, als die Tour de France in der Glasstadt Einzug hält. Als das Peloton gegen 12.30 Uhr Rheinbach erreicht, geht alles ganz schnell, wie sich Rudi Klotz, stellvertretender Vorsitzender des Radsportclubs Rheinbach, erinnert. Binnen Sekunden passieren die Radprofis die Kernstadt und streben Wormersdorf entgegen. Welche Spuren nicht nur die berühmte Schleife durch Frankreich, sondern die Franzosen – insbesondere während ihrer Herrschaftszeiten – in Rheinbach und Umgebung hinterlassen haben, ist am Sonntag, 24. Juli, das Thema einer Fahrradtour des örtlichen Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC). Manche Spuren der Okkupation sind bis heute sichtbar.

Über 206,5 Kilometer jagen die drahtigen Teilnehmer des berühmtesten Radrennens der Welt um Tour-Titelverteidiger und den späteren Toursieger Miguel Indurain vom niederländischen Valkenburg nach Koblenz ans Deutsche Eck. Wie der General-Anzeiger seinerzeit berichtete, ärgern sich die Nachbarn in Bonn schwarz, weil die Tour de France rund 25 Kilometer vor ihren Toren vorbeiführt. Grund: Die Bonner konnten der Tourleitung für die achte Etappe keine geeignete Passage auf dem Weg nach Koblenz präsentieren.

Auf die frankophile Spuren-Tour, wenn auch beileibe nicht im Profi-Renntempo, nimmt Wilfried Skupnik vom ADFC die Teilnehmer der Sonntagstour, die über 35 Kilometer geht. Dass in der Glasstadt und im ehemaligen Landkreis Rheinbach noch manches zu finden ist, was an die Zeiten mehrfacher Besatzung durch die Franzosen erinnert, macht Skupnik auf beeindruckende Weise deutlich. Als erstes Etappenziel lässt er den Bahnhaltepunkt „Römerkanal“ ansteuern, wie er im Gespräch mit dem GA berichtet.

Die „Unvollendete“ ist bisheute in Rheinbach sichtbar

Nur unweit vom Stopp an der Voreifelbahnstrecke ist die „Unvollendete“ zu finden. Hinter diesem klingenden Stichwort verbirgt sich nicht nur die nie fertiggestellte Sinfonie in h-Moll von Franz Schubert, sondern in diesem Fall eine lange geplante, aber nie realisierte Bahntrasse. „Die Unvollendete sollte das Ruhrgebiet und Lothringen miteinander verbinden“, berichtet Skupnik. Die Strecke hätte über Krefeld, die Rheinschiene, Rheinbach und das Ahrtal bis in den heute zu Frankreich gehörenden Landstrich geführt. In weiten Teilen hätte sich die Streckenführung an der heutigen A 61 orientiert. Sichtbar ist bis heute ein großer Erdwall am Bahnhaltepunkt.

Von dort radeln die Tourteilnehmer weiter nach Meckenheim, welches Ende des 18. Jahrhunderts der Bürgermeisterei Adendorf, der Mairie d'Adendorf, zugehörig ist. Französische Revolutionstruppen erobern im Oktober 1794 die linksrheinischen Gebiete und führen dort 1798 französische Verwaltungsstrukturen ein. Folge: Die Ortschaften Adendorf, Groß-Altendorf, Arzdorf, Ersdorf, Fritzdorf, Lüftelberg, Meckenheim und Merl verschmelzen zur Mairie d'Adendorf. Diese Mairie gehört zum Kanton Rheinbach im Arrondissement de Bonn im Rhein-Mosel-Departement. Ein verheerender Brand legt am 28. März 1787 große Teile des heutigen Meckenheimer Stadtzentrums in Schutt und Asche. „Um die Not der Menschen zu lindern, erlaubte der Kölner Erzbischof und Kurfürst, dass die Meckenheimer zweimal im Jahr einen Viehmarkt ausrichten durften“, weiß Skupnik. Eher dem Kurfürsten denn den Besatzern treue Untertanen sind die Folge. Ab 1802 ist der Kanton Rheinbach sogar Teil des französischen Staates.

Nach der vernichtenden Niederlage des französischen Kaiserreichs unter Napoleon I. beschließt der preußische Generalgouverneur Justus Gruner im Februar 1814, die französischen Verwaltungsstrukturen vorläufig bestehen zu lassen. Grund: Eine geordnete Verwaltungstätigkeit sollte bestehen bleiben – lediglich die französischen Amtsbezeichnungen bekamen eine deutsche Entsprechung. So hieß der Maire jetzt Bürgermeister. Nach dem Wiener Kongress von 1815 fällt das Rhein-Mosel-Departement und somit die Bürgermeisterei Adendorf Preußen zu. Das Verwaltungsgebiet ist mit dem der Mairie Adendorf identisch und zum Kreis Rheinbach gehörig. Der wiederum geht aus dem französischen Kanton Rheinbach hervor.

Etappen an der Rheinbacher Waldkapelle und Sankt Martin

Von Adendorf verläuft die Tour weiter in Richtung Rheinbacher Waldkapelle. Die Franzosen säkularisieren das katholische Rheinland und lösen auch in Rheinbach Klöster auf. Einer der Mönche ist der Publizist Johann Baptist Geich. „Er war glühender Anhänger der Französischen Revolution und setzte mit einer Gruppe von Rheinbacher Bürgern den ersten Freiheitsbaum in der Kantorei“, weiß der Tourleiter. Und: Gleichzeitig ruft er als Anhänger einer rheinischen Republik nach französischem Vorbild das „Freie Land Rheinbach“ aus. Nur: Kurz darauf wird das linksrheinische Rheinland von Frankreich annektiert. „Der Freiheitsbaum soll der Überlieferung nach nur einen Tag gestanden haben“, sagt Skupnik.

Um zu demonstrieren, was sie von den Besatzern halten, sollen die Revolutionsgegner auf dem umgestoßenen Baum, der unweit der heutigen Pfarrkirche Sankt Martin an der Hauptstraße gestanden haben soll, noch „ein großes Geschäft verrichtet“ haben, heißt es.

Apropos Pfarrkirche: In dem zwischenzeitlich säkularisierten Kirchenbau verehren die Rheinbacher Eva Alef, die spätere Ehefrau des Maire (Bürgermeisters) Peter Nachtsheim, als „Göttin der Vernunft“. Kurios: Erst vor wenigen Wochen entdecken Nachfahren Eva Alefs in Köln ein mit Ölfarbe gemaltes Porträt der Revolutionstreuen.

Halt machen die Radler auch an der Gymnasiumstraße. An den dort stehenden Villen erinnert Skupnik an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Damals leben französische Offiziere in den herrschaftlichen Häusern. Eingehend beleuchtet das ADFC-Mitglied auch die französische Herkunft einer Fülle von rheinischen Begriffen wie Prummetaat, welches sich vom französischen Wort für Pflaumenkuchen (tarte aux prunes) ableiten lässt.

Beginn der laut Skupnik „circa 35 Kilometer langen, gemütlichen Tour“ am Sonntag, 24. Juli, ist um 10 Uhr am Rheinbacher Bahnhof, präzise an der Bushaltestelle Bahnhof. Anmeldungen sind bei Wilfried Skupnik vom ADFC Rheinbach möglich unter 0 22 26/43 72.

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