Interview mit Krimiautorin Val Mc Dermid holt Rheinbacher Glasdolch persönlich ab

Rheinbach · Im Gespräch am Wochenende spricht die schottische Krimiautorin Val McDermid über das Handwerk, atemlose Spannung zu erzeugen, den Brexit und ihre Auszeichnung mit dem Rheinbacher Glasdolch.

Die Krimifreunde in Rheinbach freuen sich, dass Sie persönlich anreisen, um den Glasdolch in Empfang zu nehmen. Sie hätten ihn sich auch nach Hause schicken lassen können...

Val McDermid: Ja, das stimmt wohl. Aber es ist immer schön, persönlich mit den Lesern in Kontakt zu kommen. Und wenn du etwas geschenkt bekommst, ist es das Mindeste, was du tun kannst, persönlich Dankeschön zu sagen.

Die zerbrechlich anmutende Auszeichnung wäre wegen ihrer massiven, handgefertigten Struktur auch als Mordinstrument denkbar. Nach solch Ungewöhnlichem sucht doch jeder Schriftsteller?

McDermid: Wer Bücher schreibt, sucht immer nach frischen Themen, nach Themen, die anders sind. Es ist immer wichtig, dass du als Schriftsteller von einem Thema angetan bist, aber du musst auch in viel höherem Maße als Leser davon angetan sein. Ich möchte jedes Jahr ein neues Buch verfassen, und darum muss ich angetan sein, von dem, worüber ich schreiben möchte. Ich habe jedes Mal den Anspruch, etwas so gut zu machen, wie ich es noch nie zuvor getan habe – und anders im Vergleich zu den Büchern, die ich zuvor geschrieben habe.

Überhaupt werden Sie in Rheinbach zahlreiche Inspiration finden: Es gibt den Hexenturm. Dort waren im 17. Jahrhundert Frauen gefangen, bevor sie zum Tode durch das Feuer verurteilt wurden.

McDermid: Haha. Natürlich wurden damals Frauen verurteilt, eine Hexe zu sein. Andererseits wissen wir, dass nicht wenige von ihnen gute Heilerinnen oder Medizinerinnen waren. Oder sie waren gut genug, um Sex mit ihnen zu haben.

Viele Menschen sagen, dass der erste Satz eines Buches der wichtigste Teil im gesamten Werk ist. Wer Ihre Bücher liest, erkennt, dass sie eine Meisterin des ersten Satzes sind. Ist das ein Zufall oder steckt da Methode hinter?

McDermid: Ich versuche immer, die Leser schon im ersten Absatz in Beschlag zu nehmen. Das stammt ganz offensichtlich aus der Zeit, als ich als Journalistin gearbeitet habe. Ich habe gelernt, den Leser bereits im ersten Absatz förmlich zu fesseln.

Und dieser Grundsatz für Journalisten gilt bis heute...

McDermid: Ich glaube, das ist in der heutigen Zeit besonders wichtig. Es gibt so viele Ablenkungen und so viele Möglichkeiten, was man tun könnte – etwa, anstatt ein Buch zu lesen. Deswegen muss man ihn gleich am Anfang fesseln und nie wieder gehen lassen...

Ich las, dass Sie die Entscheidung, ihren sicheren Bürojob aufzugeben, als die „beste Entscheidung ihres Lebens“ einordnen. Was können Sie uns auf den Weg geben, um solch eine beste Entscheidung des Lebens zu treffen?

McDermid: Haha. Nun, ich habe viel mehr Bücher geschrieben, als wenn ich immer noch diesen 9-bis-17-Uhr-Job zu erledigen gehabt hätte. Ich kann nicht beurteilen, ob ich mich als Schriftstellerin anders entwickelt hätte, wenn ich nebenbei noch den Vollzeitberuf zu erfüllen gehabt hätte. Wenn ich weiterhin Journalistin geblieben wäre, hätte dies meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Vielleicht hätte ich dann nicht so viele Bücher schreiben können und vielleicht wären sie dann nicht so geworden, wie sie geworden sind. Wenn Sie meine Bücher mögen, sollten Sie dankbar sein, dass ich es getan habe. Wenn Sie sie nicht gut finden, sollten Sie traurig sein.

In dem Fall wäre ich dankbar.

McDermid: Danke sehr.

Sie haben eine Gabe, mit Ihrer Art des Erzählens ein narratives Kopfkino zu erzeugen. Wie viel Zeit bringen Sie vor dem Schreiben mit der Recherche zu – beispielsweise, über Dubrovnik während der Belagerung im Jugoslawienkrieg, die Wirkung giftiger Pflanzen oder perfekte Verbrechen?

McDermid: Das kommt auf das Buch an und auf die Idee, die ich dafür habe. Bei manchen Büchern brauche ich gar nicht viel, um loslegen zu können. Bei anderen suche ich mir erst einen ausgewiesenen Experten, der mir zu dem Sachverhalt, für den ich mich interessiere, versiert Auskunft geben kann. Im Fall der Balkan-Geschichte aus „Der lange Atem der Vergangenheit“ waren es Freunde von mir, die mir aus zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven schildern konnten, wie es in der 90er Jahren auf dem Balkan zuging. In der Tat muss ich im Vorfeld viel lesen und Fragen stellen. Mitunter dauert es lange, bis am Knochen der Idee, Fleisch dran ist. Manchmal muss ich erst recherchieren, um zu überprüfen, ob die Idee funktionieren kann.

Sie sagten, dass Sie den Anspruch haben, jedes Jahr ein neues Buch zu schreiben. Das gelingt wahrlich nicht vielen in Ihrer Zunft. Wie ist es möglich, das zu schaffen?

McDermid: Ich fange gewissermaßen am Jahresanfang an, wenn das Wetter wirklich schrecklich ist und es keine Hoffnung gibt, dass sich das ändert. Die Ideen zu finden, ist nicht so schwierig. Ideen sind preiswert, man trifft sie immer und überall. Manchmal bewegt mich etwas in besonderem Maße. Überall sagen Menschen irgendwas. Manchmal ist es eine Kleinigkeit, die ich während einer Busfahrt aufschnappe oder im Restaurant am Nebentisch – meistens ohne es zu wollen. All diese Dinge können dazu führen, dass ich eine Geschichte für ein Buch daraus erstelle. Oft weiß ich nicht, worüber mein nächstes Buch handelt, manchmal habe ich schon eine ziemlich große Idee für das übernächste Buch im Kopf.

Lassen Sie uns über Schottland sprechen: Sie kämpfen für ein von Großbritannien unabhängiges Schottland. Deutschland ist ein sehr wichtiger Markt – etwa für schottischen Whisky. Wir sind schon in Sorge, was mit den Ländern Großbritanniens nach dem Brexit geschehen wird – nicht nur wegen des Whiskys...

McDermid: Wir sind bezüglich des Brexit auch sehr in Sorge.

Wie schätzen Sie die Chancen für ein zweites Brexit-Referendum ein?

McDermid: Ich kann zu einem zweiten Brexit-Referendum nicht viel sagen. Es scheint nämlich so zu sein, dass sich die Premierministerin von der Möglichkeit einer zweiten Volksbefragung zum Brexit vollständig abgewandt hat. Und die Labour-Partei trägt ihre Position zu einem neuerlichen Referendum heute so und morgen wieder ganz anders vor. Ich habe eigentlich mehr Vertrauen darin, ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für Schottland anzustreben: Und dieses Mal werden wir gewinnen. Es muss klar werden, dass wir Schotten uns von dieser schmerzvollen Politik aus London verabschieden müssen.

Wie ist für Sie erklärbar, dass überraschend viele Menschen bei der ersten Abstimmung für den Austritt aus der EU gestimmt haben?

McDermid: Weil die Menschen geglaubt haben, was ihnen die Politiker gesagt haben. Das war schlicht das „Projekt Angst“. Nicht anders war es beim schottischen Referendum: Da kamen die Politiker aus London auch und erzählten den Menschen, was sie alles verlieren werden, wenn sie für die Unabhängigkeit sind. Sie behaupteten sogar, dass die Schotten nur dann die Garantie hätten, in der EU zu bleiben, wenn sie Teil des Vereinigten Königreichs bleiben. Es sieht ganz danach aus, als lägen sie damit komplett falsch.

Das Buch „Der Sinn des Todes“ ist der 30. Kriminalroman der britischen Bestsellerautorin. Das 496 Seiten starke Werk ist bei Droemer/Knauer erschienen und kostet 22,99 Euro. Karten für die Lesung samt Verleihung am Mittwoch, 3. Oktober, ab 19 Uhr in der Aula des St.-Joseph-Gymnasiums gibt es für 15 Euro in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers, in der Buchhandlung Kayser in Rheinbach sowie unter www.bonnticket.de.

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